Rom. Gegen Österreichs Milliardär und Signa-Gründer Benko liegt in Italien ein Haftbefehl vor. Warum eine Auslieferung aber unwahrscheinlich ist.
Ermittlungen gegen René Benko, den österreichischen Milliardär und Gründer der insolventen Signa-Gruppe, sorgen für ein Erdbeben in der norditalienischen Wirtschaft und Politik. Der Tiroler Unternehmer wird verdächtigt, in Trentino-Südtirol eine mafiaartige Organisation aufgebaut zu haben, die sich mit Immobilienspekulationen bereichert haben soll. Daher wurde gegen ihn ein europäischer Haftbefehl erlassen. In vier europäischen Ländern – Italien, Deutschland, Österreich und Liechtenstein - wird inzwischen gegen den Großunternehmer ermittelt.
Am Gardasee und in Bozen sollen Benko, sein Südtiroler Steuerberater Heinz Peter Hager und der Trentiner Unternehmer Paolo Signoretti Immobiliengeschäfte abgewickelt haben, indem sie sich Lokalpolitiker und Beamte gefügig machten. Hauptvorwurf ist die Bildung einer kriminellen Vereinigung, erschwert von „mafiösen Methoden“, wie die Trentiner Ermittler schreiben. Die Vorwürfe betreffen jedoch auch Manipulation von Ausschreibungen, Korruption und Betrug „in Zusammenhang mit der Ausstellung von Rechnungen für nicht tatsächlich durchgeführte Geschäfte“.
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Die Ermittlungen in der reichen Region Trentino Südtirol drehen sich um mehrere Immobilienprojekte und den Flughafen Bozen. Im Visier sind 77 Bürgermeister, Beamte, Politiker und Unternehmer. Acht Personen wurden unter Hausarrest gestellt. Vor allem am Gardasee und in Bozen sollen Benko und Co. Immobilienspekulationen mit illegalen Methoden betrieben haben. Beim Flughafen Bozen soll es nach der Privatisierung beim Erweitern der Landebahn zu Malversationen gekommen sein. Es gab Abmachungen, um Prüfpersonal der Zivilluftfahrtbehörde hinsichtlich des Grundwasserspiegels in die Irre zu führen. Zudem hatte 2019 ein Südtiroler Unternehmer, gegen den Ermittlungen laufen, gemeinsam mit René Benko und einem weiteren Teilhaber den Flughafen in einem Konsortium gekauft.
Auch in Österreich laufen Untersuchungen gegen Benko
In Bozen geht es auch um das Gries Village, ein Immobilienprojekt von Benkos Statthalter mit zehn Wohngebäuden und mehr als 100 Wohnungen. Im Visier der Ermittler ist auch das Tauziehen um den Kauf des letzten offenen Zugangs zum Gardasee, vor Ort bekannt als Ex-Cattoi-Gelände in Riva del Garda, und ein ehemaliges Hotel im Tal dahinter.
Die Vollstreckung des Haftbefehls und damit die Auslieferung Benkos nach Italien erscheint trotz der schweren Vorwürfen unwahrscheinlich. Der Unternehmer könnte jedoch festgenommen werden, sollte er in ein anderes EU-Land reisen oder nach Italien zurückkehren, wo er eine Villa am Gardasee besitzt. Benko hält sich häufig in seiner Residenz, der Villa Ansaldi in Sirmione, auf.
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Sollten die von der Staatsanwaltschaft in Trient gegen den 47-Jährigen erhobenen Vorwürfe auch in Österreich als Straftat gelten, könnten die Justizbehörden seines Heimatlandes direkt tätig werden. Dies gilt laut Hansjörg Mayer, Staatsanwalt in Innsbruck, etwa für Delikte wie Betrug und Korruption, wie er der „Tiroler Tageszeitung“ erklärte. Benko wird derzeit auch in Österreich im Zusammenhang mit der Signa-Pleite untersucht, doch bislang wurde kein Haftbefehl gegen ihn erlassen. Es sei unwahrscheinlich, dass dies nun aufgrund von in Italien begangenen Taten geschehe, erklärte der Strafrechtsprofessor Klaus Schwaigkofler gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“. „Herr Benko wird weiterhin – wie bisher – mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren und ist zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen“, schrieb Benkos Anwalt Norbert Wess.
Architekt Lucchin: „Niemand konnte sagen, woher das Geld Benkos kam“
Seit Jahren kursieren Gerüche, laut denen bei Immobiliengeschäfte am Gardasee kriminelle Organisationen mitmischen. Die Bürgermeisterin der bekannten Urlaubsortschaft Riva del Garda, Cristina Santi, hat Einspruch gegen den Hausarrest, der gegen sie mit weiteren sieben Personen verhängt wurde, eingelegt und verweigert ihren Rücktritt. Die zur rechten Regierungspartei Lega gehörende Santi soll am Freitag von den Ermittlern befragt werden, erklärte ihr Rechtsanwalt Nicola Zilio laut Medienangaben. Santi wird verdächtigt, mehrere intransparente Bauprojekte gefördert zu haben.
Der Bozner Architekt Claudio Lucchin, „Vater“ des Bozner „Noi Techparks“, kritisiert im Interview mit der Tageszeitung „Corriere del Trentino“ (Donnerstagsausgabe), dass „Bozen in die Hände von skrupellosen Unternehmern“ geraten sei. „Die politische Klasse hat die Stadt dem Privatsektor überlassen, der das getan hat, was er wollte. Der Konkurs von Benko war eine bereits geschriebene Geschichte. Ein Unternehmer, der mit 35 Jahren zum Milliardär wird und in Wien Häuser baut, ist nicht glaubwürdig: Man weiß, wo er landet. Das habe ich schon vor 11 Jahren gesagt. Zuerst wurde ich verspottet, dann bekam ich Drohbriefe. Das waren richtige Gauner. Ich hatte Angst“, betonte der 65-jährige Architekt.
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„Niemand konnte sagen, woher das Geld Benkos kam: Es gab Gerüchte, Gerüchte über versteckte Finanzgruppen, über die russische und israelische Mafia. Wenn ich ein öffentlicher Verwalter wäre, würde ich mein Land niemals an jemanden verkaufen, der nicht transparent ist, selbst wenn er erhebliche Mittel einbringt. (...) Wir müssten diese Unternehmer genau unter die Lupe nehmen, bevor wir ihnen die Schlüssel zur Stadt geben“, sagte Lucchin.
Benkos Steuerberater Hager sei stets der Drahtzieher aller Operationen gewesen. „Alle großen Deals der deutschen Wirtschaft in Südtirol, die schwierigsten Immobilientransaktionen, wurden über den Buchhalter Hager abgewickelt und alle waren damit einverstanden“, so der Architekt.