Hamburg. Während der Pandemie haben immer mehr Hamburger Campingmobile gekauft. Hersteller kommen nicht mehr hinterher. Wichtige Tipps.

Am Straßenrand der Schönen Aussicht auf der Uhlenhorst parkt ein Camper. Das Reisemobil mit eingebauter Küche und Außendusche steht zum Verkauf. Der Seitenstreifen neben dem Alsterwanderweg wird häufig von privaten Gebrauchtwagenverkäufern genutzt, immerhin spazieren hier täglich Tausende Hamburger entlang. So weit, so alltäglich.

Auffällig allerdings: Der T6.1 California Coast kostet rund 70.000 Euro, liegt damit in der Preisklasse eines vergleichbaren Neuwagens. Auf Schildern an dem anthrazitfarbenen Fahrzeug hat der Verkäufer augenzwinkernd gute Argumente für die Kunden aufgeschrieben: „4. Welle ...? Unabhängig sein!“ steht an der Seitentür, „Hier sind schon alle Halbleiter drin!“ heißt es am Heck.

Campingmobile sind in Hamburg schwer zu kriegen

Die flotten Sprüche haben einen ernsten Hintergrund, denn neue Fahrzeuge für das Freilufthobby sind schwer zu bekommen. Der Trend zum Campen hält an – und auch bei der Frage nach der Dauer der Pandemie gibt es weiter Fragezeichen.

Engpässe haben auch Verleihfirmen, und auf den Campingplätzen ist es oft eng, sodass die Reise gut geplant sein will. Das Abendblatt zeigt die wichtigsten Entwicklungen auf dem Markt und gibt Tipps, was man beim Urlaub mit dem Camper beachten sollte.

Hält der Trend an?

Das Campen avancierte während der Pandemie mit Lockdowns der Hotellerie und geschlossenen Grenzen zum großen Trend im ausgebremsten Alltag. Und die Beliebtheit des Urlaubs mit dem fahrenden Zuhause hält an. Für die kommenden zwei Jahre denken 1,3 Millionen Bundesbürger über den Kauf eines Wohnmobils nach. 700.000 überlegen, sich einen Wohnwagen zuzulegen, wie eine Allensbach-Umfrage ergeben hat.

Übrigens ist das Campen nicht nur hierzulande beliebt. „Die Urlaubsform Caravaning liegt in ganz Europa stark im Trend“, sagt Daniel Onggowinarso, Geschäftsführer des Caravaning Industrie Verbands CIVD.

Was beflügelt die Lust auf Camping?

Die Camping-Interessenten erwarten vor allem Unabhängigkeit (88 Prozent) und Naturnähe (75 Prozent), geht aus der Allensbach-Umfrage hervor. An dritter Stelle ihrer Motive nannten die Teilnehmer mit 62 Prozent die mutmaßlich höhere Sicherheit vor Corona-Infektionen.

Vor allem jüngere Leute suchen den Kontakt zu Gleichgesinnten in der Camper-Gemeinschaft. Auf Instagram teilen sie ihre Erlebnisse, sie machen mit den schönsten Fotos vom Stellplatz am See, vom romantischen Grillabend Lust auf Erlebnisse mit dem Wohnmobil. Zudem befördere der Trend zum Homeoffice die Beliebtheit dieser Reiseart, sagen Larissa Peters und Bastian Gembler, Gründer des Hamburger Caravan-Verleihs Vantopia. Mobiles Arbeiten sei mit Caravaning gut vereinbar, findet das Paar, das selbst über Monate durch die Welt gefahren ist.

Wie hat sich die Nachfrage speziell in Hamburg entwickelt?

Deutschlands Hersteller von Wohnmobilen und Wohnwagen stürmten in der Corona-Krise von Rekord zu Rekord. 2021 haben sie so viele Freizeitfahrzeuge ausgeliefert wie nie zuvor. Auch in Hamburg ist der Bestand an Wohnmobilen gestiegen. Im vergangenen Jahr waren hier 15.600 dieser Fahrzeuge gemeldet. Zum Vergleich: 2013 waren in der Hansestadt erst 8600 Wohnmobile unterwegs, die Anzahl steigt seither jedes Jahr.

Die Beliebtheit hält auch als Folge von „Flugscham“ und steigenden Hotelpreisen an. Beim Hersteller Hobby sind die Auftragsbücher voll. Das betrifft sowohl die Wohnwagen als auch die Reisemobile und Camper Vans. „Unsere Handelspartner berichten von einem lebhaften Frühjahrsgeschäft und Saisonauftakt“, sagt Holger Schulz, Geschäftsführer des Hobby-Werks in Fockbek (Kreis Rendsburg-Eckernförde). Bei VW heißt es, dass sich die Nachfrage nach Reisemobilen 2021 gegenüber 2020 noch einmal verstärkt hat. Dies gelte für alle Modelle der California Familie, die Busse zum Campen umfasst.

Gibt es noch Lieferschwierigkeiten?

Bei Herstellern wie Hymer und Hobby müssen die Kunden zum Teil lange auf ihre Bestellungen warten. Holger Schulz vom norddeutschen Anbieter Hobby klagt über eingeschränkte Verfügbarkeiten, „insbesondere im Bereich der Chassis-Hersteller“. Von diesen Problemen berichtet auch der Hersteller Hymer. „Die Lieferzeiten verschieben sich im Durchschnitt um sechs Monate oder mehr nach hinten“, sagt Nico Röhnelt vom Händler Röhnelt Caravan GmbH in Hamburg.

Dadurch kämen sogar Wartezeiten von eineinhalb Jahren auf die Kunden zu. Bei VW heißt es, zur weiteren Entwicklung von Lieferzeiten könne man keine verlässliche Aussage treffen. „Die Engpässe bei der Fahrzeugproduktion sind Folge der Halbleiter- und Ukraine-Krise. Hinzu kommt der Mangel an Rohstoffen, etwa Kunststoffgranulaten zur Produktion der Wohnmobil-Fenster“, analysiert Ralf Holstein, Leiter der ADAC Wohnmobil-Vermietung.

Wie viel kostet ein Fahrzeug?

Der Durchschnittspreis für einen neuen Wohnwagen liegt bei 23.000 Euro, Wohnmobile kosten im Schnitt 77.500 Euro, heißt es beim Branchenverband CIVD. Das Angebot sei knapp, der Gebrauchtmarkt leer gefegt. „Früher gab es gute Gebrauchte für 30.000 Euro“, sagt Händler Röhnelt, heute gebe es für diese Preise „nur noch Schrott“.

Als Einkäufer seiner Flotte hat der Hamburger Reisemobil-Vermieter Vantopia in den vergangenen Jahren deutliche Preissteigerungen erlebt. „Wir sprechen von 15 bis 20 Prozent bei den VW Bussen und 25 bis 30 Prozent bei den Kastenwagen-Wohnmobilen im Vergleich der 2022er-Baujahre zu den Fahrzeugen, die wir im Frühjahr 2020 geliefert bekommen hatten“, sagt Gründerin Larissa Peters.

Kostspielige Ausstattung der Camper

Mit dem Reisemobil ist es aber nicht getan: Diverses Zubehör, eine Outdoor-Küche oder Solarduschen komplettieren für viele das Abenteuer in der Natur. Beim Hamburger Online-Anbieter Galaxus hat sich die Zahl der verkauften Campinglampen im März 2022 gegenüber dem Vorjahr verdreifacht, bei den Campingkochern gab es sogar eine Vervierfachung.

Wie teuer ist der Campingurlaub?

Camper übernachten in Deutschland nach wie vor relativ preiswert. Eine Familie mit zwei Erwachsenen und einem zehnjährigen Kind zahlt 2022 hierzulande durchschnittlich 38,33 Euro pro Übernachtung. Damit bleibt Deutschland nach Schweden (37,41 Euro) erneut das zweitgünstigste europäische Campingland, ergab eine Analyse des ADAC. Im Ländervergleich zahlen Camperfamilien 2022 in der Schweiz die höchsten Übernachtungspreise (64,15 Euro), gefolgt von Kroatien mit 60,37 Euro, und Italien, wo die Übernachtung 60,28 Euro kostet.

In Deutschland campt eine Familie mit 32,29 Euro am günstigsten im Saarland und in Sachsen-Anhalt mit 33,21 Euro. Vergleichsweise teuer ist Campingurlaub in den touristischen Hochburgen des Nordens mit seinen attraktiven Küsten. In Mecklenburg-Vorpommern liegt der Durchschnittspreis bei 42,63 Euro und in Schleswig-Holstein bei 40,66 Euro. Es folgen Baden-Württemberg mit 40,20 Euro und Bayern, wo der Urlaub zwischen Bier und Bergen 39,17 Euro pro Tag kostet.

Sind die Plätze schon ausgebucht?

Noch sind Campingplätze in den beliebten deutschen Tourismusregionen verfügbar. Zu Pfingsten und in den Sommerferien kann es in einigen Urlaubs­regionen allerdings schon eng werden, heißt es beim ADAC. Der dringende Rat des Auto-Clubs: Jetzt nach Restplätzen in der Hochsaison Ausschau halten und freie Plätze sichern, etwa auf dem Campingportal des ADAC.

Welche neuen Trends gibt es bei Stellplätzen?

Außer den etablierten Anbietern drängen Alternativen auf den Markt: Die Gründer von Pop-up Camps hatten zum Beispiel die Idee, ungenutzte Festival-Flächen als temporäre Campingplätze einzurichten. Plattformen, die, ähnlich wie Airbnb für Camper, Stellflächen von privaten Grundstücksbesitzern vermitteln, wurden bereits 2020 gegründet.

Die Neulinge sind etwa unter mycabin.eu, hinterland.camp und CampSpace zu finden. Kleine Campingplätze mit nur sehr wenigen Plätzen und dementsprechend viel Ruhe, die aber dennoch nicht auf den Komfort eines klassischen Campingplatzes verzichten, findet man etwa auf den Plattformen coolcamping.com oder kleinecampingplaetze.de.

Sind Leihfahrzeuge zu bekommen?

Ralf Holstein vom ADAC warnt vor Engpässen: „Wegen extremer Lieferzeiten und Lieferverzugs ist auch bei den Miet-Wohnmobilen eine deutliche Verknappung in diesem Jahr erkennbar“. Teilweise verzichteten sogar etablierte Anbieter auf die Vermietung in dieser Saison aufgrund unzuverlässiger Lieferzusagen.

„Es gilt also, rechtzeitig zu planen und zu reservieren“, rät Holstein. „Lediglich die Auslastung Anfang Mai ist noch nicht ganz so hoch, da Pfingsten erst im Juni und die Mai-Ferien für Hamburger vergleichsweise spät starten“, sagt Johannes Vieten von der Ahoi Bullis Campervermietung GmbH.

Wie entwickeln sich Hamburger Verleihfirmen?

Seit einigen Jahren ist Vantopia auf dem Markt, mit individuell ausgestatteten Wohnmobilen und Bussen. Die Flotte der Vantopia-Mobile hat sich seit 2019 von zehn auf mittlerweile 37 Fahrzeuge vergrößert. „Nach knapp 100 Kunden in unserem Gründungsjahr 2019 in der Sternschanze, durften wir 2020 an unserem neuen Standort an der Frohmestraße in Schnelsen schon 250 Kunden auf Reisen schicken und konnten uns 2021 auf rund 350 Kunden steigern“, sagt Gründer Bastian Gembler.

Larissa Peters und Bastian Gembler von Vantopia vermieten Wohnmobile.
Larissa Peters und Bastian Gembler von Vantopia vermieten Wohnmobile. © VANTOPIA | VANTOPIA

Die Ahoi Bullis Campervermietung GmbH berichtet, dass die Buchungszahlen bei ihren Miet-Californias gut sind. Nicht nur das: Auch im Ahoi-Camp, dem neu naturnah gestalteten Campingplatz des Hamburger Verleihers auf Fehmarn, sind die Buchungszahlen und Anfragen auf hohem Niveau.

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Wie teuer sind Mietcamper?

Bei Vantopia kostet ein VW „Dreamer“ auf Basis des T6 in der Hauptsaison zwischen Juli und August 139 Euro am Tag. Bei den Ahoi Bullis starten die Preise im Sommer mit 104 Euro. Hier können Wassersportler auch Zubehör mieten, ein aufblasbares Kanu kostet 10 Euro, eine Windsurfausrüstung 40 Euro.

Wegen der massiv gestiegenen Einkaufspreise haben viele Anbieter die Mieten für 2022 angepasst: In der Regel werden in der Hauptsaison zehn bis 15 Prozent mehr im Vergleich zur Vor-Corona-Saison 2019 fällig.

Camper in Hamburg: Welche Anbieter drängen auf den Markt?

Mit Waumobil, die wenig überraschend ausschließlich Mieter versorgen, die ihre Hunde mit in den Urlaub nehmen, hat sich 2018 ein Neuling auf den Markt gewagt. „Viele Familien haben sich einen „Corona-Hund“ angeschafft und sind nun sehr glücklich, dass es hier eine Alternati­ve zu der normalen Hunde­pension gibt“, sagt Tina Stietenroth von Waumobil Bremen.

Bei Leih-Plattformen wie Yescapa oder Paulcamper können Kunden ähnlich wie bei Airbnb bei privaten Eigentümern einzelne Fahrzeuge mieten.