Elmshorn/Hamburg. Während Galeria Karstadt Kaufhof Filialen schließt, investiert das Familienunternehmen Millionen. Die Gründe des Erfolgs.

An schlechte Nachrichten aus dem Einzelhandel hat man sich schon gewöhnt. Die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, der Schuhfilialist Görtz, der Damenmoden-Händler AppelrathCüpper, gerade kämpfen nicht nur kleine Läden, sondern einige der ganz großen Handelsketten mit massiven wirtschaftlichen Problemen und schließen Standorte auch in Hamburg. Da ist es schon überraschend, wenn sich einer hinstellt und sagt: „Bei uns laufen die Geschäfte gut.“

Der, der das sagt, heißt Marc Ramelow und ist Chef von Ramelow in Elmshorn. Wer schon mal durch die Einkaufsstraße der 53.000-Einwohner-Stadt nördlich von Hamburg gegangen ist, kennt den Namen. Das ist nicht nur ein Laden, sondern ein Kaufhaus mit großem Angebot auf mehreren Etagen, mit Treppen und Fahrstuhl. Das erste Haus am Platz.

In der Kaufhaus-Krise: nicht nur einkaufen, sondern wohlfühlen

Im vergangenen Herbst hat der 60-Jährige einen modernen Neubau eröffnet und damit seine Ladenflächen nahezu verdoppelt. Mehr als acht Millionen Euro stecken in dem sogenannten Erlebnis-Kaufhaus. Da trotzt also einer ganz gewaltig der Krise. Offenbar mit Erfolg. „Es kommen mehr Kunden, und die kaufen auch mehr“, sagt Ramelow. Seit einigen Monaten liegen die Umsätze über dem Vor-Corona-Niveau. In der Branche hat das Seltenheitswert.

Offen, transparent mit viel Glas und Licht – bei Umbau und Erweiterung des 1928 eröffneten Traditionshauses an der Elmshorner Königsstraße haben Marc Ramelow und sein Team viel richtig gemacht. Immer wieder kommen an diesem heißen Juni-Tag Menschen durch die großen Eingangstüren und steuern zielstrebig Kleiderständer und Regale mit der aktuellen Sommerkollektion an. Hingucker in der Mitte des Neubaus ist eine geschwungene Freitreppe, die ins Obergeschoss führt und unter der Ramelow bequeme Sofas auf ein Beet mit Grünpflanzen gestellt hat. „Es geht nicht nur um Shopping, sondern ums Wohlfühlen“, sagt der Unternehmer und beantwortet damit die Frage, was seiner Meinung nach Menschen heute noch dazu bringt, in ein Kaufhaus zu gehen.

Besonders stolz ist er auf seine Umkleidekabinen. Statt beengten Kammern ohne Komfort bieten sie bei Ramelow Platz auch für zwei, sind mit dickem Teppich ausgelegt und mit schweren Vorhängen zu einem Vorraum abgegrenzt. „Hier kann man auch mit Freundinnen bequem anprobieren“, sagt Marc Ramelow. Und gleich auch Instagram-Fotos machen. Wer will, kann seine exklusive Probierzeit vorher buchen. „Gerade hatten wir einen Herrn, der seiner Ehefrau für zwei Stunden eine unserer Kabinen geschenkt hat.“ Natürlich mit Shopping-Gutschein.

Kaufhaus-Chef Ramelow: Wir wissen, was die Elmshorner tragen

Insgesamt gibt es auf knapp 4000 Quadratmetern Mode für Damen, Herren und Kinder, dazu Sport- und eine Wäscheabteilung. Die meisten Artikel kann man auch anderswo kaufen. Aber hier ist alles perfekt dekoriert und zu einem Gesamtbild arrangiert. Nirgendwo liegt etwas herum oder hängt schief auf dem Bügel. „Wir glauben zu wissen, was die Elmshornerinnen und Elmshorner tragen, und kuratieren unsere Sortimente genau“, sagt Marc Ramelow, der sich beim Einkauf auf Torge Thede und sein Team verlässt. Immer wieder begrüßt der Kaufhaus-Chef Kunden im Vorbeigehen. Auch das gehört zum Erfolgskonzept des Kaufhauses, das gerade erst als „Shop of the Year“ vom Handelsverband Deutschland ausgezeichnet wurde.

Auch wenn sich die Geschäftszahlen im stationären Modehandel 2022 im Vergleich zum Corona-Jahr 2021 deutlich erhöht haben, lagen sie nach Hochrechnungen des BTE Handelsverbands Textil, Schuhe, Lederwaren mit 30 Milliarden Euro immer noch um 6,5 Prozent unter den Umsätzen von 2019. Viele Modehändler befinden sich in einer Dauerkrise. In der Pandemie brach das Geschäft massiv ein, jetzt sparen die Kunden wegen der Inflation. 2022 haben 102 Händler und Hersteller von Textilien ein Insolvenzverfahren beantragt, berichtet das Branchenmagazin „Textilwirtschaft“.

Handelsexperte Merkle: Kunden sind anspruchsvoller geworden

„Der Wettbewerb ist größer denn je“, sagt Wolfgang Merkle, Professor für Marketing und Management an der privaten University of Europe for Applied Science (UE) in Hamburg. Der traditionelle Modehandel sei nicht durch die großen Onlinehändler unter Druck, sondern auch durch Non-Food-Anbieter mit Textilsortimenten, Markengeschäften, Outlets oder Shopping über soziale Medien. „Das bedeute nicht das Aus für den stationären Handel, aber die Konzepte der Vergangenheit funktionieren nicht mehr“, so der Handelsexperte, der bei Otto, Zara, Galeria Kaufhof und Tchibo gearbeitet hat und heute eine eigene Beratungsfirma betreibt.

Professor Wolfgang Merkle ist Handelsexperte, hat zwei Jahrzehnte lang bei Otto, Zara, Tchibo und Galeria Kaufhof im Management gearbeitet, lehrt seit 2016 an der UE in Hamburg und ist Präsident des Marketingclubs Hamburg.
Professor Wolfgang Merkle ist Handelsexperte, hat zwei Jahrzehnte lang bei Otto, Zara, Tchibo und Galeria Kaufhof im Management gearbeitet, lehrt seit 2016 an der UE in Hamburg und ist Präsident des Marketingclubs Hamburg. © UE - University of Europe for Applied Sciences | Katharina Bodmann

Die Fehler der Vergangenheit sieht er darin, dass viele Unternehmen nur auf die Optimierung des eigenen Konzepts und die Kosteneffizienz geschaut hätten. Die Konsumenten wollten heute aber gezielt angesprochen und umworben werden. „Einzelhändler müssen mehr bieten als andere, sonst werden sie abgestraft“, sagt Merkle. Darin sieht er die große Chance für die mittelständischen Unternehmer, die zumeist in der Region verwurzelt sind – analog zur Entwicklung im Buchhandel, wo die Kunden vor einigen Jahren in die kleinen Buchläden zurückgekehrt und große Ketten wie Thalia und Hugendubel unter Druck geraten waren. „Kleine, wendige, familiengeführte Geschäfte, die mit Leidenschaft und Empathie betrieben werden, haben eher eine Zukunft als nur auf Effizienz getrimmte Handelsketten.“

Chef des Textil-Einkaufsverbunds Daniel Terberger optimistisch für die Zukunft

Auch der Chef des Textil-Einkaufsverbunds Katag, Daniel Terberger, ist optimistisch für die Zukunft. „Das Comeback vieler Mittelständler ist bemerkenswert und beeindruckend“, sagte er gerade in einem „Handelsblatt“-Interview. Der Strukturwandel bleibe zwar weiterhin problematisch, aber die Kundennähe der kleineren Häuser habe sich in der Krise als praktischer Marktvorteil erwiesen. Katag beliefert 350 Modehändler mit 1600 Geschäften in ganz Deutschland. Dass das funktioniert, sieht man auch in anderen norddeutschen Städten, etwa bei CJ Schmidt in Husum und ID Sievers in Schleswig oder mit erweitertem Sortiment bei H.B.Jensen in Westerland auf Sylt, Nessler in Ahrensburg und Dittmer in Hanstedt.

Über Zahlen redet der Elmshorner Kaufmann Marc Ramelow nicht gerne. Er führt das 1872 im mecklenburgischen Klütz gegründete Familienunternehmen in vierter Generation mit 280 Beschäftigten. Neben dem Firmensitz in Elmshorn gibt es Standorte in Buchholz, Uelzen, Heide und Stendal. 2022 erwirtschaftete er an den insgesamt fünf Standorten (Elmshorn, Buchholz, Uelzen, Heide und Stendal) 38 Millionen Euro Umsatz. „Auch in diesem Jahr liegen wir gut im Plan“, sagt er und hat dann doch noch eine Zahl. 18 mal im Jahr, hat eine Auswertung gerade ergeben, kaufen Stammkunden bei Ramelow ein. „Das ist signifikant mehr als bei der Konkurrenz.“ Dazu tragen auch Veranstaltungen wie Freundinnen-Abende und Late-Night-Shopping bei.

Dabei hat die Traditionsfirma selbstverständlich auch einen Onlineshop und kann zeitnah gesuchte Produkte bestellen. „Wir setzen auch künstliche Intelligenz ein“, sagt der studierte Betriebswirt, der unter anderem bei Peek & Cloppenburg Erfahrungen gesammelt hat. „Aber unser Fokus ist ein Kaufhaus für Menschen, nicht für Produkte.“ Es gehe beim stationären Geschäft immer auch um Interaktion, Treffen und Reden. Der Laden als innenstädtischer Begegnungsort.

Kaufhaus Krise: Begegnungsort auf der Dachterrasse mit Gastronomie und Yoga

Auch deshalb hat er über den Verkaufsetagen großzügige Büroflächen und eine große Dachterrasse gebaut, auf der ein Gastronomieangebot geplant ist und wo künftig Konzerte und andere Veranstaltungen stattfinden sollen. Aktuell gibt es dort ein Yoga-Angebot. „Der stationäre Handel hat eine Zukunft“, da ist sich der Unternehmer sicher. „Aber Durchschnitt reicht nicht. Wir müssen die klassischen Dinge gut machen und uns immer auch mit morgen und übermorgen beschäftigen.“