Hamburg. Umweltverbände sprechen von Greenwashing. Johannes Scharnberg, Politik-, Umwelt- und Kommunikationschef des Flughafens, im Gespräch.

Der Hamburger Flughafen verkündete im März stolz, der erste große Verkehrsflughafen Deutschlands zu sein, der es geschafft hat, CO2-neutral zu wirtschaften. Die Verkündung stieß bei den Umweltverbänden BUND und Nabu auf heftige Kritik. Im Abendblatt-Podcast „Check-in“ stellt sich Johannes Scharnberg der Kritik, erklärt, warum er sie durchaus nachvollziehen kann – und er dennoch anderer Meinung ist.

Hamburger Abendblatt: Herr Scharnberg, Sie sind Leiter Kommunikation, Politik und Umwelt am Flughafen. Was ist das für eine Abteilung?

Johannes Scharnberg: Das ist ein relativ neuer Bereich. Die Idee ist, dass alle Themen, die eine große externe Bedeutung haben, in einem Bereich gebündelt werden. Wir haben uns während der Corona-Krise entschieden, die Bereiche zusammenzulegen.

Der Bereich ist neu – aber Sie sind schon lange beim Flughafen …

Scharnberg: Seit knapp 15 Jahren. Mein Leben am Flughafen begann mit einem Anruf von Michael Eggenschwiler. Er hatte gelesen, dass ich meinen Job am Lübecker Flughafen an den Nagel gehängt hatte. Damals hatte er zwar keine konkrete Stelle, aber meinte, er würde mich gern in Hamburg haben. Und so ist es gekommen. Ich habe als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft angefangen, die sich mit Ground Handling beschäftigt. Später habe ich dann den klassischen Flughafenbetrieb übernommen. Seit 2018 kümmere ich mich um Politik und seit 2020 auch um Kommunikation und Umwelt.

Was muss man sich unter Politik beim Flughafen vorstellen? Sind Sie der Cheflobbyist des Flughafens?

Scharnberg: Das Wort ,Lobbyist‘ mag ich nicht so gern. Das ist nicht besonders positiv besetzt. Aber ja, ein Flughafen hat immer viele politische Berührungspunkte. Gerade in Hamburg ist es durch die Lage mitten in der Stadt extrem. Wir führen viele Gespräche mit den Bezirken, aber auch mit der Bürgerschaft und der Bundesebene.

Da gibt es viele Themen, die uns betreffen. Wir nehmen am politischen Diskurs teil. Das ist mein Job. Wir erklären Dinge. Wir vertreten unsere Positionen, und wir entwickeln Perspektiven, wie Dinge am Flughafen verändert werden können. Unsere Gesprächspartner sind die Behörden, die Politik, die Ministerien und natürlich die Initiativen und Verbände.

Hamburger Flughafen erntet Kritik

Im März hat der Hamburger Flughafen verkündet, dass er CO2-neutral wirtschaftet. Das hat heftige Kritik von Umweltverbänden wie dem Nabu oder dem BUND ausgelöst. Der BUND bezeichnete das als riesige Mogelpackung, als Greenwashing und als „reine Showveranstaltung, die in keiner Weise der Klimakrise gerecht wird“. Wie gehen Sie damit um?

Scharnberg: Wir haben viele Jahre daran gearbeitet, weniger CO2 auszustoßen, an vielen Stellen. Und natürlich war es uns wichtig, diese Leistung zu kommunizieren. Uns war klar, dass wir auch Kritik erwarten durften. Und es ist ja auch gut, dass es Kritik gibt. Sie speist sich im Wesentlichen daraus, dass man sagt, wir müssten auch die Emissionen der Airlines anrechnen. Dazu gibt es halt unterschiedliche Sichtweisen.

Wenn Sie die CO2-Belastung der Flugzeuge ausschließen, was bedeutet CO2-neutrales Wirtschaften für den Flughafen dann?

Scharnberg: Wenn wir sagen, wir sind CO2-neutral als Unternehmen, dann geht es um das, was wir als Flughafen Hamburg GmbH durch den Betrieb des Flughafens an CO2 ausstoßen, und nicht um das, was andere Partner bei uns ausstoßen. Das ist uns wichtig. Das ist im Hafen ja ähnlich: Die HHLA würde auch nicht die Emissionen der Containerschiffe von Hapag-Lloyd mit in ihre Bilanz einrechnen.

Es geht um das, was der Flughafen in seiner Tätigkeit macht und was er an CO2-Ausstoß hat. Und „neutral“ heißt in dem Rahmen erst mal, dass wir so viel wie möglich reduziert haben und den Rest durch Zertifikate ausgleichen. Das sind bei uns etwa knapp 9000 Tonnen von ehemals 40.000 Tonnen, die wir durch Zertifikate abbilden müssen. Das haben wir 2021 erstmals geschafft.

Dass an einem Flughafen CO2 durch Flugzeuge ausgestoßen wird, leuchtet jedem schnell ein. Wenn Sie diesen Aspekt ausschließen: Wo produziert der Flughafen ansonsten CO2?

Scharnberg: Das kann man sehr grob in zwei große Blöcke einteilen. Zum einen müssen die Terminals beheizt, klimatisiert und beleuchtet werden. Und die elektrischen Anlagen verbrauchen ebenfalls Energie. Zum anderen haben wir eine Menge Fahrzeuge, die für den Betrieb des Flughafens notwendig ist. Auch die produzieren natürlich CO2, solange sie mit Verbrennungsmotoren unterwegs sind.

Flughafen könne nicht Emissionen der Airlines reduzieren

Die Frage war: Wie schaffen wir es, unsere Fahrzeugflotte so umzustellen, dass der CO2-Ausstoß erheblich reduziert wird? Wir setzen stark auf Wasserstoff- und Elektroantriebe. Und bei den Dieselmotoren verwenden wir seit fünf Jahren nur synthetischen Treibstoff. Das ist ein Diesel, der entweder aus Abfall produziert wird oder aus Gas und der deutlich weniger CO2-Emissionen produziert.

Warum fahren nicht auch außerhalb des Flughafens alle Dieselfahrzeuge damit?

Scharnberg: Weil es teurer ist.

Das klingt nach großen Anstrengungen – und dennoch betreffen sie ja nur einen winzigen Teil des CO2-Ausstoßes am Flughafen. Kritiker werfen Ihnen vor, dass am Flughafen nicht die von Ihnen genannten 40.000 Tonnen CO2 produziert werden, sondern mit startenden und landenden Flugzeugen rund eine Million Tonnen.

Scharnberg: Der Argumentation können wir auch gut folgen. Die Umweltverbände leiten ihre Zahlen von den Daten der Statistikämter ab. Hier wird angegeben, wie viel Kerosin bei uns getankt wird, und man kann genau ausrechnen, wie viel CO2 das dann ist. Und wenn Kerosin in großen Höhen ausgestoßen wird, dann ist die Klimawirkung etwa dreimal so groß wie am Boden. Das sind alles Dinge, die von uns auch nicht bestritten werden. Und wir sind auch völlig der Meinung, dass dies reduziert werden muss.

Aber?

Scharnberg: Die Frage – und das ist der einzige Streitpunkt – ist, warum ein Airport dafür verantwortlich sein soll, die Emissionen der Airlines zu reduzieren? Die können wir nur sehr bedingt beeinflussen.

Ein Kritikpunkt ist auch, dass die Aussage „Der Flughafen ist CO2-neutral“ suggeriert, Fliegen sei umweltfreundlich. Das ist ja nicht der Fall, denn natürlich verursacht das Fliegen reichlich CO2.

Scharnberg: Absolut. Die Kritik kann ich nachvollziehen. Wir verbinden mit unserer CO2-Neutralität nicht, dass wir sagen: Leute, jetzt könnt ihr wieder ganz entspannt fliegen. Es ist egal, wie viele Flugreisen ihr unternehmt. Das ist nicht unser Ansatz. CO2-Neutralität ist für uns nicht das Ende. Wir wollen als Flughafen in Zukunft gar kein CO2 mehr ausstoßen. Aber natürlich liegt für uns die Herausforderung darin, dass wir nicht dafür sorgen können, dass Flugzeuge sofort kein CO2 mehr ausstoßen.

Was aber können Sie tun?

Scharnberg: Natürlich wirken wir lokal auf die Airlines ein. Da geht es um Fragen wie diese: Muss ein Flugzeug am Boden sein Triebwerk an haben? Kann es nicht auch mit einem statt zwei Triebwerken zum Start rollen? Kann es möglichst kurz zum Start rollen und nicht lange mit laufenden Triebwerken warten? Das sind Punkte, die wir im Fokus haben. Dabei geht es um eine ganze Menge CO2-Einsparungen. Bei den lokalen Emissionen der Airlines reden wir von 130.000 bis 150.000 Tonnen pro Jahr.

Haben Sie einen Wunsch für die Zukunft?

Scharnberg: Ich habe selbst zwei Jungs, 22 und 25 Jahre alt. Und ich wünsche mir, dass es uns gelingt, Fliegen so klimafreundlich zu machen, dass auch unsere Kinder und Enkel in Zukunft verantwortlich und mit Maß die Welt weiter entdecken können, denn sie ist es wert, entdeckt zu werden.