Hamburg. Hamburg–Berlin–Hamburg kann im selben Zug 140 Euro kosten oder nur 75 Euro. Wie kann das sein? Das sagt die Deutsche Bahn dazu.
Das Deutschlandticket sorgt dafür, dass mehr Hamburger als zuvor die Bahn nutzen – und sofern sie dafür das Auto stehen lassen, ist das schon aus Klimaschutzgründen begrüßenswert. Doch kann man dabei Erfahrungen machen, die den einen oder anderen auf den Gedanken bringen könnten, die Deutsche Bahn versuche mit voller Absicht, ihre Gäste zu verwirren.
Ein Beispiel: Wer den Hauptbahnhof in Hannover betritt, um von dort mit dem Regionalexpress nach Hamburg zu fahren, sieht zur erwarteten Abfahrtzeit auf der Anzeigetafel als Zugziel Uelzen angegeben, obwohl der Zug dort nur hält und nach Hamburg durchfährt. Ähnliches kann man auf den Strecken zwischen Hamburg und Kiel beziehungsweise Flensburg erleben – da wird dann schon einmal als Ziel Elmshorn angezeigt, auch wenn das nur ein Zwischenhalt ist.
Deutsche Bahn: Fahrkarten per App oder Homepage – riesiger Preisunterschied
Während im Regionalverkehr mit dem Deutschlandticket in der Regel zumindest im Hinblick auf den Preis Klarheit herrschen sollte, kann das Preissystem der Bahn bei der Buchung von ICE-Fahrkarten für größte Verwunderung sorgen. Das musste der Hamburger Lukas Kowalski *) vor wenigen Tagen bei der Suche nach einer Verbindung von Hamburg nach Berlin und zurück erfahren. Zur gewünschten Abfahrtszeit vom Bahnhof Dammtor fand er in der DB-Navigator-App auf seinem iPad einen Preis von 73,80 Euro (mit Bahncard 25), die Rückfahrt sollte 65,80 Euro kosten.
Zwei Minuten später suchte er – auf demselben iPad – mit den gleichen Kriterien noch einmal auf den Internetseiten der Bahn (www.bahn.de), ohne sich in seinem Account anzumelden, also gewissermaßen anonym. Nun sollte die Hinfahrt erstaunlicherweise nur 41,90 Euro kosten, die Rückfahrt 32,90 Euro, was zusammen einen um 46 Prozent niedrigeren Preis als in der App ergibt. Natürlich buchte Kowalski auf diesem Weg. Was ihn aber aufregt: „Das hieße – und die Suchanfrage in der App, in der ich ja definitiv angemeldet bin, legt das nahe –, dass die Bahn ihre besten, treuesten Abo-Kunden bei den Angeboten hintergeht, was die günstigsten Preise betrifft.“
Deutsche Bahn „ist völlig intransparent, was ihre Sparpreise angeht“
Erwartungsgemäß weist das staatliche Unternehmen diese Interpretation weit von sich. Die Preise seien „nicht abhängig davon, ob ein Kunde während der Abfrage oder Buchung in seinem Account eingeloggt ist oder nicht“, sagt eine Bahn-Sprecherin. Eine Erklärung, warum das Unternehmen bei einer Buchungsanfrage auf zwei unterschiedlichen Wegen so stark voneinander abweichende Preise nennt, nannte die Sprecherin auf Anfrage nicht. Sie warf lediglich die Frage auf, ob womöglich bei der teureren Variante fälschlich zwei Reisende angegeben wurden. Das war nicht der Fall.
Doch stößt man in Online-Foren auf Erfahrungsberichte von Bahn-Nutzern, die das gleiche Phänomen schildern wie Kowalski – ebenfalls mit Preisabweichungen von fast 50 Prozent. Jörg Bruchertseifer vom Fahrgastverband Pro Bahn hat eine Vermutung, woran das liegen könnte. Im vergangenen Jahr habe die Deutsche Bahn damit begonnen, ihren digitalen Vertrieb auf ein komplett neues System umzustellen, so der Tarifexperte. Im bisherigen Modell, das parallel zu dem neuen weiter aktiv ist, seien aber weiter Abweichungen möglich, weil unterschiedliche Sparpreis-Kontingente für den Vertrieb über mobile Endgeräte – also über die App – beziehungsweise für den Vertrieb über die Internetseite zur Verfügung stehen könnten.
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„Die Deutsche Bahn ist völlig intransparent, was ihre Sparpreise angeht“, sagt Bruchertseifer. Auf der neuen einheitlichen Vertriebsplattform, die unter dem Projektnamen „Vendo“ eingeführt wird, soll es diese Differenzen nicht mehr geben. Fahrgäste können schon seit Herbst 2022 die neue App „Next DB Navigator“ herunterladen und nutzen, auch die neue Internetseite ist unter „next.bahn.de“ bereits aufrufbar.
Warum manchmal ein Zwischenhalt als Zugziel angezeigt wird
Deutliche Preisunterschiede fand auch der IT-Nachrichtendienst „Heise Online“, der im vorigen Jahr die „Next“-Ausführung testete – in diesem Fall war allerdings ein über die bisherige Internetseite gebuchtes Ticket um knapp 36 Prozent teurer. Spätestens im nächsten Jahr sollte mit den Preisdifferenzen aber Schluss sein, denn bis gegen Jahresende 2023 müssen Bahn-Kunden ihre App aktualisiert haben – sie nutzen dann die neue Version. Sie soll nach Angaben des Unternehmens etliche Vorteile bieten, unter anderem Echtzeitinformationen aktueller Züge.
Was aber sagt die Bahn zu den eingangs erwähnten Anzeigetafel-Irrungen? „Die Informationen zu den Anzeigen und in Ansagen liefern die jeweiligen Eisenbahnunternehmen“ – also zum Beispiel die Firma Metronom oder die DB Regio Nord, wie die Bahn-Sprecherin erklärt. Wenn nicht das tatsächliche Fahrtziel prominent auf der Anzeigetafel angegeben werde, könne es daran liegen, dass es sich um eine sogenannte „Durchbindung“ handelt. So nennt man es im Bahn-Jargon, wenn ein Zug auf einem der Zwischenhalte eine andere oder eine zweite Zugnummer erhält. Das eigentliche Fahrtende erscheint dann auf den Anzeigetafeln manchmal nur im „Kleingedruckten“, wenn überhaupt.
Deutsche Bahn: Fahrradmitnahme beim Deutschlandticket in Hamburg gratis, im Umland nicht
„Wir sind regelmäßig im Gespräch mit dem Unternehmen Metronom, um uns auch solche Fälle anzusehen“, so die Bahn-Sprecherin. Ihr Tipp: „Wir empfehlen Reisenden, sich über ihre Verbindung über bahn.de oder die DB App Navigator zu informieren.“ Bruchertseifer hat dazu eine klare Meinung: „Das ist nicht fahrgastfreundlich. Aus unserer Sicht müssen die auf den Bahnhöfen angezeigten Informationen eindeutig sein.“
Auf einem Ausflug mit dem Regionalexpress nach Schleswig-Holstein ist Lukas Kowalski dann noch auf eine weitere Ungereimtheit gestoßen, diesmal trotz Nutzung des Deutschlandtickets mit unangenehmen finanziellen Konsequenzen: Auf der Rückfahrt musste er 60 Euro nachzahlen, weil er für die Mitnahme des Fahrrads kein Zusatzticket für 5 Euro gelöst hatte – er ist schließlich daran gewöhnt, dass dies in Hamburg nicht erforderlich ist.
Auch hierzu der Kommentar der Bahn: „Die Fahrradmitnahme ist in den Verkehrsverbünden unterschiedlich geregelt. In manchen Verbünden können Fahrräder kostenlos mitgenommen werden, in anderen Verbünden müssen Reisende mit Fahrrad eine Fahrradkarte kaufen“ – alles klar?
*) Name geändert