Hamburg. Ökonom Karl-Werner Hansmann geht für 2023 von Preisrückgängen von mindestens zehn Prozent aus. Und wie geht es dann weiter?
„Hamburg in der Immobilienblase“ – so stand es im Februar 2017 auf der Titelseite des Abendblatts. Den Anlass lieferte ein Gespräch mit dem Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl-Werner Hansmann. „Schon seit Anfang 2015 sind in Hamburg alle Kriterien für eine Preisblase erfüllt“, sagte er damals – und erregte einiges Aufsehen. Es könne aber noch bis zu vier Jahre dauern, bis eine Korrektur einsetze.
Jetzt, etwas später als erwartet, ist es so weit. Aus diesem Grund sprach das Abendblatt erneut mit dem Ökonomen über seine damalige Prognose und über seine Erwartungen über den Fortgang des Preisabschwungs bei Häusern und Wohnungen.
Hamburger Abendblatt: Es ist inzwischen ziemlich eindeutig, dass in diesem Jahr die Immobilienpreise in Hamburg insgesamt sinken. Fühlen Sie sich dadurch bestätigt?
Karl-Werner Hansmann: Ich fühle mich vollständig bestätigt. Und ich bin froh, dass es tatsächlich gelungen ist, mit wissenschaftlichen Methoden eine Immobilienblase zutreffend zu prognostizieren.
Was waren denn die Anzeichen für eine Immobilienblase?
Ab 2016 haben sich die Zeitreihen der Kaufpreise und der Mieten entkoppelt. Das bedeutet, dass die Spekulation auf höhere Preise die Oberhand gewinnt über betriebswirtschaftliche Erwägungen. Die Preise sind nach oben weggelaufen. Außerdem hat sich der Abstand, wie wir sagen, hyperexponentiell vergrößert. So ist es auch zu Beginn der jeweiligen Immobilienblasen in Spanien, in den USA und in Australien gewesen. Das war für mich ein deutliches Zeichen, dass sich auch in Deutschland eine Preisblase herausbildet.
Immobilienblase in Hamburg: Ökonom Hansmann sieht sich bestätigt
Aber noch bis Anfang 2022 haben sich Häuser und Wohnungen weiter verteuert. Waren Sie seitdem zwischenzeitlich verunsichert, ob Sie sich nicht doch geirrt haben?
Ich war in der Tat mal verunsichert, weil außer der Bundesbank – und sie mit Einschränkungen – lange Zeit kaum jemand sonst zu dem gleichen Schluss gekommen ist. Und rein auf Basis von statistischen Analysen kann man nie zu 100 Prozent sicher sein. Aber als dann im vorigen Jahr, noch vor dem Ukraine-Krieg, die Energiepreis-Inflation begann, hat mich das in meiner Einschätzung bestärkt. Denn die hohen Energiepreise entziehen den Menschen Kaufkraft, was auch auf den Immobilienmarkt wirken muss. Durch den Anstieg der Inflation wiederum ist die Europäische Zentralbank aus ihrem Schlaf aufgewacht und hat ihre ultralockere Geldpolitik beendet. Spätestens da war ich mir sicher, dass der Ball in meine Richtung rollt. Allerdings hatte ich eine allmähliche Abschwächung des Immobilienmarktes angenommen. Die Nachfrage ist schneller zusammengebrochen als erwartet.
Hochpreisige Objekte könnten sich halten
Wie haben andere auf die Vorhersage einer Immobilienblase reagiert? Hat das Unmut bei Gesprächspartnern aus der Finanzwirtschaft erzeugt?
Unmut habe ich nicht zu spüren bekommen, aber man war doch sehr skeptisch. Es hieß immer, hier herrschten andere Verhältnisse als in den USA und in Spanien.
Welche Segmente des Hamburger Immobilienmarktes dürften sich noch vergleichsweise gut halten können?
Wahrscheinlich die sehr hochpreisigen Objekte, die sich Normalverdiener nicht leisten können. Darauf schlagen die Faktoren, die sonst den Immobilienmarkt belasten, etwa die gestiegenen Hypothekenzinsen, kaum durch. Die potenziellen Käufer solcher Top-Objekte kommen ja auch häufig aus dem Ausland – und sei es aus Katar.
Werden Banken nach Ihrer Einschätzung jetzt schon vorsichtiger bei der Baukreditvergabe?
Das beobachte ich schon seit einiger Zeit und bin froh darüber. Die Banken treten auf die Bremse, weil sie verhindern wollen, von der Politik eine Obergrenze für den Fremdkapitalanteil bei Immobiliengeschäften auferlegt zu bekommen. Ich fordere auch schon seit Langem, dass die Tilgungsraten deutlich oberhalb von zwei Prozent liegen müssen. Denn sonst sind nach Auslaufen der Zinsbindung womöglich erst 20 Prozent des Kredits getilgt und das Anschlussdarlehen muss dann zu deutlich höheren Zinsen, vielleicht zu sechs oder sogar sieben Prozent, abgeschlossen werden.
Wie wirkt die kräftige Inflation auf die Immobilienpreise – stützt sie die Preise oder drückt sie sie indirekt, weil die Banken ja höhere Lebenshaltungskosten und damit geringere finanzielle Spielräume ihrer Kreditkunden einkalkulieren müssen?
Einer ökonomischen Regel zufolge schützen Immobilien ja vor Inflation. Aber das gilt nur, wenn sich die Wirtschaft in einem Normalzustand mit einem allmählichen Steigen der Preise befindet. Die Inflation, die wir jetzt gerade spüren, beruht aber ganz wesentlich auf einem externen Schock – dem Ukraine-Krieg und dem daraus folgenden Gas-Lieferstopp. Damit hat der Verbraucherpreisanstieg jetzt einen dämpfenden Effekt auf den Immobilienmarkt, da der Verlust an Kaufkraft für viele Interessenten zu hoch ist.
Wie werden sich die Immobilienpreise in Hamburg im nächsten Jahr entwickeln? Ein großes Maklerunternehmen aus der Hansestadt geht ja davon aus, dass die Preise 2023 schon deutlich schwächer sinken als 2022.
Das kann ich nicht nachvollziehen. Wie Makler ja selbst einräumen, verlängern sich die Vermarktungszeiträume deutlich und die Kaufinteressenten haben nach langer Zeit wieder einen Verhandlungsspielraum. Ich sehe nicht, wie sich der Preisabschwung unter diesen Bedingungen deutlich verlangsamen soll. Ich erwarte, dass die Immobilienpreise in Hamburg im kommenden Jahr noch einmal um zehn Prozent sinken. Es können aber auch mehr als zehn Prozent sein, wenn sich die von uns erwartete Rezession verschärfen sollte.
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Welche Inflationsraten erwarten Sie für das kommende Jahr?
Viele Volkswirte prognostizieren eine deutliche Abnahme und setzen dazu auf den Basiseffekt – also darauf, dass sich die vergangenen Preisschocks nicht wiederholen und sich nach zwölf Monaten im Jahresvergleich nicht mehr auswirken. Aber man vergisst dabei die Verbraucherpsychologie: Wenn die Menschen erwarten, dass Güter eher noch teurer werden, dann kaufen sie sie lieber jetzt und heizen die Inflation damit tendenziell an. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in den ersten Monaten des nächsten Jahres Teuerungsraten von sogar 12 oder 13 Prozent sehen und der Höhepunkt erst im März erreicht wird. Im Jahresschnitt kann sich dann eine Inflationsrate von neun Prozent ergeben, nach voraussichtlich 8,5 Prozent im Jahr 2022.
Befürchten Sie Banken-Schieflagen als „Folgeschäden“ des Immobilienpreisabschwungs, so wie nach den Immobiliencrashs in anderen Ländern?
Nein, weil Immobilienkredite in Deutschland lange Zinsbindungsfristen von bis zu 20 Jahren haben, während die Zinsen in den USA variabel sind. Dadurch wird die Preisblase langsamer „entlüftet“, die Banken können sich besser darauf einstellen.
Wann können die Immobilienpreise wieder steigen?
2024 wird ein wichtiges Jahr: Wenn sich die Preise dann stabilisieren und die Risikofaktoren Ukraine-Krieg und Lieferengpässe in China schwächer werden, haben wir wahrscheinlich ein Niveau erreicht, das 2025 leichte Preissteigerungen ermöglicht. Aber vielleicht ist es 2025 noch zu früh für einen Anstieg. Auch Immobilienpreise brauchen nach einem Rutsch eine längere „Reha“.