Norderstedt. 101 Schüler der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark wurden für das „LüttIng.“-Programm zu Mini-Bauherren und -frauen.
In der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark an einem Donnerstag um 10 Uhr: Ein Laubgebläse pustet den Hof blitzblank, während eine Handvoll Schülerinnen und Schüler zu ihrem Schmuckstück eilt – dem Tiny House. Schnell lösen sie die Bremse und ziehen die Betonklötze unter dem Trailer hervor. Dann zieht die eine Hälfte an der Deichsel, die andere schiebt von der gegenüberliegenden Seite, und kurze Zeit später steht das vier mal zwei Meter messende Häuschen auf Rädern fotogen in der Sonne. Schließlich wartet es ebenso wie seine Erbauer, die Schüler der Gemeinschaftsschule, an diesem Tag auf hohen Besuch. Namentlich Sabine Petersen und Angela Hauschildt von der Technischen Akademie Nord sowie Lisa Czech von der Nordmetall-Stiftung – die Jury.
Denn das Tiny House ist eines von acht Projekten des landesweiten Förderprogramms „LüttIng“. Es verfolgt das Ziel, junge Menschen für Berufe aus dem MINT-Spektrum (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu begeistern.
Im Laufe des Jurybesuchs stellen einige der ursprünglich 101 beteiligten Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen ihre Arbeit am Häuschen vor – jeder seinem Gewerk entsprechend. Diese reichen von Rohbau über Wasser und Anschlüsse, Strom und Kabellage bis hin zu Möbeln und Inneneinrichtung oder dem Controlling auf finanzieller Seite.
Dabei wird deutlich: Der Bau des Mini-Hauses war wohl überlegt. Sämtliche Energie wird über Solarpanele eingespeist, auf Plastik wurde wo irgend möglich verzichtet, und die Möbel sind größtenteils aus Holzresten entstanden, „die schon längst abgeschrieben waren und die kein Mensch mehr brauchte“, so Kathrin Peters, pädagogische Leiterin und Koordinatorin des Projekts an der Gemeinschaftsschule.
Tiny House hat bereits 4000 Euro abgeräumt
Tatsächlich ist das Tiny House bereits zum zweiten Mal Teil des „LüttIng.“-Programms. Es hat bereits vor zwei Jahren 4000 Euro abgeräumt, „aber wir hatten uns damals total übernommen“, berichtet Kathrin Peters. Das Häuschen wurde nicht fertig, dann lag die Arbeit daran wegen der Pandemie auf Eis. „Wir beriefen eine Krisensitzung ein und fragten uns, was muss besser laufen?´ Dann haben wir uns auf Anraten der Jury noch einmal bei ,LüttIng.’ beworben“, erzählt sie.
Um die Motivation der Schülerinnen und Schüler etwas zu befeuern, entschied sich Peters, den Tiny-House-Bau zur sogenannten Projektpräsentationsprüfung zu machen. Das heißt, die Bauherren und -damen wurden für ihre Arbeit an dem Mini-Häuschen benotet. Das Gute: Wenn sie einmal nicht weiterwussten, standen allerhand Experten mit Rat und Tat zur Seite. Zum einen Deutsch- und Sportlehrer Andreas Frahm, der nach eigenen Aussagen eine „handwerkliche Ader besitzt“. „Obwohl wir Technik-Lehrer haben, ist er der Beste im Bau“, so formuliert es Kollegin Peters.
Es scheint, als sei Frahm in dem Projekt mindestens ebenso aufgegangen wie seine Schützlinge. „Das ist eine ganz andere Ebene, auf die man da mit den Schülern kommt. Ich erlebe sie in einer völlig neuen Situation und sie mich auch“, beschreibt er. Außerdem gab es Unterstützung von diversen Handwerkern. So war etwa regelmäßig ein Geselle der Norderstedter Firma Hanseatic Power Solutions vor Ort. „Und uns haben auch ein paar Zimmermänner geholfen“, erzählt die 15-jährige Bahar Barhan. Sie hat die Außenwand auf der Türseite des Hauses gebaut. „Da habe ich zum Beispiel die Dämmung gemacht und die Balken gemessen und gesägt. Erst haben wir eine Stichsäge benutzt, aber relativ schnell bemerkt, dass eine Kreissäge besser funktioniert. Vorher hatte ich noch nie eine Säge in der Hand!“, staunt sie über ihre schnellen handwerklichen Fortschritte.
Circa 15.000 Euro stecken im kleinen Häuschen
Nicht allein für die bauliche, auch für die finanzielle Hilfe, etwa von der Lotterie Bingo, sind die Schülerinnen und Schüler dankbar. So ein Tiny House ist eben nicht ganz billig, selbst wenn viele Materialien nicht eingekauft, sondern recycled werden. „Bis es absolut fertig ist, werden wir circa 15.000 Euro hineingesteckt haben“, schätz Projektleiterin Peters. Fix und fertig ist das Häuschen nämlich noch nicht. „Aber etwa zu einem Dreiviertel“, sagt Peters. „In der Dusche fehlt zum Beispiel noch an drei Seiten eine Acrylwand und die Gardinen hängen auch noch nicht alle.“ Ein bisschen gibt es also noch zu tun.
Weil die Projektpräsentationsprüfungen bereits abgelegt wurden, übernimmt den restlichen Bau am Tiny House eine eigens gegründete AG. Darin arbeitet zum Beispiel Liliane Fiedler mit, die vor Innenausbau-Ideen sprüht. Stolz erklärt sie ihre Skizzen, auf denen sie genau vermerkt hat, wie sich ein Mini-Klapptisch oder Gewürzregal konstruieren ließe. „Ich habe am Tinyhaus handwerkliche Dinge gemacht, die ich mir nie hätte vorstellen können. In der Solarpanel-Gruppe habe ich so viel über Elektrik gelernt – und das als Mädchen.“
Für sie und ihre Mitstreiter geht es nun in die Endphase. Spätestens am 7. Juni sollte das Haus komplett sein, denn dann wollen die Schüler der Gemeinschaftsschule Ossenmoorpark es in Kiel bei der großen „LüttIng.“-Messe allen diesjährigen Beteiligten vorstellen. Und danach? „Den Zweck lassen wir mit Absicht im Ungewissen“, sagt Peters. „Jede Schülergeneration soll ihre begehrlichen Blicke darauf werfen und Ideen entwickeln können.“
Der Spaß beim Lernen liege immerhin im Projektieren. Auch wenn die Verwendung des Häuschens noch nicht feststeht: Ideen gibt es zuhauf. Man könnte es an Urlauber als Wohnwagen vermieten, als rollenden Verkaufsstand auf Märkten nutzen oder bei Bedarf Schüler darin nächtigen lassen, die manchmal einfach nicht zuhause schlafen wollen - oder dürfen.