Hamburg. Standort eröffnet nach Umbau mit “Family World“. Wie die Chancen auf einen Weiterbetrieb stehen und wann die Entscheidung fällt.
Es ist eine der schwersten Krisen der Unternehmensgeschichte, die Patrick Erfurth gerade mit seinem Arbeitgeber durchmacht. Beobachtet man den Geschäftsführer des Galeria-Hauses im Alstertal-Einkaufszentrum dabei, wie er durch seine Filiale läuft, fällt das allerdings schwer zu glauben.
„Schauen Sie mal, wie hell und transparent es jetzt hier ist“, sagt Erfurth. Auch Verkaufsleiter Gerhard Ordczinsky zeigt sich sichtlich stolz über den großzügigen Umbau der Poppenbütteler Filiale und deutet auf die „komplett neu gestalteten“ Verkaufsflächen hin. „Wir wollen ein Haus für die ganze Familie sein“, sagt Ordczinsky. „Eines, in dem man gerne Zeit verbringt und sich inspirieren lässt.“
AEZ Hamburg: Hoffnung für Galeria-Filiale im Alstertal-Einkaufszentrum
Für den Verkaufsleiter und Erfurth ist es eine ganz besondere Zeit. Nach insgesamt fünfeinhalb Monaten Bauphase ist es seit wenigen Tagen so weit: Als erste Center-Filiale in Deutschland hat das Galeria-Haus im Alstertal-Einkaufszentrum im Rahmen einer umfangreichen Modernisierung eine sogenannte Family World erhalten, eine Art Erlebniswelt für Kinder mit Kletterwand, Legofahrzeugen und digitalen Spielelementen im Untergeschoss. Auch ein Café mit Außengastronomie und ein Reisebüro mit zwei Mitarbeitern gibt es nun.
So weit, so gut. Unter normalen Umständen wäre dies vielleicht eine Nachricht von vielen. Doch es sind keine normalen Umstände für das Unternehmen. Erst knapp drei Wochen ist es her, dass die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof Insolvenz beantragt hat. Das zweite Mal innerhalb von zwei Jahren.
Alstertal-Einkaufszentrum: Filiale wurde um gut 1000 Quadratmeter vergrößert
Mehr als 40 der bundesweit noch 131 Filialen sollen schließen, heißt es laut Galeria-Chef Miguel Müllenbach. In Hamburg fürchten deshalb 620 Mitarbeiter gerade um ihre Jobs.
Wie also geht diese Nachricht mit einer Neueröffnung zusammen? Zumal die Filiale im Alstertal mit 13.000 Quadratmetern (m) nun um gut 1000 m², 30 neue Mitarbeiter und vier neue Auszubildende größer ist als vorher, wie Geschäftsführer Erfurth sagt.
Galeria: Entscheidung über Filialnetz soll im Januar fallen
Dazu, wie es um die Wirtschaftlichkeit ihres Hauses steht, dürfen Erfurth und Ordczinsky nichts sagen. Das hat die Zentrale in Essen angeordnet. Auf Abendblatt-Anfrage heißt es von Galeria-Pressesprecher Patrick Hacker nur: „Die Entscheidung zum künftigen Filialnetz ist noch nicht gefallen. Klarheit wird es voraussichtlich im Laufe des Januars 2023 geben.“
Natürlich hoffe Galeria Karstadt Kaufhof aber, dass die Hamburgerinnen und Hamburger die neu gestaltete Filiale im Alstertal-Einkaufszentrum gut annehmen. Viele glückliche Kundinnen und Kunden seien für ein Handelshaus das beste Bekenntnis zu einem Standort.
In der AEZ-Filiale gibt es nun eine Kletterwand
Schaut man sich in der Filiale um, so macht dies zumindest den Anschein. Von der Unsicherheit, die sich gerade in den Karstadt-Häusern in Eimsbüttel und Wandsbek bemerkbar macht, ist hier nichts zu spüren.
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Ein Mädchen im Alter von etwa fünf Jahren hangelt sich an der neuen Kletterwand hoch. Ihre Mutter steht mit einem Baby daneben. Auf die Frage, ob es ihr gefalle, schreit das Mädchen laut „Ja!“ und springt herunter. „Die Kletterwand ist selbstverständlich TÜV-zertifiziert“, sagt Erfurth.
Kinder können sich an interaktiven Spiele-Elemente probieren
Blickt man zwischen die Regale, vorbei an Puppen und Lego-Bausätzen, steht dort ein Kleinkind euphorisch an einem Tisch mit einem Playmobil-Bauernhof. Vater und Oma stehen ebenso fasziniert daneben. Genauso wie der kleine Junge auf dem Polizeiauto, der gebannt auf die blinkende Lego-Polizeistation starrt.
Überall finden sich interaktive Spiele-Elemente, darunter ein digitales Aquarium an der Wand und eine digitale Autorennstrecke auf dem Boden. Selbstgemalte Fische werden hier plötzlich zum Leben erweckt, und durch Springen und Hüpfen weicht man Autos aus. „Die Family World ist ein richtiges Erlebnis für Kinder“, so Ordczinsky.
Auch Showkochen findet in der Galeria-Filiale statt
Läuft man weiter in die Küchenabteilung, vorbei an den Heimtextilien, riecht es nach gekochten Linsen. „Gerade war unser Showkoch hier, deshalb riecht es noch so lecker“, sagt Ordczinsky und geht an unzähligen Töpfen und Pfannen vorbei.
Einkaufen müsse heutzutage ein Erlebnis sein. Nur dann, so der Verkaufsleiter, haben die Kunden die Motivation, die Produkte nicht im Internet zu bestellen. „Wir bieten hier am ersten Dezemberwochenende im Übrigen ein kostenloses Kaffee-Event an“, sagt Erfurth. „Mit Barista und einem Workshop!“
AEZ: Galeria-Filiale setzt auf Stammkunden
Doch zum Erleben gehöre eben auch Beratung. Darauf setze das Haus, das vor allem von seinen Stammkunden aus dem gut situierten Einzugsgebiet im Hamburger Norden lebt, sagt Verkaufsleiter Ordczinsky: „Wir haben eine hohe Kundenbindung.“ Allein 39.000 hätten eine Kundenkarte.
Im Gegensatz zu vielen anderen Kaufhäusern, in denen Personal abgebaut wird, könne und wolle man sich das in der Filiale im Alstertal nicht leisten. Gerade die Beratung mache die „regionale Anziehungskraft“, ja das „Magnetpotenzial“ des Hauses aus.
Zur Weihnachtszeit wird das Personal im AEZ aufgestockt
Nach Abendblatt-Informationen ist die Wahrscheinlichkeit deshalb auch groß, dass das Haus erhalten bleibt. Allein im Dezember rechnet Geschäftsführer Erfurth mit bis zu 25.000 Kunden pro Tag. „Wir stocken unser Personal zur Weihnachtszeit auch noch mal mit zusätzlichen Mitarbeitenden auf.“
Auch Verkaufsleiter Ordczinsky zeigt sich optimistisch: „Ich bin mir sehr sicher, dass das hier ein Anlaufpunkt für viele Familien aus dem Hamburger Norden werden wird. Die wissen, dass man so ein Haus nicht überall findet, denn wir führen hier ein auf die regionalen Bedürfnisse abgestimmtes Produktsortiment.“
AEZ Hamburg: Hoffnung auf Weiterbetrieb der Galeria-Filiale
Und tatsächlich hat man den Eindruck, als würden Ordczinsky und Erfurth ihre Kunden persönlich kennen. Freundlich grüßen die beiden jedes Gesicht und fragen hier und da, ob alles in Ordnung ist. „Ja, uns gefällt es hier super“, sagt eine junge Mutter, die mit ihrem Sohn und ihrer Tochter zum Geburtstagsgeschenke kaufen gekommen ist.
„Wir machen das mit der Geburtstagsbox jetzt schon im dritten Jahr in Folge und ich stelle mich auf jeden Fall darauf ein, dass das hier heute etwas länger dauert“, so die Mutter und deutet auf ein Regal voller Kartons hin. Auf den Kartons kleben Zettel mit QR-Codes. „Jedes Kind kann sich hier eine Geburtstagsbox mit einer Wunschliste aufstellen. Die Freundinnen und Freunde können den QR-Code anschließend scannen und sich aussuchen, was sie dem Kind gerne schenken möchten“, erklärt Ordczinsky.
Ob und wie lange die Kinder sich ihre Geburtstagsgeschenke in der Filiale noch aussuchen können, steht heute zwar noch nicht fest. Doch es macht zumindest den Anschein, dass es auch im nächsten Jahr klappen könnte.