Berlin. Schranken, die per Hand bedient werden und veraltete Stellwerke: Die Infrastruktur der Bahn ist marode. Nun gibt es einen Hoffnungsschimmer.

Scheinbar endlos lange Montagemaschinen leisten Schwerstarbeit beim Neubau der Riedbahn zwischen Frankfurt am Main und Mannheim. Bauleute haben ihnen ehrfurchtsvolle Namens wie „Katharina die Große“ oder „Heinrich der Starke“ verpasst. Auf einer Länge von 70 Kilometern tönt Maschinenlärm, schaufeln Bagger Schotter auf das Gleisbett, werden Brückenteile durch die Luft an die richtige Stelle gehievt. So zeigen es Bilder von der ersten Generalsanierung eines Hochleistungskorridors der Bahn.

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    Nun ist das Werk so gut wie fertig. An diesem Samstag wird die Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim nach fünfmonatiger Totalsperrung wieder freigegeben. Keiner anderen Baustelle der Bahn wurde je eine solche Bedeutung zugemessen. Von einem „ganz entscheidenden Wendepunkt“ sprach Bahnchef Richard Lutz beim Auftakt der Arbeiten unmittelbar nach dem Ende der Fußball-Europameisterschaft. Da hatte die Deutsche Bahn mit einer miserablen Leistung gerade das ganze Land blamiert. Die Pünktlichkeitsbilanz der Bahn ist ohnehin katastrophal. Gerade einmal sechs von zehn Zügen waren im November pünktlich unterwegs.

    Zwischenbilanz zur Generalsanierung der Riedbahn
    Schweres Gerät: Gleisarbeiten werden im Abschnitt am Bahnhof Mörfelden/Walldorf ausgeführt. Die Maschinen tragen Namen wie „Katharina die Große“ oder „Heinrich der Starke“.  © DPA Images | Andreas Arnold

    Bahn im Jahr 2024: Per Handkurbel wird die Schranke gesenkt

    Hier kommt die Riedbahn ins Spiel. Sie ist zum Symbol für einen von der Bahn und der Politik erhofften Neuanfang geworden. Denn zur schlechten Leistung der Bahn trägt die marode Infrastruktur ein großes Stück bei. Vor beinahe drei Jahren gab Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) daher einen grundlegend neuen Kurs bei der Instandhaltung der Strecken bekannt. Die neue Parole heißt Generalsanierung der wichtigsten Hochleistungskorridore in Deutschland

    Wie es um große Teile des 33.000 Kilometer langen Schienennetzes steht, verdeutlicht die filmische Dokumentation der Arbeiten zwischen Frankfurt und Mannheim. Mehrere Folgen davon hat die Bahn zusammen mit dem Streamingdienst Joyn gedreht. Zu sehen ist zum Beispiel eine Schrankenwärterin in Bobstadt, die bei Zugdurchfahrten per Handkurbel die Sperre senkt und wieder anhebt. Oder die Kamera wirft einen Blick in das jüngste Stellwerk an der Strecke, dass aber auch schon mehr als 40 Jahre alt ist. Das sieht man der Technik auch an.

    Sanierung der Riedbahn kostet 1,3 Milliarden Euro

    Stellwerksausfälle sind eine der Ursachen für Störungen im Bahnverkehr. Sie sollen nun nach und nach durch elektronische Stellwerke ersetzt werden wie auf der sanierten Riedbahn. Selbst das ist nicht der neueste Schrei. Das wären kostspieligere digitalisierte Stellwerke, die auch mit dem europäischen Zugsteuerungssystem ETCS zurecht kommen. Schon so kostet allein die Renovierung der Riedbahn 1,3 Milliarden Euro.

    Die Verbindung durch das hessische Ried ist eine der am stärksten befahrenen Trassen Deutschlands. 360 Züge rauschen hier täglich durch und transportieren Güter, Fernreisende oder Pendler. 120 Kilometer Gleise wurden neu verlegt, 150 Weichen ausgetauscht. Bagger schaufelten 380.000 Tonnen Schotter auf das Gleisbett und geben den 265.000 Schwellen Halt. Zudem modernisierte die Bahn 20 Bahnhöfe an der Strecke. 150 neue Busse wurden angeschafft, um einen Ersatzverkehr für Pendler aufzubauen. Auch das hat geklappt.

    Vorbereitung für Bahn-Baustelle
    Bauarbeiten auf dem Gleiskörper der Bahnstrecke in Biblis statt. © DPA Images | Arne Dedert

    Bahn versichert: Sanierung lässt Zahl der Verspätungen sinken

    Störungen auf der Riedbahn wirken sich schnell auf den Zugverkehr in ganz Deutschland aus. Denn viele Fern- und Güterzüge müssen hier auf ihrem Weg durch. Dieser Quell von Verspätungen soll mit der Wiedereröffnung versiegen. Die Zahl der bisher aus der maroden Infrastruktur resultierenden Verspätungen werde um 80 Prozent sinken. Und in den nächsten Jahren müssten am Herzstück des Trassennetzes auch keine weitere Operationen mehr vorgenommen werden, versichert die Bahn. 

    Ein Blick zurück zeigt, wie revolutionär das Konzept für die Bahn tatsächlich ist. Üblich war früher, dass die Teile einer Trasse erneuert wurden, die gerade turnusmäßig damit dran waren oder wo Störungen auftraten. So wurde beispielsweise erst mal hier eine Weiche ausgetauscht, dann dort ein Signal repariert. Die Folge waren immer neue kleine Baustellen, die den Verkehr jeweils zwar nur kurz, in der Summe aber permanent beeinträchtigten. 

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    Auch für Wissing wird die Einweihung zu einem Erfolg. Schließlich war er mit der Vorgabe angetreten, dass die Menschen ihre Uhr wieder nach der Bahn stellen können. Auch wenn dieses Ziel noch in weiter Ferne liegt, hat er doch vieles in Bewegung gebracht. Vor allem stellt die Bundesregierung viel Geld für weitere Generalsanierungen bereit. 45 Milliarden Euro sind es allein in den kommenden drei Jahren. 

    Bis Ende des Jahrzehnts will die Bahn die wichtigsten Hochleistungskorridore einen Grunderneuerung unterziehen. Die Arbeiten auf dem Abschnitt zwischen Emmerich und Oberhausen haben bereits begonnen. Im kommenden Jahr steht das die stark frequentierte Trasse zwischen Hamburg und Berlin an. 4.000 Kilometer Gleisanlagen auf 40 Korridoren sollen insgesamt erneuert werden.

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    Die Riedbahn ist nur eine Großbaustelle unter vielen, vielleicht aber auch ein Zeichen des Aufbruchs zum Umbau des Konzerns zu einem modernen Verkehrsunternehmen. Bahnchef Lutz hat das Sanierungsprogramm S3 ausgerufen. Tausende Stellen werden gestrichen und überall gespart. Ob der Bahnchef einen erfolgreichen Abschluss mit wirtschaftlicher Gesundung, pünktlicheren Zügen und intakter Infrastruktur hinbekommt, ist wohl auch seine letzte Chance, denn sein Vertrag läuft im März 2027 aus.