Hamburg. Die traditionsreiche Hamburger Autovermietung steht nach der Trennung vom US-Konzern Avis vor einem Einschnitt – und geht neue Wege.
Für Autovermieter war die Corona-Pandemie eine schwierige Zeit. „Darum habe ich mich auf ein ruhiges Jahr 2023 gefreut“, sagt Matthias Krohn, neben Lars Wucherpfennig geschäftsführender Gesellschafter von Wucherpfennig & Krohn – das in Hamburg gegründete Unternehmen ist die wohl älteste Fahrzeugvermietung Europas.
Doch es kam ganz anders. „Am 23. Dezember vorigen Jahres, ich war gerade in den Weihnachtsurlaub gegangen, erhielten wir durch einen Boten ein Schreiben, in dem uns Avis zum Jahresende 2023 den Lizenzvertrag kündigt“, sagt Krohn.
Für den Familienbetrieb, nach Angaben von Krohn der mit Abstand größte Lizenznehmer der US-amerikanischen Avis Budget Group in Deutschland, hat die völlig überraschende Kündigung nach mehr als 30 Jahren Partnerschaft erhebliche Folgen. Schließlich fällt damit der Vorteil weg, Firmenkunden auch Autos außerhalb des norddeutschen Geschäftsgebiets und sogar in mehr als 160 Ländern anbieten zu können – und die Unternehmenskunden machen immerhin rund 70 Prozent des Vermietungsvolumens aus.
Autovermietung Hamburg: Wucherpfennig plant jetzt ein Abomodell
„International tätige Kunden wie die Telekom oder Siemens werden wir wahrscheinlich verlieren“, sagt Krohn. Hinzu kommt: Wucherpfennig & Krohn muss nun ein eigenes Marketing aufbauen, denn bisher profitiert man von der Bekanntheit der Marken Avis und Budget, die beide zu den zehn größten Autovermietungen weltweit gehören.
Nur auf manchen Transportern, die etwa ein Drittel der Flotte des norddeutschen Familienunternehmens mit einer „deutlich vierstelligen“ Gesamtzahl von Fahrzeugen ausmachen, steht der Markenname Wucherpfennig. „Bei einem Pkw möchten die Kunden in der Regel nicht, dass ein Mietwagen als solcher erkennbar ist“, sagt Krohn. Bei länger genutzten Autos werde manchmal sogar der Kennzeichenträger, auf dem der Firmenname steht, entfernt.
Gegründet im Jahr 1898 von Franz Wucherpfennig in Altona als Autohandel und Fahrradverleih, ist das Unternehmen heute von Flensburg bis Gütersloh und im Osten bis Prenzlau an knapp 40 Stationen tätig. Der Betrieb hat rund 80 Festangestellte, davon knapp 20 in Hamburg, einschließlich Selbstständigen und Aushilfskräften arbeiten mehr als 300 Personen für Wucherpfennig & Krohn. Im vorigen Jahr lag der Umsatz bei 31 Millionen Euro, es wurden 105.000 Mietverträge über 550.000 Miettage abgeschlossen.
Ohne den Partnerkonzern Avis wird das Geschäft zunächst zurückgehen
Im Hinblick auf die erste Zeit nach dem Ende der Partnerschaft mit Avis mache er sich durchaus auch Sorgen, räumt Krohn ein, denn: „Wir wissen nicht bei allen unseren Firmenkunden, wie sie sich verhalten werden.“ Viele von ihnen hätten ihren Geschäftsschwerpunkt aber ebenfalls in Norddeutschland und seien selten darauf angewiesen, zum Beispiel am Frankfurter Flughafen ein Auto zu benötigen. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir solche Kunden behalten“, so Krohn.
Auch wenn das Geschäft Anfang 2024 zunächst zurückgehen werde, rechnet er nicht mit einem Personalabbau. Schließlich habe man selbst während der Corona-Pandemie, als die Vermietungen plötzlich um zeitweise 70 Prozent einbrachen, keine Station geschlossen. Zudem bringe das Ende der Avis-Kooperation auch Vorteile: „Wir müssen keine Lizenzgebühren mehr zahlen.“
Vor allem aber könne man die Vorteile des eigenen Reservierungssystems dann erst richtig ausspielen. Für eine Autovermietung komme es darauf an, auf der Basis computergestützter Prognosen „zum richtigen Zeitpunkt die richtige Zahl an Fahrzeugen am richtigen Ort zu haben – und das zum richtigen Preis.“
Bilden künftig mittelständische Autovermieter ein Netzwerk?
Mit dem eigenen IT-System sei man in der Lage, dies für das Geschäftsgebiet deutlich feiner zu steuern, so Krohn. „Dann stehen wir auch in Vergleichsportalen durch die wegfallende statische Verknüpfung mit dem Avis-System nicht mehr so oft unten, obwohl wir viel weiter oben stehen könnten.“
Es bleibt aber die Frage, wie es gelingen kann, Firmenkunden wenigstens im Inland auch außerhalb des Geschäftsgebiets mit Fahrzeugen versorgen zu können. „Aus eigener Kraft eine deutschlandweite Präsenz aufzubauen würde zu hohe Investitionen erfordern - dazu bräuchte man sicherlich 20.000 bis 25.000 Autos“, erklärt Krohn.
Allerdings gebe es zahlreiche mittelständische Autovermieter in Deutschland, die das gleiche Interesse hätten und gern bei einem neuen, gemeinsamen Netzwerk mitmachen würden. Darüber sei man bereits im Austausch, sagt Krohn: „Unsere Fahrzeugbeschaffung, die wir im Jahr 2015 ausgelagert haben, arbeitet auch für andere Unternehmen der Branche, daher gibt es ohnehin Kontakte zu ihnen.“
Gründe für Kündigung des Lizenzvertrags bleiben nebulös
Mit dem Ende des Avis-Lizenzvertrages stehen Wucherpfennig & Krohn jedoch auch neue Geschäftsfelder offen: „Zum 1. Januar 2024 werden wir zum Beispiel auch Auto-Abo-Anbieter.“ Denn Krohn ist sich sicher: „Die Menschen möchten auch in Zukunft ein Auto nutzen können, gerade die Jüngeren wollen es aber nicht mehr unbedingt selbst besitzen – mit allen Verpflichtungen, die das mit sich bringt.“
Abo-Modelle liegen von der Laufzeit her zwischen der klassischen Autovermietung (Tage bis Wochen) und dem Leasing (meist mindestens ein Jahr). Im vergangenen Jahr verzeichneten die Abo-Anbieter entgegen den rückläufigen Neuzulassungen ein starkes Wachstum. Wucherpfennig & Krohn habe jedenfalls die Absicht, am Geschäft mit der sogenannten „Shared Mobility“ noch stärker als bereits heute als Autovermieter teilzuhaben.
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Auch ein Treffen mit Avis-Managern in diesem Jahr habe keine Klarheit darüber gebracht, warum der Lizenzvertrag eigentlich gekündigt wurde, sagt Krohn. In dem Schreiben sei lediglich von „strategischen Gründen“ die Rede. Klar sei aber, dass Avis damit nur einem Branchentrend folge: Andere Weltkonzerne wie Hertz hätten das Lizenzmodell in Deutschland schon vor längerer Zeit aufgegeben.
Avis hat nach Angaben von Krohn zur gleichen Zeit noch einem weiteren Lizenzpartner, dem Autohaus Merkur in Gießen, den Vertrag gekündigt. In früheren derartigen Fällen habe Avis die betroffenen Mittelständler übernommen. Warum diesmal beiden kein entsprechendes Angebot gemacht wurde, kann sich Krohn nicht erklären. Dennoch blicke er „zuversichtlich in die Zukunft“.