Tangstedt. Pumpwerk statt Klärwerk: So will die kleine Gemeinde am Hamburger Rand die Alster schonen.

Und so beginnt es. Die Anzeige der Schaltzentrale springt auf Grün, währenddessen grollt es leise im Untergrund. Sobald die Abdeckung aufgeklappt wird, kommt ein unangenehmer Geruch dazu. Es ist das Abwasser der Gemeinde Tangstedt, das hier durchfließt. Am Fahrenhorster Weg, wo sich bisher die Kläranlage des Ortes befindet, hat der kommunale Entsorger Hamburg Wasser ein neues Pumpwerk in Betrieb genommen. „Das Wasser geht über 25 Kilometer, über verschiedene Sielanlagen und Sammelstellen, in unser Klärwerk im Hamburger Hafen“, sagt Arnd Wendland, Leiter der Werke von Hamburg Wasser.

Das Wasser ist knapp einen Tag unterwegs

Das dauert einen knappen Tag. Die Rohrleitungen funktionieren über Gefälle. Die Technik ist leistungsstark. Vier Pumpen stehen zur Verfügung, 200 Kubikmeter können pro Stunde gefördert werden, pro Sekunde können es bis zu 45 Liter sein. Angeschlossen sind Haushalte von den Einwohnern der Ortsteile Wilstedt, Wilstedt-Siedlung und Wilstedt. Für Wiemerskamp, Wulksfelde, Ehlersberg und Rade gibt es schon seit 2018 ein separates Pumpwerk. Jetzt werden beide Leitungen an der Bundesstraße 432 zusammengeführt.

Die Schmutzwassergebühren in Tangstedt liegen bei 3,25 Euro pro Kubikmeter.
Die Schmutzwassergebühren in Tangstedt liegen bei 3,25 Euro pro Kubikmeter. © Christopher Herbst | Christopher Herbst

„Die Gemeinde hatte sich 2016 dazu entschlossen, das Thema Abwasser in die Hände von Hamburg Wasser zu geben“, so Bürgermeister Jürgen Lamp (CDU). Das Unternehmen ist in der Region vielerorts tätig, so auch in Nahe, Itzstedt und Kayhude. Die hoheitliche Übernahme umfasste damals die Kläranlagen in Tangstedt und Rade, 60 Kilometer Schmutz- und Regenwasserkanäle sowie sechs Kilometer Druckleitungen. Die Schmutzwassergebühren sind moderat geblieben, sie liegen derzeit bei 3,25 Euro pro Kubikmeter. Für die Abwasserbeseitigung gibt es einen Beirat mit Vertretern der politischen Fraktionen.

Ein Klärwerk-Neubau wäre zu teuer gewesen

Zuvor waren mehrere Varianten für die Abwasserentsorgung geprüft worden. Eine Alternative: Die Sanierung des bestehenden Klärwerks. Im laufenden Betrieb wäre hierfür ein Neubau auf einem angrenzenden Grundstück nötig gewesen – mit vergleichsweise höheren Kosten.

„Unser Klärwerk wurde 1979 gebaut. Es war sehr modern, eines der modernsten in Deutschland damals“, sagt Jürgen Lamp. Doch Nostalgie war hier nicht ausschlaggebend. Mehrere Gründe sprachen für die nun umgesetzte Lösung. „Für die Gemeinde besteht Entsorgungssicherheit“, sagt Arnd Wendland. Und am Köhlbrandhöft im Hafen, wo täglich 350.000 Kubikmeter landen, ist die Behandlung des Abwassers weitaus nachhaltiger. In zehn eiförmigen Faulbehältern wird aus Klärschlamm Faulgas gewonnen. Das geschieht unter anaeroben Bedingungen, sodass Bakterien bei Luftabschluss das organische Material zersetzen. 95.000 Kubikmeter Faulgas entstehen täglich laut Hamburg Wasser. Über einen Generator wird dieses in Strom umgewandelt oder als Biomethan in das städtische Netz eingespeist. Dazu hat das Klärwerk drei eigene Windkrafträder und 1300 Quadratmeter Photovoltaik.

In Tangstedt profitiert die Umwelt

Auch vor Ort in Tangstedt hat die Umstellung positive Auswirkungen auf die Umwelt. „Was wir jetzt tun, bedeutet, dass wir den Oberlauf der Alster entlasten“, erklärt Wendland. Denn bisher wurde das geklärte Abwasser dorthin geleitet. „Bei der Vielzahl an Schmutzstoffen in unserem Abwasser steigen die Anforderungen an die Reinigungsleistung der Klärwerke. 2029 kommt die Verpflichtung zum Phosphor-Recycling dazu. Mit der Abwasserüberleitung nach Hamburg halten wir die Vorgaben sicher ein. Wir schützen zusammen mit der Gemeinde Tangstedt gemeinsame Gewässer wie die Alster und reduzieren die spezifischen Kosten für die Abwasserreinigung.“ Er nennt das Stichwort „Eutrophierung“, also die Anlagerung fremder Nährstoffe. Auch im Fokus: „Spurenstoffe aus dem Haushalt, Reinigungsmittel, Mikroplastik.“

Arne Wendland (Leiter der Werke von Hamburg Wasser, l.) und Bürgermeister Jürgen Lamp in der Schaltstation am Fahrenhorster Weg.
Arne Wendland (Leiter der Werke von Hamburg Wasser, l.) und Bürgermeister Jürgen Lamp in der Schaltstation am Fahrenhorster Weg. © Christopher Herbst | Christopher Herbst

Klaus Dantzer hat als Ingenieur für Hamburg Wasser das Pumpwerk mit seinem Team gebaut. Seit 40 Jahren ist er für derartige Projekte zuständig. „Wir haben einen hohen Automatisierungsgrad.“ 24 Stunden wird die Anlage überwacht, bei Störungen kann sofort eingegriffen werden. „Wir haben zwei Hauptpumpen, die andere ist zu 100 Prozent Reserve.“ Die ehemaligen Klärbecken werden als Stauraum dienen, können bis zu einen Tag lang einen Puffer schaffen. Etwa, wenn auf dem weiteren Fließweg wie beim Pumpwerk in Duvenstedt ein Problem auftritt. Oder bei Extremwetter: „Bei Starkregenereignissen haben wir 50 Liter pro Stunde Zulauf von Oberflächenwasser.“

Tangstedt hat ein „Feuchttuch-Problem“

Oftmals sind die Gründe für verstopfte Druckleitungen aber sogar profan. „In Tangstedt haben wir ein Feuchttuch-Problem.“ Warum, das könne er sich auch nicht erklären. Es kam in der Vergangenheit vor, dass Leitungen zwei- bis dreimal wöchentlich freigeräumt werden mussten. Grundsätzlich gehören Feuchttücher in den Restmüll, dürfen keinesfalls die Toilette heruntergespült werden. Vorbeugend könnte man hier auch noch einmal mit Informationen auf die Bürgerinnen und Bürger zugehen, vielleicht auch in Kitas und an die Grundschule – aber Hamburg Wasser wirbt auch dafür, dass die Industrie auf Sicht verstärkt Produkte herstellt, die das Wasser erst gar nicht derartig belasten.