Hamburg. Das Geschäft „Mary Poppins“ leidet unter dem Abverkauf günstiger Kindermode im Pop-up-Store um die Ecke – „große Sorge“.
Wolle-Seide-Bodys in kleinsten Größen, robuste Jeans für wilde Kita-Kinder, festliche Kleidchen für Familienfeiern: Seit zwölf Jahren verkauft Nataša Cotic-Ralfs in ihrem Geschäft „Mary Poppins“ am Eppendorfer Weg in Hamburg-Hoheluft Kindermode. Wenn sie mal frische Luft auf der Bank vor ihrem Laden schnappt, vergeht kaum eine Minute, in der nicht jemand grüßt oder auf einen Plausch stehen bleibt.
Cotic-Ralfs schätzt die Nachbarschaft und das kollegiale Miteinander mit Händlern, die in Teilen ein ähnliches Sortiment anbieten – etwa das Spielwarengeschäft Dominos um die Ecke oder Kinderbekleidungs- und Schuhgeschäfte in der näheren Umgebung. „Wir ergänzen uns im Sortiment gegenseitig und schicken Kunden bei Bedarf auch untereinander hin und her. Probleme hat es nie gegeben“, sagt sie.
Eppendorfer Weg: Pop-up-Store ist größter Konkurrent
Das hat sich nun geändert. Grund dafür ist der Pop-up-Store etwa 600 Meter entfernt an der Bismarckstraße, der inzwischen für „Mary Poppins“ zum größten Konkurrenten geworden ist. „Es gab schon mehrere Momente, in denen ich darüber nachgedacht habe, hinzuschmeißen“, so die 54-Jährige.
Pop-up-Stores sind Ladenflächen, die für kurze Zeit gemietet werden können, um dort Produkte aller Art zu verkaufen. Unternehmen nutzen Pop-up-Stores als Marketing-Instrument, um neue Produkte oder einen Standort zu testen oder für den Abverkauf von Restposten, Ausstellungsstücken oder Saisonartikeln. Oftmals nutzen Firmen Pop-up-Stores auch für gezielte Rabatt-Aktionen und setzen auf Masse.
Die Schilderungen von Nataša Cotic-Ralfs über die ungeliebte Konkurrenz erinnern an die Berichte über den zweiten Ballonladen, der kürzlich am Eppendorfer Weg in unmittelbarer Nähe zu dem etablierten Geschäft „Happy Balloon“ eröffnet hat. Dies hatte für Gesprächsstoff im Viertel und zum Teil für Irritation gesorgt.
Hoheluft-West: Online-Shops buchen regelmäßig Pop-up-Store
Im Fall des Kinderladens habe sich die Problematik über einen längeren Zeitraum entwickelt. Cotic-Ralfs erinnert sich: „Schon früher wurden in dem Pop-up-Store hin und wieder auch Kinderklamotten verkauft. Natürlich war ich nicht begeistert, aber es blieb bei wenigen Malen im Jahr für jeweils zwei bis drei Tage. Dagegen konnte ich nichts sagen.“
Seit etwa einem Jahr habe sich die Lage geändert: „Mehrere Händler für Kinderbekleidung – zum großen Teil Online-Shops – buchen den Pop-up-Store inzwischen nahezu alle vier bis sechs Wochen für jeweils eine ganze Woche und mit Sicherheit immer zu den Hauptverkaufsphasen kurz vor den Ferien“, so Cotic-Ralfs.
Sie stellt klar: „Bei den Dumping-Preisen kann und will ich nicht mithalten – und ich kann es mir auch schlicht nicht leisten.“ Im Schnitt verdiene sie an Tagen, an denen der Pop-up-Store Kinderkleidung verkauft, nur etwa ein Fünftel des normalen Tagesumsatzes. „Ich stecke inzwischen in argen wirtschaftlichen Problemen und mache mir große Sorgen um die Zukunft meines Geschäftes.“
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Eppendorfer Weg: Abverkauf fühlt sich an wie Kampfansage
Natürlich weiß sie auch: „Ich kann mir meine Konkurrenz nicht aussuchen. Am Ende ist es eine freie Marktwirtschaft. Aber ich finde, dass es sich einfach nicht gehört, so mit den etablierten Geschäften umzugehen.“
Ähnliche Erfahrungen haben nach ihrer Kenntnis auch andere Kinderkleidungsgeschäfte in anderen Stadtteilen gemacht – ebenfalls durch die Konkurrenz von Pop-up-Stores. Cotic-Ralfs meint: „Grundsätzlich finde ich, dass Pop-up-Stores eine gute Möglichkeit sind, um Produkte an einem Standort zu testen oder um einen temporären Leerstand gut zu nutzen – nicht aber, um quasi als Geschäftsmodell regelmäßig einen Massenabverkauf zu veranstalten, der sich für die kleinen Läden wie eine Kampfansage anfühlt.“
Eppendorfer Weg: Pop-up-Stores sind Gift für kleine Geschäfte
Das Gespräch mit dem Pop-up-Store-Vermieter habe sie bereits mehrfach gesucht und auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Ebenso mit den inzwischen fast monatlich immer wiederkehrenden Händlern – aber vergeblich.
„Ich habe nichts in der Hand. Ich weiß, dass derartige Geschäftsmodelle zwar für viele Kundinnen und Kunden interessant sein mögen, aber dass sie Gift sind für die kleinen und inhabergeführten Läden, die doch eigentlich alle gerne in ihrem Stadtteil haben wollen.“ Der Vermieter des Pop-up-Stores war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.