Hamburg. Städtisches Unternehmen startet Pilotprojekt. Auch, weil die Kosten für Wassergewinnung und -entsorgung in Hamburg massiv steigen.
Ein Teil der Zukunft der Wasserversorgung in Hamburg und vielleicht in ganz Deutschland hat in Jenfeld begonnen. Dort, im Pilotquartier Jenfelder Au, erprobt Hamburg Wasser jetzt ein ganz neues Produkt. Sein Name erklärt schon einiges: Recyclingwasser.
Das städtische Wasserver- und -entsorgungsunternehmen plant nicht weniger als Wasser, das es zuvor tief aus dem Boden gepumpt hat, ein zweites Mal zu nutzen, nachdem Hamburgerinnen und Hamburger damit geduscht, Wäsche gewaschen oder Geschirr gespült haben. „Das Wasserrecycling könnte sich als Kernelement für die wassersensible Stadtentwicklung der Zukunft entwickeln – nicht nur in Hamburg“, sagte Ingo Hannemann, der Technikchef und Sprecher der Geschäftsführung von Hamburg Wasser, am Donnerstag bei der Vorstellung des Projekts.
Hamburg Wasser erprobt Recyclingwasser: erst duschen, dann Blumen gießen
Aus Sicht des Unternehmens hat Wasserrecycling gleich mehrere Vorteile: Wenn im Sommer der Wasserbedarf stark steigt, können zum Beispiel Blumenbeete und Gründächer mit dem Grauwasser statt mit Trinkwasser gegossen werden. Zudem muss das Unternehmen weniger Geld dafür ausgeben, Grundwasser zu gewinnen und aufzubereiten. Denn die Kosten dafür werden absehbar stark steigen.
„Kostensteigerungen in Höhe von 45 Prozent gegenüber 2022“ könne es bis 2030 geben, warnten Hannemann und seine Co-Chefin Gesine Strohmeyer, die seit Jahresbeginn kaufmännische Geschäftsführerin des Unternehmens ist. Steigen die Kosten, müssen das die Kunden zahlen. Hamburg Wasser gibt sie über höhere Preise und Gebühren für Trink- und Abwasser an sie weiter.
Um bis zu 45 Prozent könnten allein die Betriebskosten steigen, erwartet das Management. Zudem will und muss das Unternehmen in den kommenden Jahren rund eine Milliarde Euro investieren, deutlich mehr als in den Vorjahren. Gesine Strohmeyer erwartet daher, dass die Preise für Frisch- und Abwasser in Hamburg weiter steigen werden. „So wie absehbar überall in Deutschland“, sagte sie. Wie stark die Preise für die Kunden steigen, das sei aber nicht zu prognostizieren.
Recyclingwasser – bitte nicht trinken, aber für Pflanzen reichts
Hygienisch bedenklich sei das Recyclingwasser oder Grauwasser nicht, versicherte Hannemann. Das weniger verschmutzte Dusch-, Wasch- und Spülwasser wird getrennt gesammelt und – direkt in einer Anlage im Quartier Jenfelder Au – von Schadstoffen gereinigt. „Die Qualität des recycelten Grauwassers ist so gut, dass es bedenkenlos zur Bewässerung von Pflanzen und zur Spülung der Toilette genutzt werden kann. Kombiniert mit eingesammeltem Regenwasser und konsequent angewendet, wird der Trinkwasserbedarf damit erheblich sinken“, sagte Hannemann.
Allerdings muss dafür zunächst großer technischer Aufwand getrieben werden. Alle gut 800 Wohnungen im Neubauquartier sind mit zwei Abwasserleitungssystemen ausgestattet. Eines für die Vakuumtoiletten, die funktionieren wie in einem Flugzeug, und pro Spülgang nur 1 bis 1,5 Liter Wasser benötigen. Völlig getrennt davon wird das weit weniger verschmutzte Abwasser aus Duschen und Badewannen, aus Wasch- und Spülmaschinen sowie Waschbecken in eine Aufbereitungsanlage am Rande des Wohngebiets geleitet und dort in zwei Schritten weitgehend gereinigt. So wird es zum Recyclingwasser.
„Das hat keine Trinkwasserqualität, ist aber sehr gut geeignet, um zum Beispiel begrünte Dächer zu bewässern, oder für die Toilettenspülung“, so Hannemann. Allerdings nicht in den WC der Wohnungen im Quartier Jenfelder Au. In denen hätten dann zusätzlich auch noch Zuleitungen für Recyclingwasser verlegt werden müssen.
In Jenfeld landet Recyclingwasser auf dem Gründach eines Gewerbehofs
Abgenommen wird ein Teil des Recyclingwassers, das bei Bedarf mit Regenwasser aus dem eng bebauten Quartier gemischt wird, von einem Gewerbehof gleich nebenan – für die Bewässerung der Gründächer und auch für die Spülung der überschaubaren Zahl von Toiletten. „Für uns ist das Ganze zunächst einmal ein auf fünf Jahre angelegtes Pilotprojekt, das zeigen soll, was technisch möglich ist“, sagte Hannemann.
Wirklich sinnvoll lassen sich solche kleinteiligen Wasser- und Abwasserkreisläufe aber wohl nur in Neubauprojekten wie im Pilotquartier in Jenfeld umsetzen. Für ein geplantes Quartier auf dem Kleinen Grasbrook sei man in Gesprächen, sagte der Hamburg Wasser-Chef. In Neubau-Einzelhäusern aber wird die Nutzung von Recyclingwasser wohl keine realistische Option sein. Hannemann: „Es gibt bereits Anlagen, die in den Keller passen. Aber dafür braucht es sehr viel Enthusiasmus. Wirtschaftlich wird das nie sein.“
Hamburg Wasser wird mit dem Verkauf von Recyclingwasser – wenn überhaupt jemals – wohl erst in einer fernen Zukunft Gewinn erzielen. Trotzdem können sich solche Projekte für das Unternehmen lohnen – weil es weniger Geld in sein normales Trink- und Abwassernetz investieren muss.
Denn: Das Unternehmen muss sein gesamtes Wasser- und Abwassernetz mit sämtlichen Anlagen und dem Klärwerk im Hafen in einer Größenordnung vorhalten und teuer unterhalten, dass es selbst an absoluten Spitzenverbrauchstagen nicht an die Kapazitätsgrenze gerät. Das ist teuer. Die Erwartung: Wenn an heißen Sommertagen auch Recyclingwasser eingesetzt wird, kann das Normalnetz kleiner ausfallen. Das spart Kosten.
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Kosten sparen war im vergangenen Jahr für die Kunden von Hamburg bereits ein wichtiges Thema. „Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte ist der Warmwasserverbrauch spürbar zurückgegangen“, sagte Gesine Strohmeyer in der Präsentation der Unternehmensbilanz für 2022. Offenbar wegen der hohen Energiekosten. Und obwohl die Lufttemperatur in Hamburg im Vorsommer einen Rekordwert erreichte, ging der Wasserverbrauch der mehr als zwei Millionen Kunden erneut zurück - auf zuletzt 111 Liter pro Tag und Kopf der Bevölkerung. Gleichwohl stieg der Gesamtumsatz des Unternehmens leicht auf gut 624 Millionen Euro.
Hamburg Wasser: Der Gewinn fließt an die Stadt
Die Wasserwerke GmbH machte mit dem Trinkwasserverkauf 28,7 Millionen Euro Gewinn, die in die Kasse der Stadt fließen. Die Umsatzrendite betrug immerhin um die 10 Prozent. „Das ist die Größenordnung, die die Stadt von uns erwartet“, sagte Strohmeyer. Die Stadtentwässerung erzielte 67,6 Millionen Euro Gewinn. Er allerdings wird regelmäßig für den Ausbau und die Sanierung von Kanalisation und Klärwerk ausgegeben – und für Pilotprojekte wie das Wasserrecycling in Jenfeld.