Hamburg. Neue Anforderungen durch Elektromobilität und Wärmepumpen erfordern hohe Investitionen. Ein Besuch im Umspannwerk Kuhwerder.
Ein Umspannwerk stellt man sich als große Freifläche mit einem Gewirr an Masten, Stromleitungen und Transformatorkästen vor. Doch nicht alle sehen so aus. Das Umspannwerk (UW) Kuhwerder mitten im Hafengebiet zum Beispiel, eines von 55 im Anlagenbestand des städtischen Betriebs Stromnetz Hamburg, befindet sich in einem unscheinbaren dreigeschossigen Backsteinbau nahe dem Kreuzfahrtterminal Steinwerder.
Benötigt wird dieses Umspannwerk, um Strom aus einer 110-Kilovolt-Hochspannungsleitung auf eine Reihe von 10-Kilovolt-Mittelspannungsnetzen in der Umgebung zu verteilen. „Versorgt werden hier vor allem Industriekunden, ab 2025 aber auch der Landstromanschluss für die Kreuzfahrtschiffe am Cruise Center Steinwerder“, sagt Nicolaus Winkelmann, Projektleiter Umspannwerke bei Stromnetz Hamburg.
Üblicherweise führen die 10-Kilovolt-Leitungen zu knapp 8000 Netzstationen, die dann rund 1,2 Millionen Haushalte und Gewerbekunden mit Niederspannung (0,4 Kilovolt) versorgen.
Hälfte der Hamburger Umspannwerke wird modernisiert
26 der 55 Umspannwerke der Firma werden derzeit modernisiert beziehungsweise erweitert, um sie für die in den nächsten Jahren steigenden Leistungsanforderungen fit zu machen: „Die ergeben sich aus dem schrittweisen Umstieg auf Elektromobilität, aus immer mehr Wärmepumpen, neuen Großverbrauchern wie den Elektrolyseuren für die Wasserstofferzeugung und – so wie hier – aus der zunehmenden Nutzung von Landstrom durch Schiffe“, erklärt Winkelmann.
In diesen Tagen werden im UW Kuhwerder ganze Reihen von neuen Schaltanlagen des Herstellers Siemens installiert. Die hellgrauen Kästen haben etwa die Größe einer Kühl-Gefrierkombination, wiegen aber pro Stück zwischen 600 und 800 Kilogramm. Sie dienen der Verteilung und Steuerung des Stroms sowie dem Überspannungsschutz. Man kann sich ihre Funktion als Verbindung aus einem Lichtschalter und einer Sicherung vorstellen – nur eben für sehr viel höhere Spannungen als im Haushalt.
Eine neue Gerätegeneration ohne Klimarisiko
Von außen unterscheidet sich so eine Schaltanlage, wie sie gerade an Stahlketten durchs Treppenhaus ins zweite Obergeschoss hochgezogen wird, nicht wesentlich von den bestehenden Schaltelementen, die im Jahr 1991 hier installiert wurden. Tatsächlich aber handelt es sich um eine technische Premiere: Stromnetz Hamburg ist einer der ersten Netzbetreiber in Deutschland, der eine neue Anlagengeneration ohne das als Isoliergas übliche Schwefelhexafluorid (SF6) einsetzt.
Zwar gelangt dieses Gas im Normalfall nicht in die Umwelt. Wegen seiner potenziell sehr klimaschädlichen Wirkung – etwa 23.000 Mal so stark wie CO2 – haben sich die Schaltanlagenhersteller Ende 2020 aber verpflichtet, darauf zu verzichten. In der Zwischenzeit wurden sogenannte luftisolierte Schaltanlagen verkauft, die jedoch deutlich mehr Platz benötigen. Das kann in Innenraum-Umspannwerken wie dem UW Kuhwerder zum Problem werden. Gasisolierte Anlagen, in denen man ab jetzt nur noch Bestandteile der normalen Umgebungsluft als Isoliermedium benutzt, sind zudem wartungsärmer.
„Bisher haben wir bei anderen Kunden erst Testanlagen installiert, um mit der neuen Technik Erfahrungen zu sammeln“, sagt Henning Schell, Projektleiter Mittelspannung bei Siemens in Hamburg. Siemens ist ein wichtiger Industriepartner von Stromnetz Hamburg, aber längst nicht der einzige. So werden in anderen Umspannwerken auch Schaltanlagen des schwedisch-schweizerischen Konzerns ABB verwendet.
Landstrom für Kreuzfahrtschiffe: Hohe Anforderungen
Im Rahmen der Modernisierung des UW Kuhwerder, der bei laufendem Betrieb erfolgt, wird die Anzahl der Schaltschränke von 34 auf 56 angehoben. Während bisher eine Leistung von zehn Megawatt abgedeckt werden kann, werden es im Sommer nächsten Jahres 26 Megawatt sein. Zum Vergleich: Das genügt, um mehr als 170.000 leistungsstarke Elektroautos gleichzeitig an Schnellladesäulen aufzuladen. Sollte allerdings die „Queen Mary 2“ den Landstromanschluss des Terminals Steinwerder nutzen, könnten allein dafür bis zu 14 Megawatt nötig werden.
„Im Hinblick auf die steigenden Leistungsanforderungen hilft es uns, dass die technischen Komponenten für die Umspannwerke immer kleiner werden“, sagt Winkelmann. So sind die neuen Schaltanlagen, die eine Lebensdauer von 40 bis 45 Jahren haben sollen, nur noch 60 Zentimeter breit, 20 Zentimeter weniger als die bisherigen.
Einschließlich kleinerer baulicher Veränderungen – wegen aktueller Hochwasserschutz-Richtlinien werden die Zu- und Abluftöffnungen höher gesetzt – gibt Stromnetz Hamburg allein für die Modernisierung des UW Kuhwerder 3,6 Millionen Euro aus.
Moorburg einer von drei Kopplungspunkten
Aber die Aufrüstung der Mittelspannungstechnik in den Umspannwerken ist nur ein Teil des umfangreichen Investitionsprogramms, das sich der stadteigene Betrieb vorgenommen hatte. So konnte in diesem Jahr unter anderem schon die Erweiterung des Netzknotenpunkts Hamburg-Süd nach fünfjähriger Bauzeit und Kosten von 40 Millionen Euro abgeschlossen werden.
Die Anlage in Moorburg ist einer der drei Kopplungspunkte von den Höchstspannungsleitungen des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz in das Hamburger Stadtnetz. Sie ist nach Angaben von Stromnetz Hamburg der größte und wichtigste der drei Kopplungspunkte, von dort aus werden mehr als ein Drittel der Hamburger Kunden im Industrie-, Gewerbe- und Haushaltsbereich versorgt. Mit dem Komplettumbau – ebenfalls im laufenden Betrieb – sei man dort nun „bestens auf den erwarteten Lastanstieg vorbereitet“, erklärte Thomas Volk, Geschäftsführer von Stromnetz Hamburg.
50Hertz investiert in Hamburgs Versorgungssicherheit
Doch auch 50Hertz investiert hohe Beträge, um Hamburg besser an das Übertragungsnetz anzubinden. Im Umspannwerk Hamburg Ost in Oststeinbek hat das Berliner Unternehmen, das mehrheitlich einer belgischen Holdinggesellschaft gehört, am Freitag zwei sogenannte Phasenschiebertransformatoren (PST) in den Probebetrieb genommen.
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Sie werden nach Angaben von 50Hertz dazu dienen, die Stromflüsse im Großraum Hamburg besser steuern zu können, wenn sich eine hohe Einspeisung von Windstrom aus dem Norden und eine mögliche Überlastung einer einzelnen Stromleitung abzeichnet. Im Frühjahr 2023 sollen zwei weitere PST hinzukommen. Das gesamte Projektvolumen beträgt etwa 110 Millionen Euro.