Washington. Die Karibik oder doch lieber Europa? Einige wohlhabende Amerikaner wollen vor der Amtsübernahme durch Donald Trump in Deckung gehen.
Der Trend zählt zu den skurrilsten Auswüchsen der US-Präsidentschaftswahl: Donald Trumps Sieg am 5. November hat in den vergangenen drei Wochen eine steigende Zahl von Amerikanern in die Flucht geschlagen. Insbesondere nach Europa. Wohlhabende US-Bürger reißen sich um sogenannte Goldene Visa. Diese ermöglichen amerikanischen Staatsbürgern, über Investitionen Aufenthaltsberechtigungen und in vielen Fällen sogar Reisepässe aus europäischen und karibischen Ländern zu erhalten. Zu ringen haben sie allerdings mit verschärften Einwanderungsregeln, die mehrere EU-Länder eingeführt haben.
Harry M. (61), ein Textilunternehmer aus Virginia mit Ferienhäusern in Florida und Neuengland, hatte lange vorausgeplant. Der überzeugte Demokrat, der sich als „glühenden Sozialliberalen“ versteht, hatte bereits im Vorfeld der Präsidentschaftswahl vor 20 Jahren einen klaren Standpunkt vertreten. „Wer nach dem desaströsen Irakkrieg seine Stimme ein zweites Mal George W. Bush schenkt, dem sollte das Wahlrecht aberkannt werden.“ Mit resigniertem Kopfschütteln räumt er nun ein, dass sich Bush gegen den aktuellen Stand der Dinge sogar relativ harmlos ausnimmt. „Wenn Trump wieder an die Macht kommt, dann haben wir in den USA bald eine Autokratie, und das will ich nicht mehr miterleben.“ Harry will mit seiner Frau deswegen nach Portugal ziehen. „Da gibt es kein Wenn und Aber, das machen wir“, hatte er unserer Redaktion schon im September gesagt. Zusammen ist das Ehepaar schon ein paarmal auf die Iberische Halbinsel geflogen, um Häuser an der Algarve auszukundschaften.
Das Preisschild von mindestens 500.000 Euro schreckt den Multimillionär keineswegs ab. Genauso wenig wie die Tatsache, dass der Erwerb einer Immobilie in Portugal mittlerweile nicht mehr ausreicht, um dort längere Zeit oder gar permanent leben zu dürfen. Für den Erhalt einer Aufenthaltsberechtigung muss eine Investition entweder in Arbeitsplatzbeschaffung oder eine Neugründung fließen. „Ich habe in meinen Firmen schon immer Jobs geschaffen, dann mache ich das halt künftig in Portugal und nicht in Trumps Amerika.“
US-Bürger suchen das Weite: Agentur unterstützt
Harry steht keineswegs allein da. So meldete die Firma „La Vida Golden Visas“, die Antragstellern bei der Beschaffung der notwendigen Dokumente unterstützt, dass ihre Webseite am Tag nach der Wahl über 20-mal so viele Besucher hatte wie zuvor. Experten meinen, dass schwer quantifizierbar sei, wie viele Antragsteller permanent übersiedeln wollen. „Viele US-Bürger wollen einfach die Flexibilität und die Wahl haben, jederzeit gehen zu können“, sagt Dominik Volek, Head of Private Clients bei der Anwaltskanzlei Henley and Partners, die sich auf die Vermittlung von Aufenthaltsberechtigungen spezialisiert hat.
Unterdessen müssen gut betuchte Kandidaten wegen des Ansturms aus den USA nicht nur in Portugal neue Hürden überwinden. Griechenland, ebenfalls ein beliebtes Ziel, hat die Mindestinvestition in Immobilien in ländlichen Gegenden von 250.000 auf 400.000 Euro angehoben. In Großstädten gilt ein Minimum von 800.000 Euro. Kurzfristig vermieten, etwa über Buchungsplattformen wie Airbnb, dürfen sie ihre Häuser und Wohnungen aber nicht.
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Auch haben die Einwanderungsbehörden in Österreich und Malta, die sich bei den Superreichen großer Beliebtheit erfreuen, die Latte höher gelegt. Offiziellen Statistiken zufolge bevorzugen US-Bürger mit einem Vermögen von über 50 Millionen Dollar Luxuswohnungen in Valletta und Einfamilienhäuser in Tirol oder der Steiermark. Niedrig ist der „Eintrittspreis“ aber nicht gerade. So verlangt die maltesische Regierung eine einmalige Zahlung von 600.000 Euro sowie Investitionen in Immobilien. Dazu noch eine Spende in Höhe von 10.000 Euro an eine karitative Organisation. In Österreich müsste ein amerikanischer Einwanderer mehr als 3,5 Millionen Euro in die Wirtschaft investieren, beispielsweise in ein heimisches Unternehmen, um Aussichten auf den Pass zu haben.
Superreiche in den USA: Bei Harry ist die Entscheidung gefallen
Attraktiv ist für Millionäre auch die Karibik, wo eine Wahlheimat vom US-Festland aus schneller zu erreichen ist. Diese umwerben seit Jahren wohlhabende Amerikaner mit Steuervergünstigungen und Möglichkeiten zur Auswanderung. Hinzu kommt, dass sich einige als „Tor zu europäischen Staatsbürgerschaft“ verkaufen. Das wiederum hat Irritationen in Europa ausgelöst, wo Regierungen Antigua und Barbuda sowie die Inseln St. Kitts and Nevis unter Druck setzen, ihre Einwanderungsbestimmungen zu verschärfen. Damit wollen sie der Karibik als „Hintertür zu Europa“ einen Riegel vorschieben.
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Bei Harry und seiner Frau hingegen ist die Entscheidung gefallen. Geliebäugelt hatten sie auch mit einem Umzug nach Griechenland oder Spanien. „Es bleibt aber bei Portugal“, sagt er. Nicht zuletzt deswegen, weil es dort möglich ist, nach fünf Jahren eingebürgert zu werden und einen EU-Pass zu bekommen. In den meisten anderen Staaten, die in Betracht kamen, müssen Antragsteller hingegen zehn Jahre warten. Die relativ schnelle Einbürgerung ist dem Unternehmer wichtig, sollte der neu gewählte Präsident sich nach vier Jahren im Amt weigern, das Weiße Haus zu verlassen. Harry schließt nämlich keineswegs aus, dass Trump versuchen wird, den 22. Verfassungszusatz zu umgehen, der eine dritte Amtsperiode grundsätzlich verbietet. „So zauberhaft schön die Algarve ist, das Beste an Portugal ist, dass wir noch relativ nah an der alten Heimat dran sind, aber weit genug weg von Trump, um unseren Seelenfrieden zu haben.“