Hamburg. Nach der teuersten Heizperiode aller Zeiten kann ein Wechsel des Anbieters jetzt wieder sehr lohnend sein. Was Experten konkret raten.
Gaskunden in Hamburg können vorerst aufatmen: Die teuerste Heizperiode aller Zeiten ist vorüber. Zwar mussten Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zwischen Anfang September 2022 und Ende Mai 2023 witterungsbedingt etwa 0,5 Prozent weniger Energie fürs Heizen aufbringen als im Vorjahreszeitraum. Doch nach Angaben des Vergleichsportals Check24 zahlte ein Musterhaushalt, der sein Reihenhaus mit Gas heizte, dafür unter Berücksichtigung der Gaspreisbremse im Schnitt 2534 Euro – das waren zwölf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Ohne die staatliche Unterstützung wären es sogar 23 Prozent mehr gewesen als 2021/22.
Allerdings ist der europäische Börsenpreis für Erdgas in den zurückliegenden Wochen weiter gesunken. Er liegt aktuell bei rund 2,9 Cent je Kilowattstunde (kWh). Ende August vorigen Jahres waren es kurzzeitig bis zu 34 Cent.
Auch für Verbraucher ergeben sich daraus Chancen auf günstigere Gasverträge. Im Vergleich zur Grundversorgung sind Ersparnisse von bis zu rund 870 Euro im Jahr möglich. Hier daher die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Gaspreisen:
Gaspreise: Warum ist der Börsenpreis so stark gesunken?
Dafür gibt es mehrere Gründe. So haben industrielle und private Gaskunden ihren Verbrauch gesenkt und der drastische Rückgang der Lieferungen aus Russland nach Europa konnte inzwischen durch andere Quellen, unter anderem durch die Errichtung von Terminals für Lieferungen von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, kurz LNG) per Schiff, wenigstens teilweise ausgeglichen werden.
Vor allem aber sind die Gasspeicher in der Europäischen Union (EU) aktuell vergleichsweise gut gefüllt. So betrug der Füllstand am Mittwoch gut 76 Prozent. Genau ein Jahr zuvor waren es nur 52 Prozent. „Die EU ist auf gutem Weg, ihre Gasspeicher vor dem nächsten Winter weit genug aufzufüllen, um ohne Engpässe und staatlich verordnete Rationierungen durch die Heizperiode 2023/24 zu kommen“, erklärt Salomon Fiedler, Volkswirt beim Hamburger Bankhaus Berenberg. Diese Aussicht kommt in den aktuellen Großhandelspreisen zum Ausdruck.
Gaspreise: Kommt dieser Effekt auch bei den Verbrauchern an?
Inzwischen ist das so. Im Juni ist der durchschnittliche Arbeitspreis bei Neuabschlüssen auf rund 9 Cent pro kWh zurückgegangen. Unter den günstigsten Tarifen für Hamburger finden sich derzeit Arbeitspreise von 8,54 beziehungsweise 8,65 Cent je kWh. „Aber auch ein Tarif mit 9 Cent ist noch nicht wirklich billig“, gibt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg, zu bedenken.
Schließlich zahlte man in den Jahren 2015 bis 2020 nur gerade einmal um die 6 Cent. Andererseits: Wer gezwungen war, im Spätsommer 2022 einen neuen Vertrag abzuschließen, musste Konditionen weit oberhalb des aktuellen Niveaus akzeptieren – wobei die staatliche „Bremse“ den Preis zumindest für 80 Prozent des Verbrauchs dann bei 12 Cent deckelte.
Gaspreise: Was tut sich bei der Grundversorgung?
Zeitweise war im vergangenen Jahr für Verbraucher, deren Vertrag auslief, die Grundversorgung noch die günstigste Variante – alle sonst am Markt verfügbaren Neukundentarife wären wesentlich teurer gewesen. Das ist jetzt ganz anders. „In der Grundversorgung liegen noch 90 Prozent aller Tarife über der Gaspreisbremse“, sagt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24. Das gilt auch für die Hamburger Gas-Grundversorgung von E.on Energie mit einem Arbeitspreis von 15,183 Cent je kWh (für Jahresverbräuche von mehr als 15.000 kWh).
„Die örtlichen Versorger haben in der Regel eine langfristige Beschaffungsstrategie“, sagt Thorsten Storck, Energieexperte des Vergleichsportals Verivox. „Viele der Unternehmen kämpfen noch mit den Rekordpreisen im Großhandel, die im Jahr 2022 fällig wurden.“ Allerdings hat E.on vor einigen Tagen angekündigt, die Gaspreise in der Grundversorgung in Deutschland spätestens zum 1. September um durchschnittlich 28 Prozent zu senken. Sollte dieser Prozentsatz auch für Hamburg gelten, käme man hier künftig auf einen Arbeitspreis von 10,93 Cent je kWh. Zum Vergleich: Im regulären Neukundentarif „E.on Erdgas Öko“ zahlt man 10,57 Cent pro kWh.
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Gaspreise: Sollte man jetzt den Tarif wechseln oder noch warten?
„Das hängt stark davon ab, ob man bereit ist, die Preisentwicklung wöchentlich zu verfolgen“, sagt Verbraucherschützer Bornemann. Er hält es zwar für durchaus möglich, dass massive Preissenkungen eines so prominenten Anbieters wie E.on die Wettbewerbslandschaft beeinflussen können, was weiteren Abwärtsdruck auf die Preise bedeuten würde.
Aber: „Der Markt ist noch immer emotional aufgeladen“, so Bornemann, jederzeit könnten neue Nachrichten zur Versorgungslage den Börsenpreis wieder steigen lassen. Wer sich flexibel halten wolle, könne einen Tarif mit nur einem Monat Laufzeit wählen. „Von manchen Versorgern bekommen Kundinnen und Kunden derzeit das Angebot, zu den jetzigen Konditionen den Vertrag zu verlängern, obwohl er noch sieben oder acht Monate läuft“, berichtet Bornemann. „Darauf würde ich aber nicht eingehen.“
Gaspreise: Haben die Spar-Appelle gewirkt?
Anfang August vergangenen Jahres hatte der Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller gesagt, Deutschland müsse beim Gasverbrauch „mindestens 20 Prozent einsparen“, um einen Mangel im Winter zu verhindern. Tatsächlich war das Gasangebot dann höher als angenommen, während das Einsparziel nicht ganz erreicht wurde.
Nach Angaben von Fiedler ist in Deutschland der Verbrauch bei gewerblichen und privaten Nutzern in der Periode von Oktober bis März temperaturbereinigt um rund 17 Prozent gesunken. Neue Daten für den Norden sehen besser aus: Nach den Worten von Matthias Boxberger, Chef des Netzbetreibers HanseWerk, konnte der Gasverbrauch in Hamburg und Schleswig-Holstein in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 um rund 21 Prozent gegenüber dem Durchschnitt der vier Vorjahre gesenkt werden.
Gaspreise: Welche Rolle spielt LNG inzwischen?
Drei der sechs in Deutschland geplanten LNG-Terminals – in Wilhelmshaven, Lubmin und Brunsbüttel – sind inzwischen am Netz. Zwar beliefen sich in den zurückliegenden Wochen die LNG-Anlieferungen stets auf weniger als ein Zehntel der Gesamtimporte. In Hamburg und Schleswig-Holstein aber stammte im Mai schon 58 Prozent des Heizgases vom LNG-Terminal in Brunsbüttel, wie Boxberger sagte.
Gaspreise: Wie geht es mit den Tarifen weiter?
Zwar deuten die Terminnotierungen an der Börse auf einen Anstieg um 50 Prozent gegenüber dem aktuellen Niveau bis Ende 2023 hin, sagt Berenberg-Volkswirt Fiedler. „Trotzdem scheint für die Verbraucher in der Eurozone das Schlimmste vorüber zu sein, denn sie zahlen für Gas derzeit mehr, als die Terminnotierungen für 2024 erwarten lassen.“ Daher könnten die Verbraucherpreise für Erdgas weiter leicht zurückgehen.