Hamburg. Neue Studie zeigt Auswirkungen von PFAS-Chemikalien auf Kinder. Namhafte Hamburger Unternehmen ziehen nun die Konsequenzen.
Bei Globetrotter hängen die Jacken bereits getrennt voneinander: In der einen Ecke die herkömmlichen Modelle, in Schränken ein paar Meter weiter die „guten“ Produkte für das nächste Berg- oder Radfahrabenteuer. Im „grünen Bereich“ finden Kunden die Textilien ohne die sogenannten PFAS-Chemikalien, die leuchtend gelben Fahrradcapes der Marke Vaude etwa gehören zu dieser Auswahl unbedenklicher Textilien.
„Die Leute sind sensibilisiert“, sagt eine Verkäuferin mit Blick auf eine neue Debatte um möglicherweise gesundheitsschädliche Stoffe in beschichteter Kleidung. Und sie selbst wolle auch nicht, dass die Materialien miteinander in Berührung kommen, wenn sie hier dicht an dicht an den Kleiderstangen hängen, sagt die Mitarbeiterin und schiebt die Ware auseinander.
In der EU denkt man nun an ein Verbot der Chemikalien
Der Hintergrund: PFAS, das sind per- und polyfluorierte Chemikalien, haben zwar einen großen Vorteil; sie wirken wasser-, fett- und schmutzabweisend, sodass sie wie in den Regalen von Globetrotter in Funktionskleidung vorkommen. Aufgrund dieser Eigenschaften werden sie auch in zahlreichen anderen Produkten wie Kochgeschirr verarbeitet.
Doch es gibt wachsende Bedenken gegen diese Stoffe, denn sie sind nicht nur in der Natur extrem langlebig. Sie sollen auch Gesundheitsrisiken bergen. Bei einer Untersuchung des Umweltbundesamts wurden PFAS in zu hohen Mengen im Blut von Kindern und Jugendlichen gefunden. Bei bis zu einem Viertel der Jugendlichen sei die Konzentration im Körper so hoch gewesen, dass „gesundheitliche Wirkungen nicht mehr mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können“, hieß es. In der EU denkt man nun an ein Verbot der Chemikalien.
Auch Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg beschäftigt sich schon seit Jahren mit den verdächtigen Stoffen, die nicht natürlich vorkommen und seit den späten 1940ern hergestellt werden. „Das ist ein uraltes Thema, aber nun stellt sich immer mehr heraus, dass wir hier ein Problem haben“, sagt der Experte vom Fachbereich Umwelt und Produktsicherheit.
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Untersuchungen hätten gezeigt, sagt Jorde, dass sich die Chemikalien in der Leber anreicherten. Und die Analyse, bei der sie im Blut von Kindern nachgewiesen wurden, habe nun zu einer neuen Debatte geführt. Bedenklich sei etwa das Imprägnieren von Schuhen, bei dem die Teilchen, die auch in vielen Sprays vorhanden sind, eingeatmet werden könnten. Sorgen bereiten ihm auch der Abrieb von Kleidung und die Nutzung von beschichteten Pfannen, warnt der Verbraucherschützer. Er rät, auf das Imprägnieren ganz zu verzichten, und bei Kochgeschirr auf das ebenfalls PFAS enthaltene Teflon. Sonst könnten die Teilchen durch die verzehrten Lebensmittel in den Körper gelangen.
Auch bei Pappverpackungen gebe es oft eine Beschichtung, die zum Beispiel verhindere, dass diese – zum Beispiel mit Pizza befüllt – durchweiche, aber diese berge eben auch das Risiko, dass die Substanzen verschluckt werden. Für mehrere Hamburger Unternehmen bedeutet die neue Diskussion und das mögliche Verbot, ihr bestehendes Sortiment genauer unter die Lupe zu nehmen.
Tchibo testet Alternativen für Pfannen
Beim Thema Pfannen etwa ist Tchibo bereits seit längerer Zeit auf der Suche nach unschädlicher Ware: „Wir haben bereits Alternativen getestet und im Einsatz, wie zum Beispiel Keramikbeschichtungen“, sagt ein Sprecher. Bei Backgeschirr sei etwa Emaille eine weitere Option.
Bei Globetrotter ist man schon allein durch die besonders bewusst und naturnah lebende Kundschaft für das Thema empfänglich. „Die chemischen Verbindungen sind in unserem Alltag omnipräsent – ob in Kochgeschirr, Verpackungen oder auch in (Outdoor-)Textilien“, sagt Miriam Ersch-Arnolds, Sprecherin des Ausrüsters für Aktivitäten vom Wandern bis zum Extremsport. „Für uns als Einzelhandel markiert das geplante Verbot von PFAS nun den Schlusspunkt einer Entwicklung, die sich bereits seit einigen Jahren abzeichnet.“
In der gesamten Branche habe es bereits ein Umdenken gegeben, sagt Ersch-Arnolds: Die meisten Outdoor-Marken arbeiteten an Alternativen oder seien bereits PFAS-frei, wie etwa Patagonia, Vaude und Fjällräven. Auch die Eigenmarke Frilufts nutze keine PFAS-haltige Ausrüstung, sagt die Globetrotter-Sprecherin und prognostiziert: „Spätestens mit Hinblick auf das drohende Verbot werden nun alle Outdoor-Marken Alternativen entwickeln müssen. Für uns als Händler bedeutet dies, dass eventuelle Restbestände spätestens bis zum Beginn des Verbots aus dem Sortiment genommen werden.“
Auch für Tchibo sind belastete Textilien ein Thema: „Wir haben bereits 2012 begonnen, Alternativen für unsere Regenbekleidung einzusetzen“, sagt ein Sprecher des Hamburger Kaffeekonzerns, der regelmäßig wechselnde Non-Food-Sortimente in seinen eigenen Shops und in Supermärkten anbietet. Seit 2016 sei sogar die gesamte Outdoor- und Regenbekleidung frei von den fragwürdigen Chemikalien. Dabei setze Tchibo unter anderem auf die Gewebelösung Ecorepel der Schoeller Technologies AG.
Handelskonzern Otto untersagt PFAS in der Produktion
Auch beim Handelskonzern Otto wird die Diskussion offenbar ernst genommen: „Unsere zuständigen Fachbereiche arbeiten eng mit unseren Partnern in der Lieferkette zusammen, um je Produktgruppe die möglichen Einsätze von PFAS zu ermitteln. So stellen wir sicher, dass alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden“, sagt ein Sprecher des Onlinehändlers. „Und unseren Textillieferanten ist es seit Ende 2022 grundsätzlich untersagt, PFAS in der Produktion einzusetzen“, so der Sprecher.
Noch laufen die Gespräche über ein mögliches Ende für die auch „ewige Chemikalien“ genannten Stoffe. Die zuständige EU-Agentur Echa veröffentlichte aber bereits einen entsprechenden Vorschlag von fünf europäischen Ländern, darunter Deutschland, Tausende der Substanzen zu verbieten.
Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte kürzlich an, der Belastung durch diese besonders problematischen Chemikalien einen Riegel vorschieben zu wollen. Die Behörden schätzen, dass in den nächsten 30 Jahren rund 4,4 Millionen Tonnen PFAS in die Umwelt gelangen, wenn nichts dagegen unternommen wird. „Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung bauen sich PFAS in der Umwelt über sehr lange Zeiträume nicht ab“, sagte Lemke. Dies führe dazu, dass diese Chemikalien in der Natur und im menschlichen Körper auf Dauer Schäden verursachen könnten – auch Krebs.