Hamburg. 2022 war für die Papiere aus der Region kein gutes Jahr. Wie geht es mit Hapag-Lloyd, About You, Encavis und Co. nun weiter?

Das kann sich sehen lassen: Der Haspax, der Index der Börsenwerte aus der Metropolregion Hamburg, hat seit seinem Start im Jahr 1996 bis Ende 2022 um 418 Prozent zugelegt und damit den Deutschen Aktienindex (DAX) mit einem Plus von 390 Prozent übertroffen. Doch blickt man nur auf das vergangene Jahr, sieht die Bilanz ganz anders aus: Mit einem Minus von 24,8 Prozent schnitt der Haspax weit schlechter ab als die Standardwerte (minus 13,1 Prozent). Dabei zählen sowohl der Haspax-Spitzenreiter PNE Wind (aus Cuxhaven) als auch das Schlusslicht Hypoport (aus Lübeck) nicht zu den originär Hamburger Titeln.

Zum Jahreswechsel hier ein Blick auf die besten und schlechtesten Hamburger Börsenwerte des abgelaufenen Jahres:

Encavis

Dass ein Solar- und Windparkbetreiber im Jahr 2022 an der Börse gut abgeschnitten hat, erscheint einleuchtend – schließlich ist es für die Europäer noch viel wichtiger geworden, den Anteil der erneuerbaren Energien auszubauen. In den ersten neun Monaten kletterte der Umsatz im Jahresvergleich um rund 37 Prozent, wozu neben einer höheren Auslastung von bereits bestehenden und neuen Wind- und Solarparks auch deutlich höhere Strompreise beitrugen.

Seit Herbst belastete aber die Diskussion um die „Übergewinnsteuer“ sowie die Strompreisbremse. Das Unternehmen hat in diesem Zusammenhang bereits vorsorglich Rückstellungen in Höhe von gut 30 Millionen Euro gebildet. Unter anderem mit Verweis auf die über den Erwartungen liegenden Produktionsraten der Wind- und Solarparks von Encavis empfehlen die Analysten des Hamburger Bankhauses Berenberg die Encavis-Aktie dennoch zum Kauf und erwarten weiter steigende Gewinne in den nächsten Jahren.

Beiersdorf

Nur knapp hinter dem Kursplus von Encavis rangiert Hamburgs einziger DAX-Wert, der Nivea-Hersteller Beiersdorf, mit einem Anstieg von 16 Prozent. Ende Oktober hatte der Vorstand mitgeteilt, man erwarte für 2022 nun ein organisches Wachstum des Umsatzes von neun bis zehn Prozent. Zuvor hatte man ein Erlösplus am oberen Ende eines mittleren einstelligen Bereichs in Aussicht gestellt. Die Klebstoffsparte Tesa konnte im dritten Quartal unter anderem von einer deutlichen Erholung im Geschäft mit den Automobilherstellern profitieren.

Vor wenigen Tagen hat das Hamburger Analysehaus Warburg Research die Einstufung von Beiersdorf zwar von „Kaufen“ auf „Halten“ gesenkt, das Kursziel aber von 115 auf 117 Euro angehoben. Analyst Jörg Frey begründete das mit der zuletzt überdurchschnittlich guten Entwicklung der Aktie und fehlenden Kurstreibern. Das neue Kursziel reflektiere die Erwartung eines starken vierten Quartals des Konsumgüterkonzerns, so Frey.

TAG Immobilien

Stärkster Verlierer im Haspax ist der Wohnungsinvestor TAG Immobilien. Wie die gesamte Branche litt das Unternehmen unter dem rasanten Anstieg der Zinsen: Höhere Zinsen und die Inflation erschweren massiv das Umfeld für die stark kreditfinanzierte Immobilienbranche. Ende November hat sich die Talfahrt der Aktie von TAG Immobilien noch beschleunigt, nachdem der Vorstand den Anlegern die Dividende für 2022 strich und einen Gewinnrückgang ankündigte.

Zudem treffe man Risikovorsorge im Hinblick auf höhere Instandhaltungspreise und die stark gestiegenen Energiekosten, hieß es. Nicht zuletzt mit Blick auf den bereits kräftig gefallenen Kurs bekräftigte das Bankhaus Berenberg Ende Dezember aber die bestehende Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 11,00 Euro. Nicht sehr viel besser als TAG Immobilien ging es dem Hamburger Unternehmen Alstria Office, einem Büro- und Gewerbeimmobilieninvestor, mit einem Kursverlust von 60 Prozent.

About You

Zwar zeigt die Kurstendenz des Online-Modehändlers About You seit dem Spätherbst unter starken Schwankungen wieder aufwärts. Doch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Börsenwert des Unternehmens im vergangenen Jahr um 72 Prozent geschrumpft ist. Damit ist der Titel kürzlich aus dem Kleinwerte-Index SDAX herausgefallen. Dass auch der erheblich größere Wettbewerber Zalando ein Kursminus von immerhin knapp 55 Prozent ausweist, dürfte für die Aktionäre von About You, allen voran die Otto-Gruppe, nur ein schwacher Trost sein.

Für das Geschäftsjahr 2022/23 erwartet der Vorstand einen Betriebsverlust (Ebitda) von 120 Millionen bis 140 Millionen Euro. Im Vorjahr war ein Fehlbetrag von 95 Millionen Euro angefallen. Im Hinblick auf die Perspektiven von About You sind sich Analysten bemerkenswert uneinig. So beließ die britische Investmentbank Barclays Mitte Dezember ihre Einstufung bei „Untergewichten“ (Kursziel: 5,00 Euro) und verwies auf die schwächelnde Verbrauchernachfrage, den Inflationsdruck und die branchenweiten Überbestände. Am 4. Januar hingegen empfahl das Analysehaus Jefferies die Aktie mit einem Kursziel von 9,50 Euro zum Kauf. About You zeichne sich durch ein höheres Wachstum als die Wettbewerber aus.

Evotec

Hohe Ausgaben für den Ausbau der Produktion vor allem in den USA zehren am operativen Gewinn des Pharmaforschers. Damit hat der ehemalige Investorenliebling die Anleger zuletzt verschreckt. Analysten bleiben aber überwiegend positiv gestimmt und empfehlen die Aktie zum Kauf. Die Situation rund um die sogenannten Meilensteinzahlungen von großen Pharmakonzernen für die Auftragsforschung von Evotec dürfte sich verbessern und in der Zukunft verlässlicher werden, meinen etwa die Experten des Analysehauses Warburg Research.

HHLA und Hapag-Lloyd

Überdurchschnittliche Kursverluste von immerhin rund 40 Prozent mussten auch die beiden Unternehmen des maritimen Sektors, der Terminalbetreiber HHLA und die Containerreederei Hapag-Lloyd, hinnehmen. Der HHLA-Vorstand fürchtet, wie kürzlich bekannt wurde, dass durch Umschlagsverlust und Überkapazitäten die Wettbewerbsfähigkeit leidet, und plant ein Sparprogramm. Auch bei Hapag-Lloyd ist von einem Überangebot an Transportkapazitäten die Rede.

Glaubt man den Analysten, so dürfte es zumindest für die Aktie der Reederei Hapag-Lloyd in den kommenden Monaten nach unten gehen. Die US-Bank JPMorgan hat das Kursziel für Hapag-Lloyd Mitte Dezember von 155 auf 147 Euro gesenkt (aktuell: 187 Euro) und die Einstufung auf „untergewichten“ belassen. Analyst Samuel Bland rechnet im Logistiksektor im laufenden Jahr mit deutlich sinkenden Frachtraten. Ebenfalls negativ gestimmt ist Goldman Sachs mit einer Verkaufsempfehlung und einem prognostizierten Kurs von 130 Euro.

Bijou Brigitte

Es mag überraschen, dass ausgerechnet ein Modeschmuck-Anbieter in einem von Krisen überschatteten Jahr wie 2022 eine Top-Kursentwicklung verzeichnet – doch nur auf den ersten Blick. Denn das Unternehmen war auch 2021 noch stark von Corona-Lockdowns belastet worden. Dieser Faktor ist im zurückliegenden Jahr weggefallen. Bereits im April hatte der Vorstand die Umsatzprognose hochgesetzt.

In den ersten neun Monaten gelang es, die Erlöse gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021 um gut 52 Prozent zu steigern. Der Vorstand erwartete für 2022 einen Bruttogewinn im Bereich zwischen 20 Millionen und 35 Millionen Euro, verglichen mit 19 Millionen Euro im Jahr 2021 – in dem man allerdings von staatlichen Überbrückungshilfen in Höhe von 20,4 Millionen Euro profitierte. Fraglich ist allerdings, wie sich die im vierten Quartal 2022 kräftig gestiegene Inflation auf das Geschäft von Bijou Brigitte ausgewirkt hat.

Deutsche Euroshop

Auch der Titel mit der zweitbesten Jahresentwicklung im Haspax kommt aus dem Umfeld des Einzelhandels. Allerdings hatte in diesem Fall ein Sondereffekt erheblichen Einfluss auf den Kurs des Einkaufscenter-Investors Deutsche Euroshop: Der ECE-Chef Alexander Otto hatte im Mai zusammen mit dem Finanzinvestor Oaktree den übrigen Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreitet.

Alexander Otto war bereits vorher zu 20 Prozent an der Deutschen Euroshop beteiligt und hält gemeinsam mit Oaktree nun gut 84 Prozent der Anteile. Er beabsichtigt das Unternehmen enger an den ECE-Konzern zu binden, der ohnehin die Mehrheit der 21 Einkaufszentren der Deutschen Euroshop betreibt. Das Übernahmeangebot hatte den Kurs um mehr als 40 Prozent hochschnellen lassen.

Zudem hatte der Vorstand im November einen Anstieg des Konzernergebnisses von 46,6 Prozent in den ersten neun Monaten 2022 gemeldet, aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass der private Konsum zunehmend durch den Krieg in der Ukraine, die Energie-Krise und die deutlich steigende Inflation belastet werde.