Berlin. Mit jedem Tier machen sie 40 Euro Verlust: Viele Schweinebauern stehen vor dem Ruin. Wer oder was hilft den Landwirten aus der Krise?

Erst brach durch die Afrikanische Schweinepest der Export ein. Dann kam Corona, mit geschlossenen Restaurants und Kantinen sank die Nachfrage weiter. Geschlossene Schlachthöfe sorgten für einen „Schweinestau“. Und jetzt treibt auch noch die Inflation die Preise für Futtermittel in die Höhe.

Die Schweinebauern und -bäuerinnen erleben eine Krise nach der anderen. Viele von ihnen stehen inzwischen mit dem Rücken zur Wand. Mit jedem Tier machten sie 30 bis 50 Euro Verlust, beklagte Bauernpräsident Joachim Rukwied kürzlich.

Die Folge ist ein drastisches Höfesterben. Allein im vergangenen Jahr hat jeder elfte Schweinehalter aufgegeben. Ende 2021 gab es laut Statistischem Bundesamt noch 18.800 Betriebe in Deutschland. Zehn Jahre zuvor waren es noch 30.900. Dichtgemacht haben vor allem kleinere Höfe – die Zahl der gehaltenen Schweine ist im selben Zeitraum nur um 3,8 Millionen auf 23,6 Millionen gesunken.

Hofsterben: Diesen Vorschlag macht Deutschlands größter Ferkelzüchter

„In der Schweinehaltung erleben wir durch den Einbruch der Erzeugerpreise und den sinkenden Fleischkonsum ein Massensterben von Kleinbetrieben“, sagt Thomas Strehl. „Größere trifft es auch, aber etwas weniger schnell.“ Strehl ist eine Größe in der deutschen Schweinebranche. Seine Firma, die LFD Holding, ist Deutschlands größte Ferkelzucht.

Strehl hat einen Plan entwickelt, mit dem sich die Überkapazitäten in den Ställen aus seiner Sicht geordnet abbauen lassen. „Mit einem staatlich subventionierten Abbau- und Ausstiegsprogramm könnten wir aus der Krise etwas Positives schaffen“, sagt Strehl unserer Redaktion.

Kern seines Vorschlags: Nach dem Vorbild der Niederlande könnte der Bund Betrieben eine Prämie zahlen, die Stallplätze reduzieren oder aus der Haltung aussteigen. Der Abbau von 10 bis 20 Prozent der Stallplätze würde 600 bis 800 Millionen Euro kosten, hat er ausrechnen lassen.

CO2-Effekt so groß wie bei Tempolimit auf der Autobahn

Sicherlich nicht ganz uneigennützig: Der Investor aus der Schweiz hat die LFD mit 18 Ställen in Ostdeutschland und einem in Bayern 2020 übernommen. Jährliche Produktion: 1,5 Millionen Ferkel. „Bei Ferkeln haben wir in Deutschland eine drastische Überproduktion von 115 bis 120 Prozent des Bedarfs“, so Strehl.

Mit einer staatlichen Prämie ließen sich nicht nur Überkapazitäten abbauen, sagt er. In den Ställen würden Flächen für mehr Tierwohl frei. Der Bedarf an Futtermitteln sinke deutlich. Eine Million Hektar Ackerfläche werde frei. „Der Effekt auf den CO2-Ausstoß der Schweinehaltung – 2,5 Millionen Tonnen weniger Kohlendioxid im Jahr – ist so groß wie bei einem Tempolimit auf der Autobahn“, erklärt Strehl.

Die Gefahr, dass Züchter ihre Ställe in Deutschland staatlich subventioniert verkleinern und stattdessen Ferkel importiert werden, sieht er „eher nicht“.

Schweinehalter verfolgen einen anderen Plan

Strehl weiß, dass er mit seinem Vorschlag nicht unbedingt für die Mehrheit der Bauern spricht. „Aber es wäre ein zielführender Weg, schnell viele Probleme ohne soziale Härten zu lösen“, meint er.

Tatsächlich verfolgt die Branche andere Konzepte. „Natürlich sucht jeder nach Lösungen – eine reine Ausstiegsprämie bringt diese aber nicht“, sagt der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), Torsten Staack. Der Vorschlag zeige vor allem eines: „die Dramatik der wirtschaftlichen Lage, in der sich die deutschen Schweinehalter befinden“, so Staack.

Dem Verbandschef zufolge hinke der Vergleich mit den Niederlanden: Dort sei die Ausstiegsprämie nur möglich gewesen, weil es eine Art Produktionsquote gebe. Zudem müssten die Betriebe komplett aus der Schweinehaltung aussteigen und Ställe abreißen.

Für Deutschland sei das kein guter Plan: „Wir sprechen uns daher für eine Umstrukturierungsprämie aus, die auch Ausstiegselemente enthalten kann, die aber gerade die Schweinehalter unterstützt, die zukünftig noch aktiv Schweinehaltung betreiben wollen.“

Vor allem kleine Höfe können kurzfristig aufgeben

Dass innerhalb von zehn Jahren schon die Hälfte aller Sauenhalter aufgegeben hat, sollte der Politik zu denken geben, sagt er. „Gerade in diesen Zeiten, in denen wir viel über Eigenversorgung reden, ist das ein zentrales Argument.“ Nach einer ISN-Umfrage könnte in den nächsten zehn Jahren noch einmal jeder zweite Betrieb aufgeben. Vor allem kleine Höfe könnten auch kurzfristig dichtmachen.

Auch die Bundespolitik verfolgt andere Lösungswege für die Schweinekrise. „Die Notwendigkeit zur deutlichen Reduktion der Tierzahlen ist mittlerweile Konsens von Politik und Landwirtschaft“, sagt die frühere Bundesagrarministerin Renate Künast (Grüne). Heute leitet sie die Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der Grünen im Bundestag.

Nur mit weniger Tierhaltung ließen sich Klimakrise und Artensterben aufhalten. „Es wäre aber falsch, Hunderte Millionen Euro Steuermittel an Konzerne zu zahlen, deren Geschäftsmodell nicht mehr tragfähig ist, weil ebendiese Betriebe auf den ständigen Ausbau der Massentierhaltung gesetzt haben“, erklärt sie.

Konzerne wie die LFD hätten jahrzehntelang Steuergelder kassiert. „Jetzt, da das Geschäftsmodell zusammenbricht, wird noch ein goldener Handschlag eingefordert.“

Die Politik müsse langfristig tragfähige Strukturen entwickeln, so Künast: „Die begrenzten finanziellen Spielräume werden daher dafür genutzt werden müssen, gezielt bäuerliche Betriebe zu unterstützen, die Tiere zu höchsten Tierschutzstandards halten wollen.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.