Hamburg. Hamburger Weinhandelsgruppe reduziert das Gewicht seiner Flaschen spürbar – und kreiert neue Weine. Welche Idee dahintersteckt.

Durchschnittlich 20 Liter Wein trinken die Deutschen im Jahr. Doch wer nach einer Flasche greift, muss künftig weniger Kraft aufwenden. Zumindest bei den Produkten der führenden Handelsgruppe für hochwertige Weine und Champagner, Hawesko (Hanseatisches Wein- und Sektkontor).

Das Hamburger Unternehmen mit den Marken Hawesko, Jacques Weindepot, Wein & Co, Tesdorpf, Vinos stellt auf leichtere Flaschen um mit dem Ziel, nachhaltiger zu wirtschaften. „Bereits heute sind 70 Prozent unserer verkauften Weine nachhaltig hergestellt“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Hawesko-Gruppe, Thorsten Hermelink. „Für den CO2-Fußabdruck beim Transport von Weinen spielt aber das Flaschengewicht eine zentrale Rolle. Wo immer wir Einfluss nehmen können, wirken wir darauf hin, dass leichtere Flaschen zum Einsatz kommen.“ Das eigene Sortiment will Hawesko innerhalb von zwei Jahren umstellen.

Hawesko macht aus Nachhaltigkeitsgründen Weinflaschen leichter

Dabei sind die Flaschen weiterhin aus Glas. Wiegt eine Flasche Rotwein etwa ein Kilogramm, könne sie mit neuer Glasstruktur künftig etwa 300 bis 400 Gramm leichter sein, sagt Hermelink – ohne dass die Flasche an Stabilität und Bruchsicherheit verliere.

„Das Denken der Verbraucher, dass nur schwere Flaschen gute Qualität versprechen, ist out. Eine schwere Flasche war noch nie eine Garantie für eine gute Weinqualität. Das werden die Verbraucher lernen.“ Rein rechnerisch ließe sich das Gesamtgewicht bei den Weintransporten dadurch so weit reduzieren, dass die CO2-Emissionen um ein Drittel gesenkt werden könnten. Sogar mit PET-Weinflaschen wird schon experimentiert, aber die hat Hawesko nicht im Angebot.

Auch sonst setzt Hawesko auf leichtere Produkte, wie zum Beispiel alkoholfreie Weine, Bio oder Rosé. Aber auch Orange Wines, also dunkle Weißweine, die wie Rotweine hergestellt sind, oder pilzwiderstandsfähige Rebsorten (PIWIs) sind im Moment gefragt.

Alkoholfreie Weine sind laut Hermelink noch ein Nischenprodukt, aber stark wachsend. „Das merken wir bei der Nachfrage.“ Gleichwohl ist die Herstellung sehr aufwendig. Zunächst müsste der Traubensaft vergoren werden. Der dabei entstehende Alkohol sei ein entscheidender Geschmacksträger. „Anschließend muss dem Wein der Alkohol wieder entzogen werden, ohne dass die Aromen verloren gehen.“ Es würden immer neue Verfahren entwickelt. Vor allem im Segment der Schaumweine sind alkoholfreie Produkte gefragt. „Sie werden in Deutschland kein kompetenteres Angebot an alkoholfreien Weinen finden als bei uns“, verspricht Hermelink.

Weinkonsum zu Hause sinkt seit Ende der Corona-Pandemie

Insgesamt hat die Hawesko-Gruppe im vergangenen Jahr 671,5 Millionen Euro umgesetzt. Das sind 1,3 Prozent weniger als 2021, aber 35 Prozent mehr als im Vor-Corona-Jahr 2019. Der Rückgang sei nach den beiden Rekordjahren 2020 und 2021 erwartet worden, sagte Hermelink. In der Pandemie sei der Weinkonsum zu Hause stark gestiegen. „Das normalisiert sich jetzt wieder.“ Den Gewinn vor Steuern und Zinsen bezifferte er auf 39,1 Millionen Euro – nach 53,1 Millionen Euro im Jahr 2021. Klammere man die beiden Pandemiejahre aus, habe Hawesko sein bisher bestes Ergebnis in der Unternehmensgeschichte erzielt, betont Hermelink. Zum Vergleich: 2019 betrug das Ebit 29 Millionen Euro, war also um 34,4 Prozent geringer als 2022.

Stärkster Wachstumstreiber war das Firmenkundengeschäft, weil vor allem die Gastronomie nach dem Lockdown wiedererstarkte. Das Filialgeschäft hielt sein Niveau. Der Weinversand büßte hingegen zehn Prozent ein.

Der deutsche Weinmarkt sei um 6,5 Prozent zurückgegangen, wohingegen Hawesko mit einem Umsatzminus von 4,4 Prozent weniger verloren hat. Damit hat das Unternehmen eines seiner Ziele erfüllt: stärker zu wachsen als der Markt. Dabei half nicht zuletzt eine Akquisition: Hawesko hat im vergangenen Jahr seine Beteiligung an der Global Wines & Spirits (GWSP) auf eine Mehrheit von 80 Prozent aufgestockt. Die GWSP ist ein großer tschechischer Weinhändler mit Firmensitz in Prag. Weitere Akquisitionen seien in Vorbereitung, sagt der Vorstandschef.

Das Ergebnis gedrückt habe die Inflation. Aufgrund des Kaufkraftverlusts durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten beschränken sich die Verbraucher auf den Einkauf der notwendigen Produkte. Wein fällt nicht unbedingt darunter. Durch die Inflation seien zudem die Preise für Material (Glas, Papier und Pappe), den Transport sowie im Weineinkauf um etwa 30 Millionen Euro gestiegen. Einen Teil davon habe man an die Kunden durch Preiserhöhungen zwischen sechs und acht Prozent weitergeben können. Rund sechs Millionen Euro der gestiegenen Kosten allerdings nicht.

Hamburger Weinhändler rechnet mit schwachem Konsumklima

Auch für 2023 rechnet Hermelink aufgrund der hohen Inflation mit einem schwachen Konsumklima. Das Firmenkundengeschäft und der Filialverkauf würden leicht wachsen, während das Internetgeschäft auf Vorjahresniveau verharren werde. Hermelink prognostiziert einen Umsatz in einem Korridor zwischen 660 bis 690 Millionen Euro und ein Ebit (Ergebnis vor Zinsen und Steuern) zwischen 38 und 42 Millionen Euro.

Hawesko ist seit drei Jahren schuldenfrei, Investitionen werden aus dem Cashflow der vergangenen Jahre bezahlt: Im letzten Jahr betrugen die Investitionen rund 28 Millionen Euro. Ein Teil des Geldes floss in den Ausbau des Lagers in Tornesch (Schleswig-Holstein), das für den Internethandel vergrößert und modernisiert wird. Zudem schüttete das Unternehmen mit seinen rund 1260 Mitarbeitern im vergangenen Jahr eine Rekorddividende von 22,5 Millionen Euro aus.

Für dieses Jahr schlägt der Vorstand der Hauptversammlung eine gleichbleibende Dividendenzahlung von 1,90 Euro pro Aktie vor. Etwa 18 Prozent der Wertpapiere befinden sich im Streubesitz und werden an der Börse frei gehandelt. Die Aktie legte im Tagesverlauf um 2,3 Prozent zu und kratzte an der 44-Euro-Marke.