Hamburg. Bundesbank und Experten erwarten kräftige Korrekturen für den Immobilienmarkt. Welche Objekte besonders betroffen sind.

Flaute am Hamburger Immobilienmarkt: viele Angebote, wenig Abschlüsse. Gemessen an den veränderten Rahmenbedingungen sind die geforderten Kaufpreise noch viel zu hoch. Welche Entwicklung ist für die nächsten Jahre zu erwarten? Wie weit können die Immobilienpreise fallen? Welche Probleme haben ältere Immobilien? Das Abendblatt sprach mit Experten und entwirft ein Szenario: Gut für künftige Käufer, schlecht für Immobilienbesitzer.

Wie weit können die Immobilienpreise noch fallen?

Die Bundesbank hat erneut vor einer Überbewertung auf dem Immobilienmarkt gewarnt. „Der kräftige Preisauftrieb bei Wohnimmobilien hielt noch bis zur Hälfte des Jahres 2022 an, bevor es im zweiten Halbjahr zu Preisrückgängen kam“, heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank.

Es gebe allerdings Anzeichen dafür, dass der jahrelange Aufschwung vorüber sei. Die Schlussfolgerung sollte Immobilienbesitzer beunruhigen und potenzielle Käufer hoffen lassen: Gemäß aktuellen Schätzergebnissen lagen die Immobilienpreise Mitte 2022 „in den Städten zwischen 25 Prozent und 40 Prozent über dem Preis, der durch soziodemografische und wirtschaftliche Fundamentalfaktoren angezeigt ist.“

Immobilien in Hamburg: Experte spricht von hoher Überbewertung

Für Städte wie Hamburg oder München „liegt die Überbewertung eher bei 40 Prozent“, sagt Andreas Beck, Immobilien- und Kapitalmarktexperte sowie Gründer des Anlageberatungsunternehmens Index Capital. „Denn die Preise sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen und können jetzt von einem Großteil wegen der höheren Zinsen nicht mehr bezahlt werden.“ Hinzu komme die Gefahr weiter steigender Zinsen, so dass eine zehnjährige Finanzierung dann zwischen 4,5 und fünf Prozent Zinsen kosten kann.

Nimmt man die Angebotspreise aus dem vierten Quartal 2022, so kostet ein Einfamilienhaus aus dem Bestand in Hamburg mit einer Wohnfläche von 120 Quadratmetern rund 700.000 Euro. Mit einem Preisabschlag von 40 Prozent wären es nur noch 420.000 Euro. Etwas konservativer gerechnet mit 30 Prozent Abschlag läge der neue Kaufpreis bei 490.000 Euro. Dann wäre man bei dem Preisniveau von Anfang 2019, wenn man den Immobilienmarktatlas der LBS Schleswig-Holstein-Hamburg heranzieht.

In welchem Zeitraum kann sich eine solche Entwicklung vollziehen?

Einen solchen Preisrückgang wird es nicht in ein oder zwei Jahren geben. Viele potenzielle Verkäufer haben die Entwicklung noch nicht verinnerlicht. Sie beharren auf ihren hohen Preisen, doch die Käufer sind nicht bereit, sie zu zahlen. „Der Preisrückgang vollzieht sich über viele Jahre“, sagt Beck. Dazwischen können die Immobilienpreise auch wieder mal vorübergehend anziehen.

Doch der Preisrückgang hat bereits eingesetzt und eine gewisse Dynamik entfaltet, wie Daten des Hamburger Maklers Grossmann & Berger zeigen. Danach begann der Preisrückgang in vielen Stadtteilen schon im vergangenen Jahr. Vielerorts waren die Höchstpreise sogar schon 2021 erreicht. Beispiel Langenhorn: 2021 kostete dort ein Quadratmeter Wohnfläche eines Einfamilienhauses aus dem Bestand noch 4200 Euro, 2022 waren es bereits 200 Euro weniger und in diesem Jahr wird ein Rückgang auf 3800 Euro erwartet. Zusammen ist das bereits ein Preisrückgang von zehn Prozent und kein Einzelfall in Hamburg.

Zuletzt waren die Preise für Häuser um 113 Prozent gestiegen

In den vergangenen zehn Jahren sind die Preise für Einfamilienhäuser in Hamburg um 113 Prozent und für Eigentumswohnungen aus dem Bestand um 137 Prozent gestiegen. Befördert wurde diese Entwicklung durch die Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank und Baufinanzierungszinsen von weniger als einem Prozent. Im historischen Vergleich ist diese Entwicklung untypisch für den Immobilienmarkt, wie Daten des Beratungsunternehmens Bulwiengesa für Hamburg zeigen.

Danach verteuerten sich Eigentumswohnungen in den neunziger Jahren lediglich um neun Prozent innerhalb eines Jahrzehnts. Im Zeitraum von 1990 bis 2010 beträgt der Wertzuwachs 38 Prozent. „Krisen über viele Jahre am Immobilienmarkt sind nicht ungewöhnlich“, sagt Beck.

Wirkt die große Nachfrage nach Wohnungen nicht preisstützend?

Wer jetzt nicht kaufen kann, verstärkt die Nachfrage nach Mietwohnungen. Die Folge sind steigende Mieten. Doch Investoren halten sich zurück. „Die Mietrendite müsste sich mehr als verdoppeln, damit die Anlage in Eigentumswohnungen für Kapitalanleger wieder attraktiv wird“, sagt Experte Beck. Für Selbstnutzer rechnet sich oft die Miete eher als der Kauf, stellt die „Wirtschaftswoche“ in ihrem aktuellen Immobilienatlas fest. Für fast alle 14 Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern – Hamburg eingeschlossen – fällt das Urteil klar aus: mieten statt kaufen.

Lediglich für Bremen gibt es noch eine Kaufempfehlung. Denn bei Selbstnutzern zeichnet sich nicht ab, wie sie den Traum von denen eigenen vier Wänden finanziell jetzt noch stemmen können. Käufer benötigen mindestens einen Preisabschlag von 25 Prozent, damit sie einen Zinsanstieg von 1,0 auf 3,5 Prozent bei der Finanzierung ausgleichen können. Aktuell liegen die Bauzinsen sogar schon bei knapp vier Prozent.

Wie ist die Lage bei Neubauten?

Nach Einschätzung von Maklern und Bauträgern sind hier größere Preisabschläge unmöglich. Hohe Grundstückskosten, gestiegene Baupreise und fehlende Handwerker: Deshalb könne die Kalkulation, also der Preis, im Nachgang nicht nach unten korrigiert werden. „Große Preisanpassungen können die Bauträger von Neubauwohnungen nicht vornehmen“, sagt Andreas Arndt, Leiter des Bereichs Wohnungsverkauf beim Immobiliendienstleister JLL.

„Manche Bauträger warten mit dem Vertrieb ihrer Objekte, in der Hoffnung, dass sich die Rahmenbedingungen wieder verbessern.“ Doch das wäre nur der Fall, wenn die Zinsen für Baufinanzierungen von aktuell vier Prozent wieder deutlich sinken, oder die Kaufwilligen trotz hoher Inflation von aktuell 8,7 Prozent wieder mehr Geld in der Tasche hätten. Beides ist auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.

Makler bleiben dennoch optimistisch

Dennoch geben sich Makler optimistisch. „Wir rechnen mit einem ‚Gewöhnungseffekt‘ und einer Wiederbelebung der Nachfrage im zweiten Halbjahr“, sagt Frank Stolz, Geschäftsführer Neubau von Grossmann & Berger. „Als Makler würde ich auch so sprechen“, sagt Experte Beck. „Aber durchschnittliche Neubauobjekte – ob jetzt die Etagenwohnung oder das Reihenhaus – werden von Preisrückgängen nicht verschont werden. Wir werden wieder Insolvenzen von Bauträgern erleben.“

Der Bauträger Bonava reagierte angesichts der verschlechterten Rahmenbedingungen bei einem Neubauprojekt in Uetersen mit einer Sparedition bei der Ausstattung einiger Wohnungen, wodurch sich für die Käufer ein mittlerer fünfstelliger Betrag einsparen ließ und dafür mehr Eigenleistungen beim Ausbau erforderlich waren. Doch inzwischen wurde das wieder gekippt.

Wie werden sich Preise für ältere Immobilien entwickeln?

„Betroffen sind in im Prinzip alle Immobilien, die vor 1990 errichtet wurden“, sagt Beck. Denn ohne zwischenzeitliche Investitionen entsprechen diese Objekte nicht mehr den heutigen energetischen Erfordernissen. „Wer kauft und einzieht, muss wahrscheinlich noch 100.000 Euro investieren“, sagt Beck.

Doch bei den Preisen, die jetzt noch für ein Einfamilienhaus in normaler Lage in Hamburg verlangt werden, können sich das die wenigsten leisten, und auch die Banken werden vorsichtiger bei der Finanzierung. Beck sieht aber auch ein demografisches Problem. „Ab 2025 werden viele dieser Häuser auf den Markt kommen, und es ist offen, ob sich dafür genügend Käufer finden.“ Die Babyboomer geben die Objekte auf oder versterben, ihre Kinder sind aber in der Regel bereits mit Wohnraum ausreichend versorgt. „Mitunter wohnt nur noch eine Person in einem Haus. Diese Entwicklung hat dafür gesorgt, dass die beanspruchte Wohnfläche pro Person immer weiter gestiegen ist. Doch dieser Trend wird enden“, erwartet Beck.

In den vergangenen Jahren war die Nachfrage enorm groß

Selbst Makler räumen inzwischen hohe Preisabschläge auf unsanierte Objekte ein. Ein Einfamilienhaus aus dem Bestand mit großem Modernisierungsbedarf in Hamburg wird nach einer Prognose von Grossmann & Berger in diesem Jahr nur noch einen durchschnittlichen Verkaufspreis von 494.000 Euro erzielen. Das sind 32 Prozent weniger als noch 2021, als 728.000 Euro auf dem Preisschild standen.

„In den letzten Jahren war in den meisten Lagen die Nachfrage so groß, dass die Energieeffizienz der Immobilien bei Käufern nur eine untergeordnete Rolle spielte“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsführer bei Grossmann & Berger. „Aktuell haben wir aber einen enormen Sanierungsrückstau im Bestand, der auf Lieferengpässe, steigende Materialkosten und Handwerkermangel trifft. Vor diesem Hintergrund sind Preisabschläge für Immobilien mit großem energetischen Modernisierungsbedarf für 2022 und 2023 zusammen im Bereich von bis zu 35 Prozent zu beobachten.“

Gibt es Ausnahmen?

„Ja, aber nicht für Standardobjekte“, sagt Beck. Das frei stehende Einfamilienhaus in besonders guter Lage wird weiterhin gefragt sein, auch wenn es Modernisierungsbedarf gibt. „Die Käufergruppe der Erben spielt beim Immobilienkauf eine wichtige Rolle. Sie haben viel Eigenkapital und sind deshalb von den gestiegenen Hypothekenzinsen nicht so betroffen“, sagt Beck. Anders sieht es bei vielen Standardobjekten aus, etwa Doppel- oder Reihenhäusern. Schon prognostiziert eine Hamburger Maklerin: „Auch in Hamburg wird das Reihenhaus aus dem Bestand mittelfristig wieder für weniger als 300.000 Euro zu haben sein.“