Hamburg. Rechenbeispiel zeigt, wie die laufenden Kosten steigen. Und ein Problem, das ohnehin häufig beklagt wird, verschärft sich noch.

Gut 13.000 reine Elektroautos waren in Hamburg zu Jahresbeginn zugelassen und bis Ende August sind noch 4350 dieser Fahrzeuge hinzugekommen. Allerdings dürfte die weitere Verbreitung solcher als vergleichsweise klimaschonend geltenden Pkw nun durch verschiedene Umstände nicht gerade erleichtert werden: Zum Jahreswechsel verringert sich der Umweltrabatt für E-Autos mit einem Listenpreis bis 40.000 Euro von bisher 9000 Euro auf 6750 Euro – aber vor allem lässt der drastisch steigende Strompreis den Betriebskostenvorteil gegenüber Verbrennern schrumpfen.

E-Autos Hamburg: Heftige Preiserhöhungen für Akku-Aufladung

Wer etwa mit einer Ladekarte von Hamburg Energie den Akku seines Elektroautos an einer Stromtankstelle in der Hansestadt oder im Umland auffüllt, musste im Mai eine heftige Preiserhöhung von 69 Prozent auf 49,90 Cent pro Kilowattstunde (kWh) hinnehmen. Der Hamburger Ökostrom-Anbieter LichtBlick hatte seine E-Auto-Tarife schon im Februar hochgesetzt, er berechnet im Preismodell „Fahrstrom Unterwegs Standard“ nun 55 Cent je kWh – eine Verteuerung um fast 31 Prozent. Und Shell Deutschland, ebenfalls mit Sitz in Hamburg, hat jüngst den kWh-Preis an den Schnellladesäulen des Unternehmens von 59 auf 64 Cent erhöht.

Zwar teilte LichtBlick-Sprecherin Anja Fricke auf Abendblatt-Anfrage mit, „derzeit“ sei keine weitere Preisveränderung des Fahrstrom-Tarifs geplant. Wie lange sich das halten lässt, ist aber unsicher – die niederländische Firma Allego, immerhin der zweitgrößte Ladepunktbetreiber in Deutschland, hat gerade zum zweiten Mal seit Januar eine Preisanpassung nach oben vorgenommen. Und ein Sprecher von Hamburg Energie erklärte: „Aufgrund der dynamischen Lage an den Strommärkten können wir aktuell keine Angaben zu künftigen Anpassungen des Elektromobilitätstarifs machen. Unsere Preisgestaltung überprüfen wir kontinuierlich.“

E-Autos: Zwei Preismodelle fürs Zuhauseladen

Auch wenn die Besitzer batterieelektrischer Fahrzeuge diese weit überwiegend zu Hause über eine sogenannte Wallbox aufladen, werden sie nach und nach von der allgemeinen Verteuerung des Stroms betroffen sein. Grundsätzlich gibt es für das Zuhauseladen üblicherweise zwei unterschiedliche Preismodelle: Die Kombi-Tarife, bei denen der Haushaltsstrom und der Ladestrom gemeinsam abgerechnet werden, und die separaten Autostromtarife.

Weil man bei den Letzteren die Kosten für einen getrennten Stromzähler tragen muss, lohnt sich das bei privater Nutzung des Pkw erst bei überdurchschnittlichen Fahrleistungen von mehr als 10.000 Kilometern im Jahr. Beide Tarifmodelle sehen in der Regel hohe Rabatte auf die Anschaffungskosten einer Wallbox vor, was die teils recht üppigen Arbeitspreise erklären dürfte.

Preislicher Vorteil von E-Autos ist eher gering

Wie sich die Verteuerung des Haushaltsstroms auf die laufenden Kosten eines E-Autos auswirkt, zeigt ein Rechenbeispiel: Bei einem Strompreis von 30 Cent/kWh, wie ihn viele Hamburger jetzt noch zahlen, und einem durchschnittlichen Verbrauch eines E-Autos von 20 kWh auf 100 Kilometer liegen die Stromkosten bei einer Jahresfahrleistung von 10.000 Kilometern bei 600 Euro. Einen Verbrauch in dieser Größenordnung hat zum Beispiel ein Volkswagen ID.3.

Ein ungefähr vergleichbarer VW Golf 8 mit Benzinmotor (VW Golf 1.5 eTSI) verbraucht laut ADAC-Test 6,1 Liter Super auf 100 Kilometer, was beim aktuellen Hamburger Durchschnittspreis von 1,87 Euro je Liter knapp 1141 Euro für ebenfalls 10.000 Kilometer ausmacht – damit hat das E-Auto einen komfortablen Kostenvorteil. Zahlt man für den Strom aber 51,58 Cent pro kWh – nach Angaben des Internet-Vergleichsportals Verivox der durchschnitt­liche Haushaltsstrompreis im September 2022 – ergibt das schon eine Jahresrechnung von knapp 1032 Euro für die Aufladungen des E-Autos. Damit ist dessen Vorteil nur noch gering.

E-Mobilität: Auch Strompreisdeckel würde nicht viel verändern

Zwar plant die Politik einen Strompreisdeckel, der nach früheren Angaben bei 30 Cent/kWh liegen könnte, aber das soll lediglich für einen „Basisverbrauch“ gelten. In diesem Zusammenhang war von 1400 kWh für einen Single-Haushalt und von 3100 kWh für eine Familie die Rede. Der zusätzliche Verbrauch für einen Elektro-Pkw, im obigen Rechenbeispiel 2000 kWh, würde also wohl kaum von dem
Deckel profitieren.

Nutzt man gar eine Schnellladesäule, etwa an einer Shell-Tankstelle, sind die Kosten pro 100 Kilometer sogar schon
höher als die des vergleichbaren Verbrenners. „Im Hinblick auf den Markthochlauf der Elektromobilität sehe ich die hohen Strompreise kritisch“, sagt der Branchenexperte Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, dem Abendblatt. „Sie könnten den Wettbewerbsvorteil der E-Autos zunichtemachen.“ Insbesondere beim Schnellladen, auf das man bei längeren Fahrten häufig angewiesen sei, bestehe dieser Vorteil schon jetzt nicht mehr. Betroffen wären vor allem Personen, die den Wagen beruflich nutzen.

E-"Die Stromkosten machen uns Sorgen"

Auch die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sieht die Gefahr, dass hohe Stromkosten die E-Mobilität in Deutschland ausbremsen. Dem Fernsehsender „Welt“ sagte sie: „Die Stromkosten machen uns Sorgen. Das wird das nächste große Thema werden.“ Schließlich sind die E-Autos für die Branche der Hoffnungsträger in einem ansonsten abermals schwachen Absatzjahr.

Zwar haben die Batteriefahrzeuge laut ADAC noch andere Vorteile gegenüber Verbrennern, zum Beispiel deutlich niedrigere Wartungskosten. Aber der Strompreis an der Wallbox oder Ladesäule habe eben große Signalwirkung, sagt Bratzel. Und ein Problem, das von E-Auto-Fahrern ohnehin schon häufig beklagt wird, verschärft sich durch die steigenden Stromkosten noch: Wer außerhalb seiner Heimatregion an der Säule eines fremden Anbieters laden muss, zahlt unter Umständen einen hohen Aufschlag gegenüber dem gewohnten Preis.

E-Autos: LichtBlick prangert Preisdiskriminierung an

Bei LichtBlick prangert man die „Preisdiskriminierung“, die sich ergeben kann, wenn jemand mit einer LichtBlick-Karte an den Säulen eines anderen Betreibers sein Auto lädt, seit Längerem immer wieder an. „Teilweise zahlen Drittanbieter wie LichtBlick für den Ladestrom doppelt so viel an die Ladesäulenbetreiber, wie diese von ihren eigenen Kundinnen und Kunden verlangen“, sagt Firmensprecherin Fricke. Das werde von den Betreibern für eine Quersubventionierung ihrer eigenen Tarife ausgenutzt.