Hamburg. Für die Chefs von Ryanair und Lufthansa sind Flugtickets zum Spottpreis abgehakt. Das Reisen per Flugzeug wird deutlich teurer.
Wer im nächsten Sommer von Hamburg nach Mallorca fliegen möchte, muss dafür relativ viel Geld einplanen. Am 1. Juni 2023 verlangen Eurowings und Condor auf ihren Homepages beispielsweise für den günstigsten Flug nach Palma jeweils 99,99 Euro. Billigflieger Ryanair möchte sogar 5 Euro mehr für das Ticket haben.
Pfingstmontag ist dann gerade seit drei Tagen vorbei, Schulferien sind in keinem norddeutschen Bundesland, es ist ein ziemlich normaler Donnerstag zu Beginn des meteorologischen Sommers. Dafür ist der Trip auf die Lieblingsinsel der Deutschen verhältnismäßig teuer – und an höhere Preise werden sich Reisende wohl gewöhnen müssen.
Billigflüge: Corona hat die Ticketpreise verändert
„Das ganze Gefüge bei den Ticketpreisen wird sich nach oben verschieben“, sagte der Hamburger Luftfahrtexperte Cord Schellenberg im Gespräch mit unserer Zeitung. Wie in allen Bereichen des Lebens in Zeiten stark steigender Inflationsraten sind auch die Fluggesellschaften von höheren Kosten betroffen. So ist das Kerosin infolge des Ukraine-Krieges teurer geworden, mit den Gewerkschaften wurden teils kräftige Lohnerhöhungen für Kabinencrew und Piloten durchgesetzt – zwei wesentliche Kostentreiber für die Airlines.
Zudem kommen branchenspezifische Sonderfaktoren. „In der Corona-Zeit sind Strecken ausgedünnt worden, Mitbewerber haben weniger Flugzeuge in der Luft und bieten weniger Sitze an. Dadurch können Airlines höhere Preise durchdrücken. Die Gelegenheit war einfach da“, sagte Schellenberg. Zudem müssten einige Fluglinien noch Kredite aus der Corona-Zeit abtragen – „und sich Speck für schlechte Zeiten anfuttern“.
Ryanair: Der Champion unter den Billigflug-Anbietern
Gerade im Preiseinstiegsbereich fallen die Sprünge nach oben auf. Die Lockangebote mit markigen Marketingsprüchen von Ryanair sind legendär. Im November 2016 weihte die irische Billigfluglinie eine neue Strecke von Fuhlsbüttel nach Brüssel mit „Schnäppchen“-Tickets für 4,99 Euro ein. In der auf Sonderangebote ausgelegten Cyber-Week versprach das Unternehmen im Herbst 2021 viele 9,99-Euro-Tickets zu beliebten europäischen Hotspots und Sommerzielen anzubieten.
Bei der in diesem Jahr nun gerade abgelaufenen Verkaufsaktion wurde der Preis für die günstigsten Tickets auf 19,99 Euro erhöht. Und als die Iren am Montag von den deutschen Flughäfen Köln/Bonn und Nürnberg neue Routen gen Kanarische Inseln ankündigten, wurde der Mindestpreis mit 29,99 Euro angegeben.
Ende der Billigtickets: "Das ist auch gut so"
Die Billigfluglinie setzt nun um, was der Chef im August angekündigt hatte. Aus seiner Sicht gebe es keine Zweifel, „dass man am unteren Ende des Marktes unsere wirklich günstigen Aktionspreise von 1 Euro, 99 Cent oder 9,99 Euro in den nächsten Jahren nicht sehen wird“, sagte Michael O’Leary der BBC. In den nächsten fünf Jahren werde der Durchschnittstarif der Airline von um die 40 Euro auf etwa 50 Euro steigen. Die Zeit der 10-Euro-Tickets sei passé.
Es ist einer der seltenen Fälle, bei denen O’Leary mit dem Konkurrenten Lufthansa auf einer Wellenlänge liegt. Deren Vorstandsvorsitzender Carsten Spohr sagte vor wenigen Tagen dem Magazin „Stern“, dass die Zeit der Ultrabilligtickets vorbei sei, und ergänzte: „Das ist auch gut so.“
Deutlicher Preisanstieg für Reisen via Flugzeug
Gleichzeitig geht damit aber auch eine Veränderung in der Branche einher. Jahrzehntelang ist die Zahl der Passagiere stetig gestiegen, die der Flüge ebenso und sind die Preise eher gesunken. Doch die Trendumkehr merkten Touristen schon in diesem Sommer, als die größtenteils geimpfte Bevölkerung nach dem tiefen Corona-Tal wieder auf Reisen ging. Das Vergleichsportal Check24 hatte für die Sommerferien 2022 die Flugpreise für die am häufigsten gebuchten Ziele mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 verglichen.
Ergebnis: Für die zehn am häufigsten gebuchten Destinationen stiegen die Preise um 44 Prozent. So lagen die durchschnittlichen Kosten für einen Hin- und Rückflug nach Spanien bei 272 Euro – mit plus 65 Prozent der höchste Anstieg. Die Beförderung per Luft nach Italien kostete 273 Euro (plus 58 Prozent) und nach Portugal 390 Euro (52 Prozent). Für den Herbst ermittelte Check24 erneut steigende Preise, und zwar um 23 Prozent im Schnitt.
Preiseinstiegsbereich der Tickets wird weiter ansteigen
Auch mit Datenmaterial des Statistischen Bundesamtes lässt sich der deutliche Preisanstieg belegen. Verglichen mit dem Basisjahr 2015 sank der Preis für Inlandsflugtickets bis 2019 um 4,3 Prozent. Zwei Jahre später waren es im Gesamtjahr 2021 11,1 Prozent mehr, die für einen Inlandsflug gezahlt werden mussten. Bei einer Betrachtung der Monatswerte fällt der Preissprung noch stärker auf. In diesem Oktober mussten 25 Prozent mehr für ein Inlandsticket gezahlt werden als im Oktober 2019. Für ein Auslandsticket kletterten die Preise im Oktober-Vergleich binnen der drei Jahre sogar um rund 30 Prozent, ergeben die Destatis-Daten.
Zumindest im Preiseinstiegsbereich dürfte sich die Entwicklung fortsetzen, so Schellenberg: „Ryanair, Wizz Air und Easyjet werden ab und an 10, 20 oder 30 Euro auf das Ticket aufschlagen. Aber sie werden weiterhin davon leben, vergleichsweise günstige Einstiegspreise zu haben – auch wenn diese ebenfalls deutlich anziehen.“
Der Luftfahrtexperte hält zum Beispiel einen Flug auf eine Kanaren-Insel für 30 Euro immer noch für sehr günstig. Schließlich seien dies lediglich rund sechs Euro pro Stunde. Die Zeiten der Kampfpreise von Ryanair und Co. sieht er als vorbei an. „Ultragünstige Angebote wird es nicht mehr geben. Das ist auch eine Übertreibung, die der Kunde nicht braucht“, sagte Schellenberg: „Schließlich hat eine Reise auch einen Wert.“
Billigflüge: „ökologisch verantwortungslos und ökonomisch unsinnig"
Lufthansa-Chef Spohr hält die gestiegenen Ticketpreise für eine Normalisierung. „Vor der Pandemie hat das riesige Über
angebot bei anderen Anbietern zu Absurditäten wie den 9-Euro-Tickets geführt“, sagte er der dpa. Inzwischen sei das Fliegen wegen des knapperen Angebots bei starker Nachfrage teurer geworden, bleibe aber erschwinglich. „60 oder 70 Euro sind aus meiner Sicht ein fairer Einstiegstarif für das, was geboten wird“, so Spohr.
Der durchschnittliche Erlös pro One-way-Ticket liege bei der Lufthansa trotzdem bei weniger als 10 Euro, 2019 verdiente der Konzern im Schnitt 8 Euro. Dem „Stern“ sagte er, Billigfliegen sei respektlos gegenüber der erbrachten Dienstleistung, jemanden sicher zum Zielort zu fliegen. Zudem sei es „ökologisch verantwortungslos und ökonomisch unsinnig, weil man nichts verdient“.
Eurowings will sein Image ändern
Der Kranich-Konzern will sich offenbar vom Billigimage lösen, das im vergangenen Bundestagswahlkampf und der Diskussion um klimaschädliche Billigflüge stark negativ belegt war. Als die Lufthansa 2015 Eurowings gründete, sollte die neue Tochter eine „innovative Qualitäts-Low-Cost-Airline“ werden. Heute bezeichnet sich Eurowings selbst als Value-Airline, also für Werte stehende Fluglinie.
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Angesichts von Servicemöglichkeiten wie Umbuchen bis 40 Minuten vor dem Abflug und der Wahl eines freien (bezahlten) Mittelsitzes sagte Airline-Chef Jens Bischof im Februar: „Eurowings ist und bleibt preiswert, aber Betonung auf ,wert‘ und nicht mit dem Stempel auf ,billig‘.“ Derzeit wirbt die Airline auf ihrer Homepage mit Preisen ab 39,99 Euro zu den schönsten Weihnachtsmärkten in Europa.
Wie lässt es sich dennoch günstig fliegen?
Wer Geld beim Reisen sparen will, muss frühzeitig planen, riet Schellenberg: „Wer günstig fliegen will, muss einen langen zeitlichen Vorlauf einplanen oder flexibel sein.“ So sollte man in Suchmaschinen für verschiedene Fluglinien genau durchspielen, was man an Zusatzleistungen wie ein zweites Handgepäckstück oder einen aufzugebenden Koffer braucht, und dann diese Endpreise miteinander vergleichen und nicht die Einstiegspreise.
Ob, wie stark und wie lange die Preise im nächsten Jahr trotz einer möglichen Rezession steigen, hängt letztlich von den Passagieren ab, so Schellenberg: „Es müssen auch genug Gäste fliegen, um die Maschinen ordentlich zu füllen und damit die höheren Preise durchsetzen zu können.“