Hamburg. Im Gespräch erklärt der Hamburger Netzwerker Uwe Jens Neumann, was er vom Women’s Club hält und wie er die digitale Stadt beurteilt.

Vor einem Vierteljahrhundert hat er zusammen mit Gruner + Jahr eine Organisation gegründet, die so etwas wie eine digitale Hanse sein will. Den Verlag gibt es in dieser Form nicht mehr, Uwe Jens Neumanns Hamburg@work ist dagegen von einem Netzwerk für Digitalschaffende zu etwas geworden, das für alle interessant ist, die ihre Unternehmen digitalisieren.

In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der Ober-Netzwerker über den informellen Verbund von Hamburgs Führungskräften, womit die sich gerade beschäftigen – und wie ein moderner Chef beziehungsweise eine moderne Chefin sein müssen.

Das sagt Uwe Jens Neumann über …

… Hamburg@work:

„Wir sind das Netzwerk der Digitalschaffenden in Hamburg, unser Motto ist: Wir bringen die richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammen. Was als eine Organisation für Multimedia-Unternehmen vor gut 25 Jahren auf eine Initiative von Gruner + Jahr begonnen hat, franst heute in alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche aus. Wir wollen die Unternehmen, die sich mit ihrer Digitalisierung und der digitalen Welt beschäftigen, miteinander vernetzen, insbesondere die Führungskräfte, den sogenannten C-Level, also Vorstände und Geschäftsführer. Sie sollen bei uns die Möglichkeit haben, sich mit anderen auszutauschen, die vor denselben Herausforderungen stehen. Das große Thema aktuell ist übrigens, wie man ein modernes Unternehmen führt, in dem es keine klaren hierarchischen Strukturen mehr gibt und auch gar nicht geben sollte.“

… die neuen Chefs und ihre neuen Fähigkeiten:

„In modernen Unternehmen zählen nicht mehr die Schulterklappen, die man hat, es zählt allein das Fachwissen – und vor allem zählt der gemeinsame Erfolg. Der beginnt im Kopf eines Chefs, der erkennt, dass es nicht seine Aufgabe ist, alles zu wissen, sondern die richtigen Menschen an den richtigen Stellen einzusetzen. Die größte Aufgabe eines Chefs ist, die unterschiedlichen Fähigkeiten seiner Kolleginnen und Kollegen so zusammenbringen, dass man die gemeinsam vereinbarten Ziele so schnell und gut wie möglich erreichen kann. Das hat viel mit Vertrauen und Loslassen-Können zu tun, zwei Fähigkeiten, die man früher bei Topmanagern gar nicht abgefragt hat.“

… Männer und Frauen in Führungspositionen:

„Viele der Business-Clubs in Hamburg geben leider nichts mehr in unser Thema rein, die Mitglieder dort sind eher älter und überwiegend männlich. Das muss heute völlig anders sein. Wir haben inzwischen einen Women’s Club, von dem ich anfangs überhaupt nicht begeistert war, weil ich die Fokussierung auf ein Gender­thema nicht gut fand. Tatsächlich ist eine großartige Organisation entstanden, an deren Treffen ich leider nicht teilnehmen darf.“

… Hamburg als digitalisierte Gesellschaft:

„Hamburg ist da nicht mehr ganz so weit vorne, weder national noch international. Die spannenden Städte sind eher Tel Aviv, Helsinki oder Lissabon, dort herrscht schon eine andere offene und spannende Kultur. Wir in Hamburg sind da eher noch etwas konservativer, die Unternehmen – auch die jungen – bleiben relativ zurückhaltend, auch in der Außendarstellung. Manchmal fehlt Hamburg ein wenig Pep.

Vor 20 Jahren war das noch anders, damals gab es eine junge, sehr dynamische Gründerszene, die leider mit dem Platzen der sogenannten Dotcom-Blase untergegangen ist. Seitdem haben wir auch an Attraktivität für junge Unternehmen verloren, die Start-up-Szene in Berlin ist wesentlich ausgeprägter. Was jetzt nicht heißt, dass die erfolgreicheren Start-ups alle nur in Berlin sind, es geht mir um die reine Anzahl der jungen, dynamischen Unternehmen, die das Bild einer Stadt nach außen prägen. Hamburg stand da mal ganz vorn, und ich hoffe, dass wir genau dort wieder hinkommen werden.“

… Geld, mit denen man Firmen nach Hamburg locken könnte, dass aber zu schwer zu bekommen ist:

„Die Politik in Hamburg ist leider nach wie so sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, Firmen finanzielle Förderung zu versprechen, wenn sie hierherziehen. Es wird in der Stadt nicht mit Geld um sich geworfen, was ich persönlich auch ganz gut finde. Aber mit anderen internationalen Städten können wir deswegen nicht mithalten. Erschwerend hinzu kommt dann, wenn es die Aussicht auf Gelder geben sollte, die deutsche Bürokratie. Wenn man als Firma ein Förderprogramm in Anspruch nimmt, muss man dafür gleich zwei, drei Mitarbeiter einstellen, die sich nur darum kümmern.“

… Chefs, die Zweifel am mobilen Arbeiten haben, weil darunter die Kreativität leide:

„Ich halte die These, dass mobiles Arbeiten der Kreativität im Unternehmen schadet, für Blödsinn. Mein allererster Job war bei IBM. Ich bin auf die Firma durch eine doppelseitige Zeitungsanzeige aufmerksam geworden, auf der ein Mann, der einen Block in der Hand hatte, vor einem Baum in einem Wald saß. Darunter stand: „Wir zahlen ihm ein kleines Vermögen dafür, dass er hier sitzen darf und denken kann.“ Das war ein Programm für Top-Führungskräfte, und IBM war es völlig egal, wo die sich aufgehalten haben. Das ist ein Bild, das mir nie aus dem Kopf gegangen ist, und dass vielleicht die beste Antwort auf die Frage gibt, ob mobiles Arbeiten der Kreativität schadet.“

Der Fragebogen: Unter dem Motto folge deinem Gefühl

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Als Kind wollte ich immer Architekt werden und habe diesen Berufswunsch erst im Gymnasium aufgegeben. Ich war schon früh fasziniert vom Bauen. Mit Lego habe ich „große“ Projekte realisiert. Meine Eltern brachten mir Lego-Steine aus Dänemark mit, als es diese in Deutschland noch gar nicht zu kaufen gab. Damals gab es von Lego noch keine kompletten Bausätze, sondern nur einzelne Steine. Das Bauen begann folglich mit einem Bild im Kopf, auf das ich hinarbeitete. Manchmal fehlten die richtigen Lego-Steine und ich musste umplanen. Ganz wie im richtigen Leben.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

In schwierigen Situation nicht hektisch werden, sondern Ruhe bewahren. Das war insbesondere ein stets vorgelebter Rat meines Vaters.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Ich habe mich noch nie auf Vorbilder fixiert. Aber es gab schon hin und wieder Menschen, die mich fasziniert haben und bei denen ich dachte, so möchte ich auch mal sein. Einer, an den ich mich besonders erinnere, ist ein Top-Manager aus meiner Zeit bei IBM, Cornelius Schulz-Wolfgramm.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Mein Klassenlehrer in der 6. Klasse Gymnasium hat meiner Mutter und mir gesagt, dass ich niemals Abitur machen werde und empfohlen, mich vom Gymnasium zu nehmen.

Der VWL-Professor, der meine Diplomarbeit betreut hat, war der Meinung, ich hätte eine große wissenschaftliche Karriere vor mir.

Mein Doktorvater hingegen war der Meinung, ich müsse erst lernen, besser Skat zu spielen, denn sonst würde ich nie promovieren können. Für ihn bedeutete „besser“, aber so zu spielen, dass er gewinnen konnte. Allein das war Grund genug, den Plan mit der Promotion aufzugeben.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute ausüben?

Ich habe mich eigentlich nie pro aktiv für irgendeinen Beruf entschieden. Selbst als Zeitsoldat hatte ich mich mehr für das Studium an der Bundeswehr-Universität in Hamburg interessiert als für den Beruf selbst. Zumindest gab es keinen festen Plan, den ich Schritt für Schritt aktiv verfolgt habe. Vielmehr ergab sich immer ein weiterer, neuer Schritt aus dem Schritt davor.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Meine Eltern, die mir eine Schulbildung im In- und Ausland ermöglicht haben. Mein Lateinlehrer, der zugleich mein Musiklehrer war, der sich entschieden hatte, mir KEINE Note in Musik zu geben, um meine Versetzung in die Oberstufe nicht zu gefährden. Und der eine oder andere Chef, zu denen letztendlich auch der ehemalige Hamburger Wirtschaftssenator Thomas Mirow gehörte.

Auf wen hören Sie?

Zu Beginn auf meine Eltern. Das hörte natürlicherweise irgendwann auf. Mittlerweile höre ich auf die Stimme in mir selbst und auf die Erfahrungen, die ich im Leben gesammelt habe. Und wenn das nicht ausreicht, gerne auf Menschen, die Erfahrungen weitergeben, die ich bis dato nicht gemacht habe. Vor wichtigen Entscheidungen konsultiere ich gerne Menschen, die mehr Wissen haben als ich.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Gelassenheit, persönliche Nähe und Freiräume.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Gefühl geben, dass sie ständig überwacht und kontrolliert werden.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Eigenverantwortung zu fördern, Fehler zuzulassen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf aktiv zu unterstützen, keine Unterschiede in der Person oder gar der kulturellen Herkunft zu machen.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Das Geld sollte ausreichen, einen moderaten Lebensstil der Familie zu finanzieren, Reisen und Bildung zu ermöglichen und die Ausbildung der Kinder. Ein wenig mehr Geld ist schön, aber macht nicht glücklicher.

Was erwarten Sie von Mitarbeitern?

Offenheit, Ehrlichkeit, Fairness, Kollegialität, sowie Erfolge und Misserfolge zu ­adressieren.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Das Wichtigste ist mir, dass die Chemie im Team stimmt und auf die Mitarbeitenden geachtet wird. Bei Führungskräften muss der Führungsstil zu meinem Führungsstil passen. Abwechslungen im Lebenslauf sind mir wichtiger als Spitzennoten. Selbstdarsteller und Streber haben bei mir wenig Chancen. Beide Seiten müssen mit einem guten Gefühl in die angestrebte Zusammenarbeit gehen können.

Duzen oder siezen Sie?

In meinem E-Mail-Abbinder steht der Hashtag #gerneperdu. Ich respektiere aber das „Sie“, so bin ich groß geworden. Ein Du ist aber auch nicht weniger respektvoll. Für mich gilt, dass beide Personen ein gutes Gefühl beim Duzen haben müssen. Ein Du schafft eher Nähe und weniger Hierarchie.

Was sind Ihre größten Stärken?

In schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren. Je schwieriger eine Situation, desto ruhiger werde ich.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Ich wäge manchmal zu lange ab und hoffe, dass sich die Situation ändert.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Ich habe das Glück, in meinem Leben ganz, ganz viele Entscheider aus Wirtschaft und Politik kennengelernt zu haben. Viele haben mich beeindruckt, andere weniger. DEN Entscheider, den ich gerne kennenlernen möchte, gibt es nicht.

Was denken Sie über Betriebsräte?

Das kommt ganz auf die Betriebsräte an. Ich sehe gerne beide Seiten und respektiere die andere Seite. Das erwarte ich auch von einem Betriebsrat. So wie ich in vielen Fällen auf der Seite der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehe, erwarte ich das auch umgekehrt.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Mich nicht nach vorne zu drängeln.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Ich achte da nicht drauf, aber Entscheider arbeiten immer mehr als nur Vollzeit. Wichtig ist dabei eine gute Work-Life-Balance und auf den eigenen Körper und die Familie zu hören.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Unterschiedlich, aber es gibt Phasen, in denen ich eindeutig zu wenig schlafe.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Wie gesagt, ich werde immer ruhiger, wenn es schwierig oder stressig wird.

Wie kommunizieren Sie?

Ich habe den Anspruch offen und umfänglich zu kommunizieren. Das bin ich meiner beruflichen und privaten Umwelt schuldig.

Wie viel Zeit verbringen Sie an ihrem Schreibtisch?

Eindeutig zu viel, ich bin viel lieber unter Menschen und spreche mit ihnen face-to-face.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Folge Deinem Gefühl mehr als dem Rat anderer Menschen, und bleibe Du selbst.

Was unterscheidet den Menschen Uwe Jens Neumann von dem Manager Uwe Jens Neumann?

Ich hoffe doch sehr, dass die Unterschiede nicht zu groß sind. Manager, die vergessen, dass sie auch nur Menschen sind, die von anderen Menschen umgeben sind, sollten besser kein Manager sein.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Bleibt gelassen, offen und fair! Achtet auf Euch und die Umwelt!