Hamburg. Flugzeugbauer entwickelt Gerät, das mit Hilfe Künstlicher Intelligenz das Ess- und Trinkverhalten von Passagieren analysiert.

Wenn sich die Idee von Hamburger Airbus-Mitarbeitern durchsetzt, dann sehen die Trolleys in Flugzeugen bald etwas anders aus. Mit einem Halter ist ein Tabletcomputer am Griff zum Schieben des Gefährts montiert, aus dem die Stewardessen und Stewards den Passagieren Essen und Trinken reichen. Das Ziel: Jeder herausgegebene Artikel wird genau erfasst – so sollen die Fluglinien die beim Caterer zu bestellende Menge besser einschätzen können und viel Müll sparen.

„Unser Ansatz lautete: Wie können wir helfen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren“, sagt Michael Bauer. Der 44-Jährige arbeitet bei dem Flugzeugbauer als Kabinencargoarchitekt und ist einer von einer Handvoll Mitarbeiter, die an dem Hamburger Projekt beteiligt sind. Laut dem Dachverband der Fluggesellschaften IATA soll sich der in der Kabine anfallende Müll binnen zwölf Jahren bis 2030 auf 12,2 Millionen Tonnen pro Jahr verdoppeln. Jedes Kilogramm mehr an Bord treibt den Kerosinverbrauch und damit auch die CO2-Emissionen hoch.

Airbus: Foodscanner analysiert Essverhalten der Passagiere

„Es gibt schlichtweg keine elektronisch erfassten Daten darüber, wie viel Essen und Getränke an Bord ausgegeben werden“, sagt Bauers Kollege Ronald Sweers. Um die verzehrten Speisen und Getränke zu ermitteln, würden die Fluggesellschaften bei Stichproben beispielsweise Studenten zum händischen Auszählen einsetzen. Grundsätzlich wüssten die Airlines zwar, dass morgens eher Kaffee und abends auch mal Bier oder Wein geordert werden.

Auch brauche man auf Strecken von Hamburg nach München ein etwas anderes Catering als nach London oder Madrid. Im Detail tappten die Fluglinien allerdings im Dunkeln, so der Luft- und Raumfahrtingenieur: „Wir wollen die Daten abgreifen, damit die Airlines einen Überblick auf dem Tablet erhalten und sehen können, was ist an Bord gebracht worden, was ist verteilt worden und was ist übriggeblieben.“

Foodscanner macht ein Bild vom Menü

Die Funktionsweise des sogenannten Foodscanners, der für den Branchenpreis Crystal Cabin Award nominiert ist, klingt relativ einfach. Auf der Unterseite hat er eine Kamera, die auf die Schubladen gerichtet ist. Wenn der Flugbegleiter ein Menü rauszieht, das es auf Langstreckenflügen noch standardmäßig gibt, wird ein Bild gemacht. Eine mit Hilfe künstlicher Intelligenz trainierte Software erkennt den genauen Inhalt. Im oberen Bereich des Tablets ist ein Barcodescanner integriert. Dieser scannt die damit versehenen Dosen, Flaschen oder Snacks wie Erdnüsse oder Chips. Auf dem Touchscreen werden dann alle wichtigen Positionen angezeigt.

Über eine drahtlose Schnittstelle können die Scanner an Bord mit einer Datensammelstelle kommunizieren. „So können die Daten mehrerer Scanner an Bord synchronisiert werden, sind stets aktuell und unterstützen die Crew bei ihren Aufgaben“, sagt Bauer über die Vorteile des Systems.

20 Prozent des Mülls entstehen durch Lebensmittel

Aber nicht nur bei der Essensausgabe soll der Foodscanner tätig werden, sondern auch bei der Rückgabe. „Perspektivisch soll das Kamerabild auch aus dem Müllhaufen der geleerten Verpackungen erkennen können, wie viel Gramm Plastik und wie viel Essensreste noch auf dem Tablet sind“, sagt der in der Geschäftsfeldentwicklung tätige Sweers. Dafür sollen während des Fluges Daten an den Boden geschickt werden, weil es an Bord zu viel Speicherkapazität binden würde. Leistungsstarke Rechner auf der Erde werten die Fotos mit Hilfe künstlicher Intelligenz aus und analysieren das Essverhalten. Bliebe häufig zum Beispiel zu viel Fleisch über, könnte die Menge künftig reduziert werden, sagt Sweers: „So kann das Angebot für die Passagiere optimiert werden, um den Müll zu reduzieren.“

Laut IATA werden pro Passagier und Flug rund 1,43 Kilogramm Kabinenmüll produziert. „Mehr als 20 Prozent davon kommen durch Speisen und Getränke zusammen, die zwar vom Kabinenpersonal ausgegeben werden, von den Passagieren aber nicht verzehrt werden“, sagt der studierte Elektrotechniker Bauer. Ein Teil davon seien Flüssigkeiten, die nach Transatlantikflügen verbrannt werden müssten. Mit solchen Regularien wollen einige Staaten das Einschleppen von Ungeziefer und Bakterien vermeiden.

Airbus: Gewichtseinsparung senkt den Verbrauch an Sprit

Nachhaltigkeit werde für die bei Umweltschützern ohnehin stark in der Kritik stehende Luftfahrt immer wichtiger, sagt Sweers: „Es ist für Airlines dauerhaft nicht hinnehmbar, dass Essen und Getränke vernichtet werden – auch aus ethischen Gesichtspunkten.“ Wenn man die 250 Gramm nichtangerührte Speisen und Getränke hochrechne auf 250 Passagiere an Bord eines Langstreckenfliegers wie dem A350 und jeden Tag und auf jedem Flug das Catering optimiere, kämen viele Kilogramm Gewichtseinsparung zusammen. Neben dem sinkenden Spritverbrauch und den geringeren CO2-Emissionen könnten sich auch für den Flugzeugbauer neue Optionen ergeben. Platz für Trolleys könnte eingespart werden, das Kabinenlayout im Bordküchenbereich verändert werden.

„Vor Kurzem haben wir den Prototypen in einem A350-Testflugzeug ausprobiert“, sagt Bauer. Airbus-Mitarbeiter mimten bei dem Versuch die Passagiere. Technisch habe alles funktioniert. Der nächste Schritt sei es, den Foodscanner im operativen Betrieb der Airlines einzusetzen und anschließend den Feinschliff zum Beispiel bei der Software zu machen, sagt Sweers: „Es haben mehrere Airlines Interesse.“ Derzeit würden sie aber nach der Corona-Pause ihren Betrieb wieder hochfahren. Wenn dieser stabil läuft, könnten sie auch wieder neue Produkte testen. Serienreif könnte das Produkt dann schon im nächsten Jahr sein.