Hamburg. Das Abendblatt hat die beiden führenden Onlineshops in Deutschland verglichen. So schneiden sie bei Preis, Service und Fairness ab.
Auf den ersten Blick scheint die Entscheidung einfach: Wer online einkaufen will, findet bei Amazon die größte Auswahl. Der Internetriese aus den USA ist auch in Deutschland der größte Online-Shop. Die Nummer 2 in den Umsatz-Rankings ist – mit großem Abstand – Otto.
Der Hamburger Versandhändler, vielen noch bekannt durch den Otto-Katalog, hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt und bietet ähnlich wie Pionier Amazon auf otto.de neben eigenen Produkten auch die Sortimente von anderen Händlern an. Insgesamt knapp 15 Millionen Artikel. Das Abendblatt hat die beiden E-Commerce-Firmen in einer Stichprobe verglichen: Otto gegen Amazon: Wer macht es besser?
Otto und Amazon im Test: Wer hat die besseren Preise?
Das wohl wichtigste Kriterium bei der Bestellung eines Produktes: der Preisvergleich. Für den Abendblatt-Test wurden acht Artikel aus verschiedenen Warengruppen ausgewählt – von der Edelstahl-Bratpfanne über angesagte Sneaker bis zum Smartphone-Modell. Das Ergebnis nach dem Preisvergleich (Stichtag: 4. Juli): In den meisten Fällen findet sich bei Amazon das günstigere Angebot – mit Unterschieden von wenigen Cent bis zu knapp 40 Euro. Für Sparfüchse gibt es zudem die Möglichkeit über die Angebotsseite Rabatte schnell zu finden.
Beispiel: eine Bratpfanne der Marke Fissler. Das Modell der Profi-Collection mit einem Durchmesser von 28 Zentimetern wird bei Amazon über einen Marktplatzhändler ab 169 Euro angeboten. Bei Otto kostet dasselbe Produkt 169,50 Euro. Der Preis des Trainings-Fußballs Tiro Competition (Größe 5) von adidas liegt bei Amazon mit 39,42 Euro deutlich unter dem Otto-Angebot von 49,99 Euro.
Beim Kauf eines iPhone 13 Mini (schwarz, 256 GB) gibt es in beiden Onlineshops Preisnachlässe. Amazon kommt mit einem Rabatt von 13 Prozent auf einen Preis von 800 Euro. Otto liegt bei 839,99 Euro (minus neun Prozent). Allerdings war das Verhältnis einige Tage zuvor noch genau umgekehrt. Da hatte Otto mit 839,99 die Nase vor Amazon mit 874 Euro.
Interessant gestaltet sich die Suche nach einem der angesagten Retro-Sneaker der Saison: das Modell Samba von Adidas. Auf beiden Marktplätzen gibt es diverse Varianten. Beim Preis-Leistungs-Verhältnis schneidet dieses Mal Otto besser ab: Das klassische Modell Samba Performance aus Leder gibt es nur bei den Hamburgern. In Glattleder, schwarz mit weißen Streifen in Größe 45 ist es für 84,99 Euro auf der Otto-Seite. Bei Amazon sind vergleichbare Samba-Sneaker aus Leder erst ab 119,95 Euro bestellbar.
Amazon und Otto im Test: Wo finde ich Produkte schneller?
Das ist natürlich immer auch Gewohnheit und Geschmackssache, aber bei Otto sind Produkte mit Herstellerangabe und Artikelname meist direkt auffindbar. In der Regel gibt es pro Produkt nur einen Preis. Zum Beispiel: eine Schutzhülle für einen Weber-Gasgrill (Serie Summit 600), die bei Otto über einen Marktplatzhändler für 182,99 Euro angeboten wird. Bei Amazon gibt es denselben Artikel von mehreren Anbietern und unter verschiedenen Namen mit jeweils anderen Preisen im Shop. Der Vergleich ist nur anhand der Produktspezifikationen möglich.
Amazon oder Otto: Welche Lieferbedingungen sind bequemer?
Beide Onlinehändler liefern nach Hause oder zu einem selbst gewählten Ablageort, auch zu Paketshops oder Abholstationen. Die Lieferzeit wird bei der Bestellung angegeben und liegt in der Regel bei einem bis vier Tagen. Vorteil Amazon: Für ausgewählte Produkte und ab einem Bestellwert von 20 Euro gibt es in Hamburg einen Same-Day-Service, der für Prime-Kunden (Jahresbeitrag: 89,90 Euro) gratis ist. Darin enthalten ist auch die kostenfreie Lieferung ohne Mindestbestellwert. Das Vorteilsprogramm bei der deutschen Konkurrenz heißt Otto Up Plus und bietet für 9,90 Euro im Jahr unter anderem eine kostenlose Liefer-Flatrate. Identisch bei beiden: 30 Tage Rückgaberecht mit kostenloser Rücksendung, ausgenommen sind bestimmte Waren wie Großgeräte, teure Uhren, speziell angefertigte Artikel oder Lebensmittel.
Otto oder Amazon: Wo ist der Kundenservice beim Einkauf besser?
Alexa (Amazon) oder Clara (Otto) – beide Online-Shops sind zusätzlich zum telefonischen Kundendienst rund um die Uhr über sogenannte Chat-Bots erreichbar, die auf künstlicher Intelligenz beruhen. Otto.de bietet zudem diverse Serviceangebote, unter anderem Produktratgeber zu Haushalt, Mulitmedia, Sport oder Mode- und Konfektionsgrößen teilweise auch mit umfangreichen Hintergrundinformationen.
Otto oder Amazon: Was tun sie für die Nachhaltigkeit?
Das große Ziel, CO2-neutral zu werden, haben sowohl Otto (2030) als auch Amazon (2040) ausgegeben. Dabei ist das Transportnetz eine der wichtigsten Stellschrauben. Amazon hat nach eigenen Angaben aktuell 1000 E-Fahrzeuge in Deutschland auf der Straße. Gerade hat das Unternehmen den Einsatz von 300 neuen Transportern der Firma Rivian angekündigt, die in den nächsten Wochen im Raum München, Berlin und Düsseldorf eingesetzt werden sollen.
Auch Otto setzt auf emissionsfreie Lieferung. In Hamburg will der Paketlieferdienst Hermes, der ebenfalls zur Otto Group gehört, die Paketzustellung komplett auf E-Mobilität umstellen. 240 Elektrotransporter sollen bis Ende des Jahres im Stadtgebiet im Einsatz sein – und auch die Otto-Bestellungen ausliefern. Fakt ist allerdings: Im Moment kann man sich bei keinem der beiden Händler darauf verlassen, dass ohne Emissionen geliefert wird.
Otto kennzeichnet zertifizierte Produkte mit einem grünen Kreislaufsymbol. Allerdings sind die Zahlen noch sehr überschaubar. Das Unternehmen gibt an, dass aktuell gut 600.000 Produkte ausgewiesen nachhaltig sind, von insgesamt 15 Millionen. Bei Amazon gibt es die Möglichkeit, nachhaltigere Produkte mit anerkannten Zertifizierungen über das Programm Climate Pledge Friendly zu finden. Zahlen, wie viele Artikel so kennzeichnet sind, wurden nicht mitgeteilt. Beim Internetriesen lassen sich zudem gebrauchte Artikel über den Shop kaufen. Bei Otto kann getragene Kleidung dagegen nicht gekauft, aber gespendet werden.
Bei der Verpackung geht der Hamburger Onlinehändler neue Wege, arbeitet etwa mit der Organisation Wildplastic zusammen, die Plastikmüll sammelt und recycelt. Auch bei Versandverpackungen sucht Otto umweltfreundliche Lösungen, unter anderem über eine Lösung mit Graspapier und dem Hamburger Technologie-Start-up Traceless, das Kunststoffersatz aus Getreideresten entwickelt. Allerdings: Bislang ist das Projekt nicht aus einer ersten Testphase heraus. Amazon verzichtet inzwischen bei bereits verpackten Artikeln immer häufiger auf eine Transportverpackung.
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Otto oder Amazon: Was passiert mit Retouren?
Amazon wird vorgeworfen, zurückgesandte Artikel in einwandfreiem Zustand zu entsorgen statt weiterzuverkaufen. Das Unternehmen bestreitet das. „Unsere Priorität ist es, nicht verkaufte oder zurückgeschickte Produkte als Neu- oder Gebrauchtware weiterzuverkaufen, sie zu spenden oder zu recyceln – und zwar in dieser Reihenfolge. Tatsächlich liegt der Prozentsatz der von uns verkauften Produkte, die entsorgt werden müssen, bereits im Promillebereich. Dies beinhaltet Recycling“, teilt das Unternehmen mit. Otto erklärt, dass 95 Prozent der Retouren direkt zurück in den Verkauf gehen, 4,5 Prozent müssten optisch aufgearbeitet werden. Nur 0,5 Prozent würden demnach über spezialisierte Zweithändler weitervertrieben.
Amazon oder Otto: Wie halten sie es mit der Fairness?
Auch in diesem Punkt steht Amazon unter Dauerbeschuss. Bekannt ist der Umstand, dass der Internetriese durch geschicktes Ausnutzen von Finanzregularien in Deutschland so gut wie keine Steuern zahlt. Das ist zwar legal, wirft aber Fragen auf. Auch Rivale Otto hatte diese Praxis in der Vergangenheit als unfairen Wettbewerb kritisiert. Der Hamburger Konzern ist hierzulande steuerpflichtig und überweist nach eigenen Angaben jährlich Steuern in dreistelliger Millionenhöhe an den Staat.
Auch bei den Arbeitsbedingungen punktet Otto. Im März war nach einer Recherche des Abendblatts und Correctiv.lokal bekannt geworden, dass die Beschäftigten im Amazon-Logistikzentrum im niedersächsischen Winsen (Luhe) im Landkreis Harburg sich psychischem Druck und permanenter Kontrolle ausgesetzt sehen. Schuld daran sind demnach unter anderem die Digitalisierung der Prozesse und Überwachungsmechanismen wie die Erfassung der Paketrate eines jeden Mitarbeiters. Amazon hatte dem in einer Stellungnahme widersprochen. Schon im Februar hatte das Verwaltungsgericht Hannover einer Klage von Amazon stattgegeben und den Einsatz von Handscanners erlaubt. Begründung: Das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten überwiegt nicht die unternehmerischen Interessen von Amazon.
Die Otto Group gilt als sozialer Arbeitgeber. Allerdings hatte der Handels- und Dienstleistungskonzern, zu dem auch Otto.de gehört, in den vergangenen Jahren auch Standorte geschlossen, darunter Hermes Fullfillment in Hamburg, und Hunderte Arbeitsplätze gestrichen.
Amazon oder Otto: So fällt das Fazit aus
Amazon hat deutlich mehr Produkte im Onlineshop und diese nicht selten auch zu günstigeren Preisen. Es ist wie in einem riesigen Kaufhaus mit vielen Etagen: Wenn man ganz genau weiß, was man will, eine gute Wahl. Auch bei den Lieferbedingungen hat der Branchenprimus mit dem Same-Day-Service in Hamburg die Nase vorn. Otto punktet mit schnellerer Auffindbarkeit, besserem Kundenservice sowie Investitionen in die Umweltverträglichkeit. Das gilt auch für das Warenangebot, das deutlich weniger China-Waren und Grau-Importe enthält. Kunden, denen diese Kriterien wichtig sind, sind bei den Hamburgern richtig.