Hamburg. Die Gründer des Hamburger Brause-Kollektivs kämpfen gegen Rassismus. Bjarne Mädel und Olli Schulz helfen, das Produkt zu bewerben.
Nett an der Bar sitzen, eine Flasche in der Hand, der Blick fällt aufs Etikett. Es ist ein kleiner Denkanstoß: „Mit Litfassbrause gegen Rassismus“, steht auf der Flasche, und neuerdings, in Zeiten des russischen Angriffskriegs, auch noch ein weiterer kleiner Aufdruck: „Fck Ptn“, mit einem unmissverständlichen Fingersymbol.
Firmengründer Christoph Sass und Fridtjof Stechmann hatten genau diesen Moment des kurzen Innehaltens im Visier, als sie 2020 ihre Limonadenmarke mit der Botschaft gegen Ausgrenzungen gründeten. Sie wurde ein Erfolg. Schon im ersten Jahr verkauften sie 30.000 Flaschen. Inzwischen rechnen sie mit 80.000 Stück pro Jahr, in den beiden Sorten „Orange + Hopfen“ sowie „Limette + Hopfen“. Bei Budni und in einigen Edeka-Märkten wird das Getränk für rund 1,69 Euro verkauft. Dazu in Bars wie dem Überquell und der Blauen Blume, häufig auch in Kieler Kneipen, weil Geschäftspartner Fridtjof Stechmann aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt kommt und an der Förde besonders viel Zeit in Klinkenputzen investiert hat.
Litfassbrause: Beide Gründer verdienen ihr Geld in einem anderen Beruf
Dabei war das gar nicht ihr Ziel: Wachstum, die Werte der Wirtschaft, die Maßstäbe des Erfolgs im kapitalistischen Sinn. „Aber wir wollten schon immer einen Beitrag leisten in der Arbeit gegen Rassismus“, sagt Christoph Sass, ein gut gelaunter Bartträger in petrolfarbenem Pullover und dunkler Hose. Beide Gründer des „Brause-Kollektivs“, so nennt sich ihre Firma, sehen sich auch nicht als Unternehmer. Sondern als Ehrenamtliche. Sie zahlen sich kein Gehalt.
Ohne weitere Beschäftigte arbeiten sie für ihre Marke, oft abends, an Wochenenden, „so wie die Handballtrainer meiner Kinder, die auch ihre Freizeit opfern“, versucht Christoph Sass einen Vergleich. Denn beide Gründer haben andere feste Jobs, Sass ist Dozent in der Erwachsenenbildung, Stechmann Coach. Natürlich werden Dienstleistungen marktgerecht bezahlt, der Designer der Etiketten für seine Kreationen, eine Produktion in Niedersachsen fürs Abfüllen, sonst aber geht es beim „Brause-Kollektiv“ eher nicht um Markt und Moneten.
Christoph Sass: "Vielleicht brauchen wir Produkte mit Haltung"
Christoph Sass sitzt auf der Gemeinschafts-Dachterrasse ein paar Stockwerke über seinem Zuhause in der Neuen Mitte Altona, in einer Oase zwischen Salbei und Salaten, und philosophiert über die Idee seiner Marke, die auch mit dem Spruch „Hopfen, Herz Haltung“ für sich wirbt. „Niemand braucht hier eine weitere Limo“, sagt der 44-Jährige, und lässt den Blick über die Hafenkräne in der Ferne schweifen, „aber vielleicht brauchen wir Produkte mit Haltung“. Also Waren, die Botschaften transportieren, eine Mission haben.
„Bei Dingen, die nicht so gut funktionieren in unserer Gesellschaft“, beschreibt der gebürtige Dithmarscher seine Überlegung. Auf keinen Fall wolle das Brause-Kollektiv dabei übersensibel agieren, und möglichst nicht Reaktionen hervorrufen nach dem Motto, „was darf ich denn überhaupt noch sagen?“.
Fünf Cent pro Flasche gehen an eine Organisation gegen Rassismus
Es gehe stattdessen darum, nicht in politischen Dimensionen von „rechts“ oder „links“ zu denken, sondern möglichst alle mitzunehmen in dem Wunsch, vor allem mit der Sprache keine Minderheiten zu verletzen. Dass sich die Zielgruppe längst nicht auf ein kleines soziales Segment beschränkt, zeigt ein Notariat an der Palmaille, das zu den Kunden der Litfassbrause gehört. Auch Prominente wie Bjarne Mädel und Olli Schulz haben sich schon öffentlich für die Marke eingesetzt, in den sozialen Medien machen der Schauspieler und der Musiker auf die Hamburger Idee aufmerksam.
Dabei geht es nicht nur um den Spruch „Aufstehen gegen Rassismus“, der auf den Flaschen aufgedruckt ist, sondern auch um finanzielle Unterstützung, um Spenden. Fünf Cent gehen für jede verkaufte Flasche an die gleichnamige Organisation (AgR - Aufstehen gegen Rassismus), die sich für Minderheiten einsetzt. Die Berliner stellen beispielsweise Workshops für mehr Zivilcourage auf die Beine. „Wie verhalte ich mich, wenn jemand im Bus rassistisch beleidigt wird?“, steht hier auf dem Lehrplan, zudem stellen sich bundesweit angeschlossene Ortsgruppen vor den Wahlen neben die Stände der AfD und informieren die Passanten mit Informationen zu den Positionen der Partei.
Sass' Familie hat eine junge Ukrainerin aufgenommen
Sass möchte die AgR unterstützen, weil sie zwar „eine kleine Organisation ist, die aber viele ehrenamtlich Aktive erreicht und ihnen zuarbeitet“. Genau deshalb, weil die AgR gegen eine Partei wirkt, die im Bundestag und in vielen Länderparlamenten sitzt, dürfte die Organisation auch keinerlei staatliche Unterstützung für ihren Einsatz bekommen, argumentiert Christoph Sass.
Einsatz zeigt übrigens auch der Gründer selbst. Seine Familie hat eine junge Ukrainerin aufgenommen, sie ist allein in Deutschland. Die beiden Kinder sind für den Gast wieder in ein Zimmer zusammengezogen, Sass organisiert zudem Hilfe beim Studium und bei der Bürokratie für die 18-Jährige.
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Litfassbrause: Hopfen ersetzt einen Teil des Zuckers
Nicht nur die Gründer und die Firmengeschichte sind beim Brause-Kollektiv etwas anders als bei anderen Unternehmen, auch das Produkt: Hopfen ersetzt als Geschmacksträger einen Teil des Zuckers. Da das Getränk wenig süß ist, darf es sich nicht Limonade nennen, daher der Name Litfassbrause. Die Wortkreation spielt auf die Funktion des Bekanntmachens wie bei einer Litfasssäule an und auch auf die Fassbrause, also ein alkoholfreies Brauprodukt.
Ab sofort sind die Zutaten der Litfassbrause derweil bio-zertifiziert. Ein schwieriges Unterfangen, erzählt Sass, denn so ungewöhnliche Zutaten wie Bio-Limettenkonzentrat seien in kleinen Mengen kaum zu bekommen. Nach einigem Experimentieren zusammen mit Profis aus der Lebensmittelherstellung von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Lemgo seien sie aber dann doch auf den grünen Zweig gekommen.
Zudem sei die Rezeptur der Orangenbrause noch einmal verbessert worden, wirbt Sass für sein Produkt. Und betont auch, obgleich bei ihm weder Werte wie Wachstum noch Gewinn eine Rolle spielten, dass alle Gastronomen oder Eventlocations gerne für ein paar Flaschenmuster bei ihm anklingeln und seine Produkte dann vertreiben dürften.