Hamburg. Die Hamburger Kultmarke gehört inzwischen zu Jägermeister. Jetzt wird die Produktion ausgeweitet, um in weitere Länder vorzustoßen.
Es duftet intensiv nach Orangen. In der Produktion bei Gin Sul sitzen Mitarbeiter und schälen die glänzenden Südfrüchte. Die Schalen werden die nächste Spezialserie der Spirituose aromatisieren. Die Marke, die sich selbst als ältester Hersteller von Gin in der Hansestadt sieht, ist auf Wachstumskurs. Mit einer neuen Destillieranlage, die kupfern glänzend in einer Halle mit bunten Kacheln an der Wand steht, kann die Produktion verdreifacht werden. Gin Sul hat einen sechsstelligen Betrag investiert, um die Fabrik zu erweitern und das Lager zu vergrößern.
Die Macher der kultigen Marke mit den weiß-blauen Tonflaschen betonen, dass der Charakter einer Manufaktur erhalten bleiben soll. „Mit viel Handarbeit“, sagt Geschäftsführer Fritz Grünefeld, der früher bei Bacardi gearbeitet hat. Dieses Ziel spielt inzwischen eine besondere Rolle für Gin Sul (portugiesisch für Gin des Südens), denn die Hamburger Firma ist nicht mehr selbstständig. Aus einer Vertriebskooperation mit der Mast Jägermeister Deutschland GmbH ist ein Verkauf geworden: Jägermeister hat die Premiummarke 2021 vollständig übernommen.
Gin Sul-Gründer ist jetzt auf Weltreise
Gründer Stephan Garbe hat seine Anteile abgegeben und sich wenige Monate später auch aus dem Unternehmen zurückgezogen. Mit seiner Frau ist der 46-Jährige jetzt auf Weltreise – und damit schließt sich der Kreis: Garbe war vor rund zehn Jahren mit einem Freund ebenfalls auf Reisen, als ihm die Idee eines eigenen Gins kam. Der Werber wollte sie nach einer Wanderung an Portugals Küsten eigentlich an der Algarve umsetzen, scheiterte aber an der Bürokratie. Schließlich realisierte er seinen Plan in Hamburg, in der Altonaer Spirituosen Manufaktur. Unweit der Fabrik und des Thalia in der Gaußstraße wurden in dem Gebäude früher Kohlen gelagert, später zog eine Tischlerei ein. Hier verwirklichte Garbe seine Geschäftsidee rund um seine beiden Leidenschaften, Gin und Portugal.
Wer die Manufaktur durch den vorgelagerten Shop betritt, fühlt sich wie in Lissabon. Blau-weiße Kacheln an den Wänden erinnern an die portugiesischen bunt bemalten und glasierten Keramikfliesen, Honig und duftende Seifen komplettieren den Eindruck von einem Tag im Süden. Célia Nascimento ist für den Shop und die Buchhaltung verantwortlich. Wie eine ganze Reihe weiterer Beschäftigter hat sie portugiesische Wurzeln.
Gin Sul: In der Barszene eine etablierte Größe
„Anfangs haben wir gemeinsam mit Freunden abgefüllt“, erinnert sich Nascimento an die Anfänge der Destillerie. Es war die Zeit, als Gin zum Trendgetränk wurde und Gin Sul in zahlreichen renommierten Bars Einzug hielt. Heute gehört die Marke im Vier Jahreszeiten oder im Fontenay, aber auch in der Barszene auf St. Pauli zum festen Angebot. Im Handel greifen die Verbraucher bei Rewe, Edeka und anderen Branchengrößen zu den Flaschen für rund 35 Euro.
Bisher kümmern sich in Hamburg gut ein Dutzend Mitarbeiter um Produktion, Qualitätskontrolle und Entwicklung. Gin Sul steht zur Keramikflasche. „Sie sieht schön aus und hat Tradition, denn schon in Holland wurde der Genever in Steinkrügen abgefüllt“, sagt Produktionsleiter Rafael Vieira. Das Material schütze das Getränk optimal gegen Witterung und Sonneneinstrahlung.
Dazu kommen immer neuer Limited Editions wie Banane Guave, die beim Erscheinen regelmäßig zu langen Schlangen der Fans vor dem Shop führen, heißt es. Zwei Export-Manager in Portugal und Kroatien forcieren das Geschäft im Ausland. Mit Jägermeister soll die Expansion aber nun weiter an Fahrt gewinnen. „Besonders in den USA und Großbritannien ist Jägermeister aktiv“, beschreibt Grünefeld die Chancen, die sich für die Hamburger Marke durch den Verkauf an den Branchenriesen ergeben. Wurden 2022 rund 190.000 Flaschen verkauft, soll sich diese Zahl nun stetig weiter erhöhen.
Die Konkurrenz auf dem Gin-Markt ist groß
Auch mit der bald erscheinenden Edition Gin Sul Laranjal (Portugiesisch für Orangenhain) will man weitere Kunden für die Marke begeistern. Die Getränkeexperten aus Altona müssen kreativ bleiben, denn nicht zuletzt in und um Hamburg sind in den vergangenen Jahren zahlreiche neue Wettbewerber an den Start gegangen, die ebenfalls auf den Manufaktur-Gedanken setzen. Darunter der HafenCity Gin, die Nordik Erlebnisbrennerei in Horneburg, im Norden zudem die Marken Trii Gin und SOS aus Sylt.
Um sich bekannter zu machen, sind und bleiben zweites Standbein bei Gin Sul die Workshops. Der Kurs für 65 Euro wird von Gruppen etwa aus Agenturen oder Steuerberaterkanzleien gebucht, aber auch von Privatleuten und Touristen, die Hamburg besuchen. In den gut zwei Stunden geht es um den Herstellungsprozess des Getränks, in dem etwa 120 verschiedene Zutaten als Aromen und Wirkstoffe zum Einsatz kommen können. es wird zusammen eine kleine Menge destilliert. Dazu werden Käse und Schinken aus Portugal serviert, man knabbert Oliven und erfährt Rezepte für die besten Mixgetränke mit dem Produkt, dessen Name sich indirekt vom botanischen Namen Juniperus, also des wichtigsten Aromaträgers Wacholder ableitet.
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Gin Sul: Gin ist vor allem Vielfalt
Für Grünefeld besteht der Reiz an seiner Aufgabe in der Vielfalt, die den Gin ausmacht. „Die Leute gehen mit Gin auf Entdeckungsreise“, sagt der Manager, der selber liebend gerne kocht und mit Länderküchen experimentiert. Gin eigne sich hervorragend für Geschichten rund um seine jeweilige Herkunft: Skandinavischer Gin setze oft auf Beeren, japanische Hersteller bringen Produkte mit Wasabi-Geschmack auf den Markt.
Dazu kommen die bekannten Mixgetränke, etwa Gin Tonic. Der nach wie vor beste Drink mit Gin jedoch, darin sind sich Grünefeld und Vieira einig, sei der Negroni. Aus Gin, einem Bitter wie Campari und einem roten Wermut entstehe einfach „ein ganz toller Aperitif“.