Hamburg. Fast 77.000 Jobsuchende in Hamburg. Zeigt sich nur eine Sommerdelle oder drohen steigende Erwerbslosenzahlen?

Bereits seit Juni läuft es nicht mehr richtig rund am Hamburger Arbeitsmarkt. Den zweiten Monat in Folge nimmt die Arbeitslosigkeit im Monatsvergleich zu und der Abbau der Erwerbslosen im Jahresvergleich fällt immer geringer aus. So steigt die Zahl der Arbeitslosen im Juli in Hamburg im Vergleich zum Vormonat um 4224 Personen auf 76.909. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,1 Prozent, was einem Anstieg von 0,4 Prozentpunkten entspricht.

Im Vergleich mit dem Vorjahresmonat sinkt die Zahl der Erwerbslosen zwar noch, aber hier nimmt die Dynamik ab. Lag der Rückgang im Juni noch bei rund 9600 Personen, so sind es in diesem Monat nur noch rund 5100 Erwerbslose. Noch im Mai 2022 wurde gefeiert, dass die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit zwei Jahren wieder unter die Marke von 70.000 gesunken ist.

Hamburger Arbeitsmarkt: mehr arbeitslose Jugendliche

Seit Mai gibt es also fast 7000 Arbeitslose mehr in der Hansestadt. Doch von Krisenstimmung will Reinhold Wellen, Operativer Geschäftsführer der Arbeitsagentur, nichts sprechen. „Zunächst einmal sehen wir typische Sommereffekte in der Arbeitsmarktstatistik“, sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt. „In der Ferienzeit werden Neueinstellungen zurückgestellt. Es gibt eine höhere Arbeitslosigkeit bei Jüngeren, die ihre Ausbildung beendet haben und nicht übernommen wurden.“ Das sei aber häufig nur eine Sache von ein bis zwei Monaten, bis sie wieder eine neue Stelle gefunden haben. So stieg die Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährugen überproportional um 17 Prozent auf 6072 Erwerbslose in dieser Gruppe.

Der größte Anstieg der Arbeitslosigkeit geht auf Ukrainerinnen zurück, die jetzt vom Jobcenter betreut werden und so auch in die Arbeitslosenstatistik aufrücken. „Wir sehen das aber nicht als Belastung, denn sehr viele von ihnen wollen sich schnell in den Arbeitsmarkt integrieren“, sagt Wellen. „Mit ihnen können wir den demografischen Wandel begegnen.“ Bisher sind rund 2000 Ukrainer in Hamburg sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Doch vor der Arbeitsaufnahme stehen Sprachkurse, die mindestens ein halbes Jahr dauern.

Mehr als eine Million Arbeitnehmer – Stellenrekord in Hamburg

Risikofaktoren aus dem Ukraine-Krieg, Gasmangel und gestörte Lieferketten zeigen sich bisher nach Wellens Einschätzung noch nicht am Hamburger Arbeitsmarkt. „Weder beim Insolvenzgeld noch bei der Kurzarbeit gibt es dafür bisher Anzeichen“, sagt Wellen. Der Hamburger Arbeitsmarkt sei nach wie vor sehr robust.

Das macht er vor allem an der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten fest. Mit 1.036.200 Arbeitnehmern gibt es einen neuen Beschäftigungsrekord in der Hansestadt. „Innerhalb eines Jahres sind fast 27.000 neue Stellen entstanden“, sagt Wellen. Mit dem prozentualen Zuwachs von 2,7 Prozent liegt Hamburg über dem Bundesdurchschnitt von zwei Prozent. Allein im Bereich der technischen Dienstleistungen entstanden innerhalb eines Jahres 7200 neue Jobs. Die Gastronomie baute 3200 neue Stellen auf.

Inzwischen gibt es keine Branche mehr mit einer negativen Arbeitsplatzbilanz. Das nährt die Hoffnung, dass die steigenden Arbeitslosenzahlen doch nur Ausdruck eine Sommerdelle sind. Denn auch bei den offenen Stellen der Arbeitsagentur zeichnet sich ein Zuwachs von fast 20 Prozent im Jahresvergleich ab. Insgesamt gibt es fast 14.000 unbesetzte Stellen. Über 80 Prozent der Stellen sind für Fach- und Führungskräfte ausgeschrieben. Die nächsten Monate werden es zeigen, in welche Richtung sich der Arbeitsmarkt bewegt.