Hamburg. Die Pflanzen sind gut entwickelt, aber die Früchte noch nicht reif. Was die Bauern im Norden zur Höhe der Preise sagen.

Der Freitag machte Lust auf Frühling und Sommer. Die Sonne schien stundenlang, 19 Grad Celsius sollten es in Hamburg werden. Auch am Sonnabend soll der Himmel häufig wolkenlos sein, die Temperaturen sogar noch ein bisschen steigen. So mancher bekommt da Lust auf Eis, Gesundheitsbewusste auf Erdbeeren. Doch wer die roten Früchte aus der Heimat naschen möchte, muss sich noch gedulden.

„Wir sind etwa drei, vier Tage später dran als im vergangenen Jahr“, sagt Enno Glantz. Der Landwirt baut auf 150 Hektar Fläche Erdbeeren an, etwa 40 Prozent davon auf Feldern rund um seinen Hof in Delingsdorf (Kreis Stormarn). Der Grund für die Verzögerung: das Wetter. Die Nächte seien noch sehr kalt. Vor einem Jahr fand er die ersten roten Früchte im April. Dieses Jahr rechnet er mit nennenswerten Mengen Anfang Mai.

Erdbeeren: Die Saison startet in diesem Jahr später

Für den 3. Mai hat er ins mecklenburgische Hohen Wieschendorf zu seinem Zweitsitz eingeladen, um die Saison offiziell zu eröffnen. An der Ostsee baut er auf 30 Hektar Erdbeeren in Folientunneln an. Unter den zeltähnlichen Planen haben sie mehr Schutz, höhere Temperaturen und reifen früher. Das verlängert die Saison und macht eine frühere Ernte möglich.

„Im Freiland geht es wohl um den 20. Mai los“, sagt Glantz, der vom Boulevard gern als „Hamburgs Erdbeerkönig“ bezeichnet wird, rund 140 Verkaufsstellen in der Metropolregion und acht Selbstpflückfelder betreibt. Das sei ein normaler Starttermin auf den Feldern.

Erdbeerpflanzen sind gut durch den Winter gekommen

Für die Saison ist er optimistisch: „Grundsätzlich können wir von einer guten Ernte ausgehen, wenn wir die Frostnächte überstehen, die wir erfahrungsgemäß noch bekommen werden.“ Die Pflanzen seien gut durch den Winter gekommen, es gab wenig Schnee und Eis, die Kälte hielt sich in Grenzen. Das tat ihnen gut. Auch mit der Qualität ist er zufrieden – und die gesündesten seien Erdbeeren aus der Region wegen ihrer kurzen Transportwege ohnehin.

Das sieht man südlich der Elbe ähnlich. Felix Löscher baut in Winsen/Luhe auf 40 Hektar Erdbeeren an, davon 30 Prozent im Tunnel. „Sie stehen gut in der Blüte, haben einen guten Fruchtansatz. Ich denke, da kommt eine vernünftige Ernte“, sagt der Landwirt aus Niedersachsen und rechnet ebenfalls mit einer guten Qualität. Wegen der Kälte liege man im Entwicklungsstand rund eine Woche hinterm Vorjahr zurück.

Auch deutschlandweit startet die Saison später

Deutschlandweit ergibt sich ein ähnliches Bild. „Dieses Jahr ist der Erntestart später als in einem normalen Jahr“, sagt Eva Würtenberger, Produktmanagerin Gartenbau bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn. Grund: das Wetter. So habe beispielsweise in Baden-Württemberg die Sonne im März 2022 rund 240 Stunden lang geschienen, dieses Jahr war es nur die Hälfte.

Erste deutsche Erdbeeren aus Gewächshäusern gebe es schon, in Folientunneln starte die Ernte nun – allerdings traditionell zunächst nur im Süden. Weil das Angebot noch zu gering sei, gebe es noch keine Verbraucherpreise für deutsche Ware; im Vorjahr war das anders.

Importierte Erdbeeren derzeit günstiger als 2022

Die derzeit in Supermärkten und bei Discountern angebotenen Erdbeeren kommen überwiegend aus Spanien. Zweitwichtigster Anbieter für den hiesigen Markt sei Griechenland, wo die Anbauflächen deutlich ausgeweitet worden seien. In der vergangenen Woche habe der durchschnittliche Verkaufspreis pro Kilogramm über alle deutschen Einkaufsstätten hinweg bei 2,91 Euro gelegen, so Würtenberger.

Das waren 72 Cent weniger als vor einem Jahr. Allerdings dürfte das damals in der 15. Kalenderwoche liegende Osterfest die Preise mit einem Feiertagsaufschlag auch getrieben haben – und: das Wetter. Vor einem Jahr war es in Spanien vergleichsweise kalt, die Mengen geringer, die Preise höher.

Im Vorjahr kostete heimische Ware 5,75 Euro pro Kilo

Aufschlüsse auf die Preisentwicklung für deutsche Ware lasse das nicht zu, sagt Würtenberger. Im Schnitt seien im vergangenen Jahr 5,75 Euro pro Kilogramm für die heimische Ware bezahlt worden. Mit 133.000 Tonnen wurden 2000 Tonnen mehr geerntet als 2021, der Juni bietet meist den größten Ertrag. „Ein Teil der Kunden wartet auf die deutsche Ware und ist bereit, dafür mehr zu bezahlen“, sagt die AMI-Erdbeerexpertin.

Darauf hoffen die heimischen Bauern. Aber angesichts der hohen Inflation sei die finanzielle Belastung für die Verbraucher hoch und ihre Lage schwierig, so Glantz: „Wir versuchen, die Preise vom vorigen Jahr zu halten. Aber ob wir es machen können, weiß ich noch nicht.“ Damals habe er im Schnitt der Saison 8,50 Euro für das Kilogramm erhalten – wobei die frühen Erdbeeren mangels großer Mengen traditionell deutlich teurer sind.

Glantz analysierte Absatz und verringerte Anbaufläche

Aus Sorge vor möglicher Kaufzurückhaltung der Kunden verringerte er seine Anbaufläche für Erdbeeren um 20 Prozent. Der Absatz der vergangenen Jahre wurde noch genauer analysiert, um möglichst immer genug Ware zu haben, aber eben auch möglichst wenig Überhänge. Denn die gibt er an den Großhandel ab. Und dort kostendeckende Preise zu erhalten sei „ganz schwierig“.

Löscher nahm zum Saisonstart 2022 als Direktvermarkter an seinen etwa 30 Verkaufsstellen 4,90 Euro pro Pfund, später dann 4,20 Euro. Das Kilogramm lag im günstigsten Fall bei knapp acht Euro. In der letzten April-Woche hofft er, die ersten roten Erdbeeren zu finden. Zum Muttertag will er die Kunden mit großen Mengen beliefern können. Auf einen Preis will auch er sich noch nicht festlegen: „Es kommt auf den Marktpreis an, der gerade drum herum ist.“

Steigende Kosten auf vielen Ebenen drücken auf die Marge bei Erdbeeren

Mitbewerber seien dabei weniger Bauern aus Südeuropa, sondern eher aus Süddeutschland und den Niederlanden. Dort seien wegen der hohen Energiekosten nicht alle Gewächshäuser beheizt worden, erzählt er. Daher sei er gespannt, wie viel niederländische Ware auf den Markt käme. „Das wird auch unseren Preis beeinflussen“, sagt Löscher. Man müsse zudem abwarten, wie viel die Kunden bereit seien zu zahlen.

Mit 8,50 Euro im Saisonschnitt wie im Vorjahr bei Glantz wäre er sehr zufrieden. Die Marge werde aber in jedem Fall dünner. Denn neben dem gestiegenen Mindestlohn seien auch Verpackungsmaterialien wie Papier, Pappe, Obstschalen und Transportkisten aus Holz sowie Düngemittel nochmals teurer geworden.

Landwirtschaft: Hitze, Hagel und Starkregen wären besonders schädlich

In den nächsten Wochen hoffen die Erdbeer-Bauern nun, dass zumindest die natürlichen Faktoren auf ihrer Seite sind: ein vernünftiges Maß an Sonnenschein, bis zu 25 Grad Celsius, keine große Hitze, kein Starkregen, kein Hagel. Dann stimme auch der Umsatz, sagt Löscher: „Schönes Wetter ist für uns immer gut: Dann werden Erdbeeren gegessen.“