Hamburg. Die Europäer verfolgen eine andere Strategie als die Konkurrenz aus den USA. Beide Wege bringen eigene Probleme mit sich.
Aus der Sicht von Reisenden hat der Luftverkehr gerade ein massives Verlässlichkeitsproblem. Flüge werden kurzfristig gestrichen, Koffer kommen nicht wie gewünscht am Zielort an – und die Schlangen vor den Sicherheitskontrollen sind manchmal so lang, dass Passagiere ihren Flug verpassen. Solche Auswirkungen des Personalmangels sind derzeit auch am Hamburger Flughafen zu beobachten.
Bei allen diesen alltäglichen Problemen gerät eines jedoch leicht in Vergessenheit: Die größte Herausforderung der Branche ist langfristiger Natur und liegt darin, deutlich klimaverträglicher als heute zu werden. Schließlich hat sich der Weltverband der Fluggesellschaften (Iata) selbst das Ziel gesetzt, bis 2050 die CO2-Emissionen des Luftverkehrs auf null zu reduzieren. Für die Luftfahrt sei das „eine mutige und kühne Zusage“, erklärte Iata-Generaldirektor Willie Walsh, „aber es ist auch eine Notwendigkeit“.
Airbus und Boeing verfolgen unterschiedliche Strategien beim Klimaschutz
Es fällt allerdings auf, dass die beiden führenden Flugzeughersteller Airbus und Boeing offenbar unterschiedliche Strategien verfolgen, um den Airlines die Erreichung dieses Ziels zu ermöglichen. So haben die Europäer angekündigt, bis zum Jahr 2035 ein Flugzeug zu entwickeln, das mit klimaneutral erzeugtem Wasserstoff betrieben wird; eine solche Maschine könnte dann auch im Werk auf Finkenwerder gebaut werden. Vor wenigen Tagen teilte Airbus auf der Luftfahrtmesse im britischen Farnborough mit, das Unternehmen sei einem milliardenschweren Fonds beigetreten, der viel Geld in den Aufbau der Produktion von „grünem“ Wasserstoff investiert.
Zudem vereinbarte Airbus gemeinsam mit mehreren Fluggesellschaften, darunter die Lufthansa, Easyjet und Air France, die Entwicklung eines Verfahrens zu unterstützen, bei dem das klimaschädliche Gas CO2 mittels Hochleistungsventilatoren am Boden direkt aus der Luft gefiltert und dann unterirdisch sicher gelagert werden soll – denn die Luftfahrtindustrie könne die CO2-Emissionen ja nicht „an der Quelle abfangen“, hieß es von Airbus.
Boeing setzt auf Kerosin aus Biomasse
Boeing hingegen gab ebenfalls in Farnborough eine Kooperation mit dem Washingtoner Unternehmen Alder Fuels bekannt, das aus Waldabfällen und anderer Biomasse nachhaltigen Flugzeugtreibstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) in großem Stil herstellen will. Der US-Flugzeugbauer setzt auf diese Technologie und investiert nach eigenen Angaben massiv in sie, weil dies nach Auffassung von Boeing-Chef Dave Calhoun „die sicherste und messbarste Lösung zur Verringerung der CO2-Emissionen aus der Luftfahrt in den nächsten 20 bis 30 Jahren“ ist.
Sie hat zudem den Vorteil, dass praktisch keine Änderungen an Flugzeugen und Flughäfen nötig sind. Zwar beschäftigen sich auch Boeing-Ingenieure mit dem Wasserstoffantrieb. „Wir wollen aber nicht die Erwartung wecken, dass dies die Lösung ist, solange wir nicht überzeugt sind, dass sie es ist“, sagte Mike Sinnett, der Entwicklungschef des Flugzeugherstellers.
Airbus plant mit Wasserstoff: Das sind die Probleme
Klar ist: Wasserstoff kann kurzfristig nicht dazu beitragen, das Klimaproblem der Branche zu verringern. Und selbst die verbleibenden 28 Jahre bis 2050 sind in der Luftfahrt keine sehr lange Zeit: Üblicherweise wird ein Flugzeugtyp rund 20 Jahre lang ohne grundlegende Änderungen produziert, die Maschinen stehen dann für 20 bis 25 Jahre bei den Airlines im Einsatz. Einschließlich der Entwicklungszeit von acht bis zehn Jahren überspannt der gesamte Produktzyklus somit rund 50 Jahre.
Zudem ist der Wasserstoffantrieb für Langstreckenflugzeuge nicht gut geeignet, weil die für diesen Treibstoff benötigten Tanks deutlich größer und schwerer sind als vergleichbare für Kerosin. Darum setzt auch Airbus parallel zum Wasserstoff auf SAF und nutzt ihn bereits heute im eigenen Flugbetrieb: In Hamburg werden die meisten der firmeneigenen Beluga-Jets für den Transport von großen Flugzeugteilen mit einem SAF-Anteil von 18 Prozent betankt.
Bis zum Jahr 2026 soll eine Wasserstoffproduktion im Hafen in Betrieb gehen
Allerdings ist dieser klimaschonendere Kraftstoff derzeit noch viel zu knapp – die Produktion entspricht erst 0,1 Prozent des weltweiten Flugtreibstoffbedarfs – und entsprechend teuer. Nach Iata-Angaben kostet er derzeit zwei- bis viermal so viel wie Kerosin. Mehrere große Fluggesellschaften haben aber eine Erklärung unterzeichnet, bis 2030 einen SAF-Anteil von zehn Prozent ihres Treibstoffverbrauchs anzustreben. Und gerade erst in der vergangenen Woche haben Shell und die Lufthansa eine Absichtserklärung über die Lieferung von insgesamt 1,8 Millionen Tonnen SAF in den Jahren 2024 bis 2030 unterschrieben.
Zum Vergleich: Allein im Jahr 2021 verbrauchte die Lufthansa gut 4,3 Millionen Tonnen Kerosin. Doch ganz gleich ob Wasserstoff oder SAF, Hamburg engagiert sich bei beiden Technologien. Bis zum Jahr 2026 soll eine Wasserstoffproduktion im Hafen in Betrieb gehen und im gleichen Jahr wollen vier große Unternehmen in der Hansestadt eine Anlage in Betrieb nehmen, in der pro Jahr 10.000 Tonnen klimaneutralen synthetischen Flugzeugtreibstoffs hergestellt werden können.
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Airbus und Boeing: Viele Airlines beschließen eigene Klimavorhaben
Zwar startete die Flugbranche schon Anfang 2021 ein „globales Klimaschutzinstrument“ namens Corsia, das von der Icao, der Luftfahrtorganisation der Vereinten Nationen, entwickelt wurde. Es sieht vor, CO2-Emissionen des Luftverkehrs durch die Finanzierung von Klimaschutzaktivitäten in Entwicklungs- und Schwellenländern wie etwa Waldschutzprojekte oder den Bau von Wasserkraftwerken zu kompensieren. Aber Corsia hat schwere Mängel. So machen bedeutende Staaten wie China, Indien, Brasilien und Russland dabei nicht mit und Inlandsflüge sind bei dem Programm ausgeklammert.
Für den Hamburger Luftverkehrsexperten Cord Schellenberg liegt es auf der Hand, warum viele Airlines jetzt über Corsia hinaus eigene Klimavorhaben beschließen: „Man möchte den Beschäftigten signalisieren, zu den Vorreitern in der Branche zu gehören, und man möchte natürlich auch in der Öffentlichkeit mit den eigenen Aktivitäten punkten.“ Gute Gründe, das ramponierte Image verbessern zu wollen, haben die Fluggesellschaften derzeit jedenfalls genug.