Hamburg. Flugzeugbauer stellt drei Konzepte vor. Die Maschinen sollen mit Wasserstoff angetrieben werden. Hamburg nimmt wichtige Rolle ein.
Beim Antrittsbesuch vor Journalisten in Hamburg im November 2019 hatte Guillaume Faury eine überraschende Botschaft im Gepäck. Es sei an der Zeit, eine neue Generation sauberer Technologien zu entwickeln, sagte der neue Airbus-Chef im Hotel Atlantic: „Unser Ziel ist es, das erste CO2-emissionsarme Passagierflugzeug der Welt zu bauen.“ Bis 2035 sollte es am Himmel sein, wahrscheinlich würden die Flieger aber ganz anders aussehen als heute.
Zehn Monate später ist der Konzern bei den Vorstellungen weiter. Am Montag präsentierte er drei Konzepte für einen „grünen Flieger“. Und die Zielsetzung ist ambitionierter geworden. Nun soll das Verkehrsflugzeug emissionsfrei sein. „Dies ist ein historischer Moment für die gesamte kommerzielle Luftfahrt“, sagte Faury. Die Emissionsfreiheit soll gelingen, indem grüner Wasserstoff verwendet wird, der zuvor dank erneuerbarer Energien aus Wasser gewonnen wurde. Das setzt allerdings den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien voraus.
Airbus Codename lautet „ZEROe“
Mit jedem der Konzepte sollen verschiedene Technologien und aerodynamische Konfigurationen untersucht werden. Perspektivisch soll so der Verzicht auf fossilen Treibstoff möglich gemacht werden. „Unser Anspruch ist es, eine führende Rolle bei dieser wichtigsten Transformation zu spielen, die unsere Industrie je gesehen hat“, sagte Faury. Die schädlichen Auswirkungen des Fliegens auf das Klima sollen langfristig deutlich sinken. Unter dem Codenamen „ZEROe“ – was für null Emissionen steht – wurden drei Designentwürfe gezeigt.
Das Turbofan-Design: Die Maschine sieht dem Verkaufsschlager A320, der zu mehr als der Hälfte aus Hamburg stammt, am ähnlichsten. Die Turbofan-Variante soll 120 bis 200 Passagiere fassen und bis zu 3700 Kilometer weit fliegen. Für die A320-Familie gibt Airbus 100 bis 240 Passagiere und dank Zusatztanks bei der A321XLR-Variante eine Reichweite von 8700 Kilometern an. Geeignet wäre das Modell daher für Mittelstreckenflüge wie Hamburg–Mallorca. In den modifizierten Gasturbinentriebwerken soll statt fossilem Kerosin Wasserstoff verbrannt werden. Der gekühlte, flüssige Wasserstoff soll in Tanks mitgeführt werden, die sich im Heck befinden.
Das Turboprop-Design: Statt den heute bei größeren Flugzeugen üblichen Strahltriebwerken wird bei dieser Variante ein Propellerantrieb verwendet, wie er bei Regionalfliegern im Einsatz ist. Bis zu 100 Passagiere an Bord könnten rund 1850 Kilometer nonstop fliegen. Das Flugzeug wäre damit ideal für Kurzstrecken wie Hamburg–München.
Das „Blended-Wing Body“-Design: Das am US-Bomber B2 orientierte Design wäre die revolutionärste Veränderung zu bisherigen Verkehrsfliegern. Bis zu 200 Passagiere sollen in den sogenannten Nurflügler passen, bei dem Tragflächen und Rumpf ineinander übergehen. Die Reichweite der „fliegenden Flunder“ soll ähnlich wie beim Turbofan-Design sein. Der besonders breite Rumpf bietet verschiedene Optionen für das Kabinenlayout und die Speicherung und Verteilung des Wasserstoffs. Denn Wasserstoff hat zwar denselben Energielevel wie Kerosin und den Vorteil, nur ein Drittel des Gewichts auf die Waage zu bringen. Dafür braucht er aber das vierfache Volumen.
Einen dem Blended-Wing Body ähnlichen Demonstrator namens „Maveric“ stellte Airbus im Februar vor. Die Veränderungen für Passagiere: Wer in der Maschine am Rand sitzt, ist weiter von der Längsachse entfernt und spürt Flugmanöver stärker. Weil ein Großteil der Fluggäste im Inneren sitzt – in einer Reihe könnten laut Firmenvideo neun Sitze nebeneinandergepackt werden –, wird überlegt, ob auf Fenster verzichtet wird. Videos auf Bildschirmen könnten Sonnenauf- und -untergang sowie Wolken simulieren. Die Triebwerke sind hinter angebracht. Das könnte die Geräuschbelastung an Bord senken.
2025 soll ein Demonstrator erstmals abheben
Ob und welches dieser drei Modelle tatsächlich in die Tat umgesetzt und gebaut wird, ließ der Konzern offen. Grundsätzlich würden die Flugzeuge wohl einen längeren und/oder breiteren Rumpf erhalten, um den Wasserstoff an Bord unterzubringen. Erste Bodentests soll es im nächsten Jahr geben. 2023 soll ein Demonstrator präsentiert werden, der zwei Jahre später erstmals abheben soll.
„Diese Konzepte werden uns dabei helfen, weiter intensiv am Design und am Layout des weltweit ersten klimaneutralen, emissionsfreien Verkehrsflugzeugs zu arbeiten und es bis 2035 zur Einsatzreife zu bringen“, sagte Faury und forderte den Schulterschluss mit Industriepartnern und Regierungen.
Wirtschaftssenator Westhagemann sieht Hamburg vorn dabei
Die Unterstützung des Hamburger Senats ist Airbus wohl sicher. „Nach schneller, höher, weiter kommt grüner – Hamburg ist an Bord“, sagte Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) dem Abendblatt. Die Metropolregion leiste einen wichtigen Beitrag dazu, dass innovative Zukunftskonzepte fliegen werden. Der Politiker verwies auch auf die gute Infrastruktur mit Zulieferern und dem Branchennetzwerk Hamburg Aviation.
„Gerade bei der Energiegewinnung aus grünem Wasserstoff und der Erforschung und Entwicklung von Brennstoffzellen für den Flugzeugbetrieb – kurz: dem Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur made in Hamburg – ist Hamburg mit dem Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung maßgeblich beteiligt“, sagte Westhagemann. Die wichtige Rolle der Hansestadt betonte auch die oberste Technologie-Managerin von Airbus, Grazia Vittadini: „Hamburg ist und bleibt ein ganz wichtiger Forschungsort für uns.“
Luftfahrtexperte hält Zielmarke 2035 für „sehr sportlich“
Auf die Euphoriebremse tritt der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Bis 2035 ein Wasserstoff-betriebenes Flugzeug in der Luft zu haben sei „sehr sportlich“. Grundsätzlich dauere es rund sieben Jahre, um einen neuen Flieger zu entwickeln. Und die Wasserstoff-Technologie stehe noch am Anfang. Daher sei der Zeitplan des europäischen Konzerns sehr ambitioniert. „Die technischen Hürden sind extrem hoch“, sagte Großbongardt: „Es geht Airbus aber auch darum, nach innen zu zeigen, dass man mitten in der Corona-Krise an die Zukunft denkt.“ Airbus will wegen der Branchenkrise allein in Hamburg 2260 Stellen streichen. Die Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite, die auf den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen drängt, sind schwierig.