Berlin/New York. Kathrin Hamm will Schlafstörungen bekämpfen – mit Gewichtsdecken. Ein Experte sieht darin nicht den einzigen Weg für erholsamen Schlaf.

In den USA gibt es vermutlich kaum einen begehrteren Sendeplatz als den frühmorgens in der traditionsreichen „Today Show“, die auf dem Fernsehsender NBC läuft. 2020, kurz nach Beginn der Corona-Pandemie, geht es eines Morgens um sogenannte Gewichtsdecken. Alles, was man irgendwie in Lockdown-Zeiten nutzen kann, um es sich zu Hause gemütlicher zu machen, interessiert die Menschen. Auch die Moderatorin sitzt in ihrem Wohnzimmer. Eine Frau kommt zu Wort und sagt, dass sie mit einer solchen Decke so gut geschlafen habe, wie nie zuvor. Dann ist plötzlich die Deutsche Kathrin Hamm auf dem Bildschirm zu sehen.

Hamm, in Stuttgart aufgewachsen, ist die Gründerin von Bearaby. Die Gewichtsdecke, um die es in der Show geht, ist die der Geschäftsfrau und ihres Start-ups. Der Auftritt in der „Today Show“ ist für das noch junge Unternehmen ein wahrer Erfolgsbeschleuniger. „In den drei Jahren während der Pandemie sind wir um 5000 Prozent gewachsen und gehörten zeitweise zu den am schnellsten wachsenden Unternehmen in den USA“, sagt Hamm heute.

Schlafen mit Gewichtsdecke: Eigentlich hatte die Mutter die zündende Idee

Dabei gibt es Gewichtsdecken, die erholsameren Schlaf versprechen, schon seit Jahrzehnten. Ihr Prinzip ist schnell erklärt. 10 bis 15 Prozent des eigenen Körpergewichts sollen die Decken ausmachen, um sich im Schlaf umarmt zu fühlen. Handelsübliche Decken sind daher häufig zwischen sieben und elf Kilogramm schwer. Das Gewicht wird bei den gängigen Produkten damit erreicht, dass in speziellen Stoffkammern kleine, geschliffene Glasperlen oder auch Plastikkügelchen gefüllt sind. Bei Bearaby jedoch nicht.

Anders als den Wettbewerbern ist es dem Start-up gelungen, das Gewicht allein über das Zusammenbinden des Baumwollstoffs zu erreichen. Auf die spezielle Konstruktion des Garns hält Bearaby heute 14 Patente. Auf die Idee kam hingegen die Mutter von Kathrin Hamm, die am heimischen Küchentisch auch das erste Muster von Hand strickte. Ein paar Monate später sammelte die Deutsche über eine Crowdfunding-Kampagne eine Viertelmillion Dollar ein – 80 Prozent des Geldes kam aus den USA, wo auch heute der Firmensitz von Bearaby ist.

Schlafen: Im Oktober wagte das US-Unternehmen den Sprung nach Deutschland

Mittlerweile ist das Geschäft mit den Gewichtsdecken zum Multimillionen-Business geworden. Bereits 2020 lag der Bearaby-Umsatz bei rund 22 Millionen Dollar im Jahr. Aktuelle Zahlen gibt die Firma nicht mehr heraus, aber es dürfte ein Vielfaches sein, auch, weil die Produktpalette seitdem gewachsen ist. Neben den Gewichtsdecken bietet die Firma mittlerweile Schlafmasken, Nackenwärmer oder Wärmflaschen an. Gestartet als reines Online-Unternehmen sind viele Bearaby-Produkte mittlerweile auch stationär erhältlich – in mehr als 600 Geschäften in den USA. Den Sprung mit Bearaby nach Deutschland wagte Hamm erst in diesem Oktober. Für einen Preis ab 229 Euro sind die Decken hierzulande zu haben.

Die Gründerin litt selbst zeitweise an Schlafstörungen. Hamm, 42 Jahre alt, führt das heute auf das viele Reisen während ihres Jobs bei der Weltbank zurück. Noch vor einigen Jahren kümmerte sich die Deutsche um die Vergabe von Krediten an Kleinstunternehmer in Bangladesch, als sie abends nicht mehr zur Ruhe fand. „Tagsüber half dann auch Kaffee nicht mehr. Konzentrationsschwierigkeiten nahmen zu“, erinnert sie sich. Hamm fing an, über guten Schlaf und das Ein- sowie Durchschlafen zu recherchieren und stieß dabei auch auf Gewichtsdecken. „Damit schlief ich zwar tief, aber wachte trotzdem wieder auf, weil ich so geschwitzt habe“, erzählt sie. Schwer, aber wenig atmungsaktiv, so seien viele Gewichtsdecken gewesen, sagt die Unternehmerin.

Schlafen: Die Gründerin hat selbst einen Tipp für erholsamen Schlaf

Dann nimmt Hamm die Sache selbst in die Hand und pausiert ihren Job bei der Weltbank. Mit ihrem geplünderten Pensionsfonds in Höhe von 120.000 Dollar und dem Erlös aus der Crowdfunding-Kampagne beginnt sie mit dem Aufbau des Unternehmens. Zunächst wird mit fünf Näherinnen und zwei Spezialmaschinen in China produziert, heute arbeiten in Indien 200 Näherinnen mit 150 Maschinen. Mit Blick auf eigene, faire Lieferketten habe man näher an die Lieferanten rücken wollen, sagt Kathrin Hamm. Die Bio-Baumwolle für die Decken stammt von indischen Plantagen und aus Sri Lanka.

Schlafen ist für die Deutschen ein sensibles Thema, denn viele Bundesbürger haben durchaus Probleme mit dem Ein- oder Durchschlafen.
Schlafen ist für die Deutschen ein sensibles Thema, denn viele Bundesbürger haben durchaus Probleme mit dem Ein- oder Durchschlafen. © dpa | Christoph Soeder

Hamm selbst setzt heute für guten Schlaf neben ihrer Gewichtsdecke auch auf die abendliche Einnahme von Magnesium, was muskelentspannend wirken soll. Forscher empfehlen grundsätzlich zwischen sieben und acht Stunden Schlaf, um sich ausreichend erholt zu fühlen. In Deutschland schafft das Umfragen zufolge jedoch nur die Hälfte der Menschen. 43 Prozent berichteten in einer Befragung zuletzt hingegen sogar davon, in den vergangenen zwölf Monaten unter Schlafstörungen gelitten zu haben. Darunter fallen zum Beispiel Probleme beim Einschlafen und Durchschlafen oder auch generelle Schlaflosigkeit.

Schlafen: Experte sagt, welche Strategien helfen, um gut einschlafen zu können

Der renommierte Schlafforscher Hans-Günter Weeß, der sich seit mehr als 25 Jahren klinisch und wissenschaftlich mit dem Schlaf und seinen Störungen beschäftigt, ist der Auffassung, dass Gewichtsdecken helfen können, aber nicht müssen. Im Einzelfall könnten Gewichtsdecken schlafförderlich sein, wenn sich eine Person durch das Hilfsmittel geborgen fühle.

Weeß hat auch andere Strategien, wenn es um guten Schlaf geht. „Hilfreich ist, wenn wir abends die kleinen und großen Probleme des Lebens vor der Schlafzimmertür lassen“, sagt Weeß. Menschen, die Probleme mit dem Einschlafen hätten, empfiehlt er ein Ritual, bei dem man sich zurückzieht und den belastenden Gedanken Raum gibt – anstatt sie gänzlich mit ins Bett zu nehmen. Hilfreich sei zudem, die Beleuchtung herunterzudimmen und ab zwei Stunden vor dem geplanten Schlafengehen auf Sport und schwere Mahlzeiten zu verzichten. Darüber hinaus gilt laut Weeß, sich keinen Druck zu machen.

„Wer schlafen will, bleibt wach“, sagt der Wissenschaftler. Generell gelte es auch, das Schlafen zu „entkatastrophisieren“. Auch wer mal nicht acht Stunden geschlafen habe oder mal nachts etwas wach liege, sei meist in der Lage, seine Aufgaben zu erledigen.