Hamburg. Unternehmer Sven Hildebrandt speichert besondere Nachrichten unlöschbar im Internet. Wie das Geschäft mit der Liebe funktioniert.
Mit Ideen ist das so eine Sache. Sie kommen oft sehr unverhofft. Bei Sven Hildebrandt war es während einer Joggingrunde um die Alster. Wie immer passierte er dabei die Krugkoppelbrücke, an der Hunderte sogenannte Liebesschlösser befestigt waren. An diesem Tag war allerdings etwas anders.
„Es waren viel weniger Schlösser. Ich vermute, dass sie der Stadtreinigung zum Opfer gefallen sind“, erinnert sich Hildebrandt. Und da war er plötzlich, dieser Gedanke. „Wenn man die Liebesbotschaften auf der Blockchain speichern würde, wären sie wirklich für die Ewigkeit.“ Das war vor drei Jahren.
Start-up aus Hamburg speichert digitale Liebesschwüre
Inzwischen hat der Hamburger ein Start-up gegründet und aus der Idee ein Geschäftsmodell entwickelt. „Menschen wollen etwas Bleibendes hinterlassen“, sagt er. „Und wir bieten ihnen die weltweit erste Möglichkeit, sich mit unseren ewigen Nachrichten und unendlichen Momenten unsterblich zu machen.“
Nun sind Begriffe wie Ewigkeit, Unendlichkeit oder Unsterblichkeit natürlich ein ziemlicher Aufschlag. Und ein Liebesschwur im Netz ist auf den ersten Blick nicht das Gleiche, als wenn man ihn in eine Baumrinde eingeritzt oder in einen Trauring graviert hätte. Es ist eine Frage der Perspektive. Dazu lässt sich sagen, dass Sven Hildebrandt sich als Berater beruflich mit der Sicherung von sensiblen Bankdaten beschäftigt und sich deshalb in der komplexen Welt von digitalen Speichermöglichkeiten auskennt.
Einträge für immer gesichert
Und da kommt die Blockchain ins Spiel. Was für die meisten eher nach dem großen Unbekannten klingt, ist für den Unternehmensberater Teil seiner täglichen Arbeit.
„Die von uns genutzte Blockchain ist die am stärksten gesicherte dezentrale Datenbank der Welt“, erklärt der promovierte Wirtschaftswissenschaftler – stark vereinfacht – das Konzept hinter der Verkettung von Datenblöcken und ihrer verteilten Speicherung. Bei dezentralen Datenbanken gibt es niemanden, der über die Einträge „bestimmen“ könnte. „Das heißt: Einmal ,on chain‘ geschrieben, sind die Einträge für immer und ewig gesichert. Nichts und niemand kann sie jemals wieder ändern oder löschen. Selbst wir nicht.“
„Blockchain“ durch Kryptowährungen bekannt geworden
Bekannt geworden ist der Begriff „Blockchain“ vor allem durch Kryptowährungen wie Bitcoin. „Damit haben wir direkt allerdings nichts zu tun. Vielmehr nutzen wir die Infrastruktur der Netzwerkbetreiber“, sagt Hildebrandt. 2018 hatte er seine Firma unter dem etwas sperrigen Namen „Foreverontheblockchain“ gegründet.
Das heißt übersetzt ziemlich genau das, was der 38-Jährige und sein Team bieten: einen Eintrag „für immer in der Blockchain“. „Unser Produkt ist ein bisschen wie ein digitales Tattoo“, sagt Hildebrandt. Das kann ein Liebesschwur sein, aber auch ein besonderer Gruß für die Mutter oder die Erinnerung an ein rundes Jubiläum, abrufbar über einen QR-Code mit dem Smartphone oder dem Computer.
Partnerschaft mit Juwelierkette Christ
Der Blockchain-Experte ist überzeugt, dass es für diese Art von Botschaften im Netz einen Markt gibt. Schon 2019 gab es einen Kontakt zu der Juwelier- und Uhrmacherkette Christ. „Ich hatte noch keinen Namen, keine Präsentation“, erzählt Gründer Hildebrandt. Drei Tage nach dem ersten Telefongespräch mit Geschäftsführer Stephan Hungeling präsentierte er das Projekt vor Christ-Mitarbeitern. Seitdem riss die Verbindung nie ab. Jetzt startete am 1. Oktober in den 200 Christ-Filialen in Deutschland und Österreich der Verkauf der ewigen Nachrichten.
„Als marktführender Juwelier ist es unser Anspruch, neueste Technologien in unser Kerngeschäft zu integrieren und einen Innovationsvorsprung zu erreichen“, sagt Christ-Chef Stephan Hungeling. Durch die Partnerschaft mit Foreverontheblockchain werde eine emotionale Verbindung von Blockchain und Schmuck geschaffen. „Damit bedienen wir den Wunsch unserer Kunden und Kundinnen nach Unendlichkeit und lassen ,für immer und ewig‘ Realität werden“, so Hungeling.
Liebesnachrichten werden zuerst überprüft
Inzwischen arbeiten fünf Mitarbeiter bei Foreverontheblockchain an den Nachrichten für die Ewigkeit. „Wir haben gleich zu Beginn die Programmierkapazitäten deutlich erhöht und eine Webseite gebaut“, sagt Sven Hildebrandt. Das Ziel: die Blockchain-Technologie so einfach nutzbar zu machen wie eine Hotelreservierung im Internet. Im Angebot sind zwei Produkte: Für 19,95 Euro gibt es eine „ewige Nachricht“ mit 340 Zeichen Text auf der Blockchain. Deutlich mehr kostet ein „unendlicher Moment“ mit 6000 Zeichen Text und Foto für 49,95 Euro.
Für beides gibt es Zertifikat und Grußkarte, damit die Kunden etwas für die Liebsten zu überreichen hat. Die Kunden und Kundinnen wählen ihr Paket und können mit wenigen Klicks ihren Eintrag bestellen. „Sobald die Nachricht bei uns eingegangen ist, überprüfen wir sie“, sagt Hildebrandt. So soll sichergestellt werden, dass keine anstößigen Aussagen oder Hassbotschaften verewigt werden. Danach werden die Daten verschlüsselt in die Blockchain geschrieben und sind dort gespeichert.
Erstes Kunde verewigte seinen Fußballverein
Etwa eine halbe Million Euro hat Hildebrandt schon in sein Projekt investiert. „Alles aus eigenen Mitteln“, sagt der Gründer, der parallel weiter als geschäftsführender Gesellschafter der Blockchain-Spezialberatung Distributed Ledger Consulting arbeitet. Mit dem Vermarktungsstart bei Christ soll auch das Geschäft auf der eigenen Internetseite losgehen.
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Bislang sind dort nur Beispielnachrichten für Anlässe wie Hochzeit, Geburt, Freundschaft, Erfolg oder Geburtstag zu sehen. Der erste echte Kunde war im Juli über einen Geschäftskontakt bei Foreverontheblockchain gelandet. „Wir waren total überrascht“, sagt Gründer Hildebrandt. Der junge Mann wollte seinen Fußballverein zum 100-jährigen Bestehen verewigen.
Auch Kooperation mit Pandora möglich
Für die Zukunft sieht Hildebrandt weitere Vermarktungsmöglichkeiten. So habe sich ein Unternehmen gemeldet, das 5000 Gutscheine für ewige Nachrichten als Geschenk für gute Kunden kaufen will. Andere Verwendungsbeispiele könnten Kooperationen mit dem Schreibgeräte-Anbieter Montblanc oder dem Schmuckhersteller Pandora sein, die ihre Produkte mit einer ewigen Botschaft aufwerten könnten.
Dabei macht der Gründer noch ein weiteres großes Versprechen: Selbst dann, wenn das komplette Internet auf der Erde ausgefallen sein sollte, kommt man immer noch auf die Blockchain-Nachricht.
Start-up aus Hamburg profitiert von Emotionalität
„Dazu werden die Einträge an 365 Tagen im Jahr über mehrere Satelliten rund um den Globus gestreamt“, sagt Sven Hildebrandt. Zwar hätte man in einem solchen Fall wahrscheinlich andere Sorgen. „Aber von genau solchen Gimmicks lebt unser Produkt. Die Leute kaufen ja auch Sterne oder Liebesschlösser – es geht eben nicht immer nur um das Rationale, sondern Gott sei Dank manchmal auch ums Emotionale.“