Hamburg. Eine Firma vermittelt junge Auszubildende aus Übersee an die Lübecker Bucht. Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen.

In den bekannten Jobportalen suchen Arbeitgeber an der Lübecker Bucht händeringend Personal. Das Aquarium SeaLife in Timmendorfer Strand braucht Beschäftigte für die Gastronomie, das Maritim Seehotel direkt am Meer meldet offene Stellen am Empfang und in seiner Sterneküche. Das Bayside in Scharbeutz benötigt eine Restaurantleitung. Auch dem Seeschlösschen und dem Gran BelVeder in den bekannten Küstenorten an der Ostsee fehlen Fachkräfte. Die Folgen sind für die Gäste spürbar: Viele Restaurants schließen schon um 20 Uhr oder erhöhen die Zahl der Ruhetage.

Als Folge dieser Misere wirft man in Timmendorfer Strand und Umgebung den Blick nach Übersee. Im Rahmen eines neuen Kooperationsprojektes sollen Mexikaner als Auszubildende für die Gastronomie und Hotellerie angeworben werden. In dem Schwellenland suchen vor allem junge Menschen nach Jobs, viele von ihnen leiden unter der weit verbreiteten Arbeitslosigkeit.

Personalmangel in Timmendorfer Strand: Firma vermittelt junge Leute aus Mexiko

Die Aktion namens „Trabajo Mexico-Alemania“ ist eine Initiative von Jörg Hansen, einstiger FDP-Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein, und seinem ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter Georg Willenborg. Mit ihrer neu gegründeten Firma Hansen und Willenborg Consulting (HaWiCon) wollen sie junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren aus der Stadt Puebla an Betriebe in Ostholstein vermitteln.

Drei Hotels allein in Timmendorfer Strand machen bereits mit und investieren für jeden Bewerber, der nach Deutschland kommt, 5000 Euro. Dazu gehören das Sand Lifestylehotel, das Golfresort Strandgrün und das Romantik Hotel Fuchsbau. „Mit diesen Hotels haben wir bereits eine Vorvereinbarung geschlossen“, sagte Hansen. Aber etliche weitere Arbeitgeber, auch in anderen Ferienregionen wie Amrum, seien interessiert.

Personal aus Mexiko: Bewerbungsgespräche bereits vor der Anreise

Das Geld fließt in einen Sprachkurs vor Ort in Mexiko, den Flug und ein spezielles Visum. Dieses ermöglicht den Frauen und Männern nach ihrer dreijährigen Ausbildung eine weitere Duldung in Deutschland für zwei Jahre. In Mexiko agiert die Nichtregierungsorganisation (NGO) Actuar A. C., die sich dort um Jugendliche kümmert, als Partneragentur von HaWiCon.

Actuar A. C. wirbt nicht nur in Schulen um Bewerber, sondern auch im Internet – mit Infos und Fotos vom Ostseebad. „Es haben sich bereits 40 junge Leute beworben“, berichtet Hansen von der Resonanz in Puebla, wo die Freundin von Willenborg in der Partner-NGO engagiert ist. Willenborg hatte die Kontakte geknüpft, als er in Mexiko war.

Die Bewerbungsgespräche fänden bei diesem Projekt anders als bei vielen anderen Versuchen, ausländische Kräfte anzuwerben, bereits vor der Anreise statt. Per Videokonferenz. „So können Enttäuschungen wegen falscher Erwartungen vermieden werden“, sagt Joachim Nitz, Tourismusdirektor in Timmendorfer Strand, der bei der Koordination und Vermittlung eingebunden ist.

Deutscher Gesellenbrief hat in Puebla hohen Stellenwert

Viele ähnliche Projekte, die etwa über die Agentur für Arbeit angestoßen worden seien, hätten nicht immer zum Erfolg geführt, weiß Nitz. Auf jeden Fall sei es aufwendig, überhaupt Leute zu finden, die nach Deutschland kommen wollen, egal ob aus Marokko, Mexiko oder Vietnam, sagt der Kenner der Situation in den Badeorten, denn Nitz hat früher in gleicher Funktion in Scharbeutz gearbeitet.

In diesem Fall sind die Organisatoren allerdings optimistisch: Im Partnerort Puebla gebe es etliche deutsche Unternehmen – und ein deutscher Gesellenbrief habe dort einen hohen Stellenwert. Dazu komme, lobt Nitz das Projekt, eine parallel laufende Integration der Menschen in die Gemeinden. „Dazu haben wir Feuerwehr, Sportvereine und die Kirchen ins Boot geholt.“

Auch das bringe eine Win-win-Situation, denn spätestens seit Corona suchten viele Vereine und Ehrenamtliche ebenfalls Nachwuchs. Auch Hansen betont, dass alles dafür getan werde, um den Gästen die Integration zu erleichtern. So habe sich ein spanisch sprechender Priester bereiterklärt, sich um die oft sehr gläubigen jungen Mexikaner zu kümmern, berichtet der 58-Jährige. Schließlich sei das Ziel, dass sie mindestens fünf Jahre in der Region blieben.

Personal aus Mexiko: Es gibt skeptische Stimmen

Andererseits melden sich auch Skeptiker der neuen Aktion gegen den Fachkräftemangel zu Wort: „Es gibt bereits andere Institutionen, die Angebote machen, um Köche und Restaurantfachleute aus Mexiko zu holen“, weiß Matthias Drespling vom Branchenverband Dehoga Ostholstein. Der Prozess sei mit einem nicht unerheblichen Finanzaufwand verbunden. „Daher werden die Betriebe genau schauen, ob dieses Angebot für sie infrage kommt“, sagt Drespling.

Thilo Mühl, Direktor vom Gut Immenhof in Malente, ist zwiegespalten: „Wir konnten schon viele positive Erfahrungen mit Mitarbeitern aus dem Ausland machen. Der Personalmangel in Hotellerie und Gastronomie wird uns wohl noch einige Jahre beanspruchen, deshalb freuen wir uns über Initiativen wie HaWiCon.“ Andererseits fürchtet der Chef des Reiterhotels in der Holsteinischen Schweiz die Bürokratie: „Eine leichtere Abwicklung bei den zuständigen Behörden wäre dafür aber mit Sicherheit förderlich.“

Bewerbersuche scheitert oft an fehlendem Wohnraum

Töns Haltermann, Inhaber des Bayside in Scharbeutz, könnte sich zwar vorstellen, an dem Projekt teilzunehmen. Aber: „Wir können den Bewerbern keinen Wohnraum bieten“, gibt der Hotelier zu bedenken. Daran scheitere die Suche oft. „Wir beschäftigen uns jede Woche mit dem Fachkräftemangel“, ergänzt Haltermann. Doch heute seien Wohnungen in Fahrradnähe Grundvoraussetzung, um Leute zu bekommen.

„Viele jüngere Beschäftigte, etwa die Hälfte, besitzt gar keinen Führerschein“, weiß er über seine 120 Mitarbeiter in dem Haus in bester Strandlage. Daher müsse Wohnraum in drei Kilometern Entfernung vorhanden sein, bevor er überhaupt über junge Bewerber nachdenken könne. Und genau hier gebe es in dem Badeort wie auch im benachbarten Timmendorf ebenfalls Engpässe.

Das bestätigt auch Hansen: Die Unterkünfte für die Gäste aus Übersee seien eine wichtige Grundvoraussetzung, um die Auszubildenden wirklich nach Deutschland holen zu können. Aber hier gebe es leider zu wenige Angebote in den Badeorten. „Man kann höchstens auf Ferienwohnungen ausweichen.“