Hamburg. Rund 18.000 Passagiere könnten am Hamburger Flughafen betroffen sein. Auch die Ankünfte sind vom Streik massiv betroffen.

Zum zweiten Mal in Folge ist der Dienstag ein schlechter Reisetag für Passagiere des Hamburger Flughafens. In der vergangenen Woche fielen dort alle geplanten 87 Starts aus. Auch 18 von 89 geplanten Landungen wurden gestrichen. Der Grund: Die Gewerkschaft Ver.di hatte die Beschäftigten der Sicherheitskontrollen in den laufenden Tarifverhandlungen zum Warnstreik aufgefordert. Und fast alle Luftsicherheitskräfte folgten dem Aufruf.

Ein ähnliches Bild könnte sich am heutigen Dienstag ergeben. Denn erneut hat Ver.di die rund 600 Mitarbeiter des Dienstleisters FraSec zur Arbeitsniederlegung aufgefordert, in der Zeit von 0 bis 24 Uhr. „Wir rechnen damit, dass sich fast alle Kollegen aus dem Bereich beteiligen werden“, sagte der Hamburger Ver.di-Verkehrs-Fachbereichsleiter An­dré Kretschmar dem Abendblatt.

Das erwartet wohl auch Hamburg Airport und erklärte die Sicherheitskontrolle für ganztägig geschlossen. Es würden keine Abflüge stattfinden. Vorgesehen waren 88 Starts. Reisende sollten sich umgehend mit ihrem Reiseveranstalter oder ihrer Fluglinie in Verbindung setzen. Von Flugausfällen betroffene Passagiere sollten nicht zum Flughafen kommen.

Hamburger Flughafen: Airlines mit Krisenstäben

Nach dem Streikaufruf beginnt für die Krisenstäbe der Fluggesellschaften stets das Stricken von Ersatzflugplänen. Innerdeutsche Verbindungen, die man auch mit dem Zug erreichen kann, werden als erste gestrichen. Urlaubsziele wie die Kanaren sollen weiter angesteuert werden. Doch dies gelang von Hamburg aus weder vor einer Woche noch wird dies am heutigen Dienstag möglich sein. Der Grund: die hohe Streikbereitschaft, die Ver.di schon vor sieben Tagen überraschte. Denn in Fuhlsbüttel hatten alle Beschäftigten die Arbeit niedergelegt, sodass sämtliche 87 Abflüge ausfielen. 10.000 Fluggäste waren betroffen.

Dieses Mal wird es zudem die Ankünfte stärker treffen als vor einer Woche. Denn Ver.di rief auch in Frankfurt, Berlin, Bremen, Hannover, Stuttgart, Düsseldorf und Köln/Bonn zum Warnstreik auf. Nur München ist unter den größten acht deutschen Airports ausgenommen. Entsprechend wird es kaum Inlandsverkehr geben. Der Frankfurter Flughafen teilte mit, dass keine Passagiere zusteigen können, nur Transitreisende würden abgefertigt.

Bisher 23 von 89 Ankünften gestrichen

In Hamburg waren 89 Ankünfte geplant. Bis Montagnachmittag 17.30 Uhr wurden 23 davon gestrichen. Neben Verzögerungen könnte es weitere Flugausfälle geben. Eigentlich wurden in Fuhlsbüttel am Dienstag insgesamt 18.000 Reisende erwartet. Am Mittwoch könnte es – wie vor einer Woche – zu langen Warteschlangen kommen. Um ausgefallene Flüge zu kompensieren, sei mit zahlreichen Umbuchungen auf Mittwoch zu rechnen. Bisher seien 99 Starts und 98 Landungen in Fuhlsbüttel geplant. Der Airport rechnet mit einer hohen Auslastung der Flüge und zeitweise starkem Andrang an den Kon­trollen. Alle Fluggäste sollten daher frühzeitig anreisen, mehr Zeit einplanen und möglichst auf Handgepäck verzichten.

In dem Tarifkonflikt geht es um höhere Löhne für bundesweit rund 25.000 Beschäftigte. In bisher vier Verhandlungsrunden konnten sich Ver.di und der Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) nicht einigen. Die Gewerkschaft fordert fünf Prozent oder einen Euro pro Stunde mehr bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

Beschäftigten fordern mehr Geld wegen Inflation

Das klinge vielleicht viel, sagt Kretschmar: „Aber bei fünf Prozent Lohnerhöhung und einer Inflation von derzeit sechs Prozent ist das im Verhältnis nicht so viel.“ Zumal sich die Beschäftigten stets weiterbilden und bei Tests ihr Können nachweisen müssten. Es gehe um eine angemessene Bezahlung für einen Job in einem Sicherheitsbereich. Die Passagierkontrolle zählt zwar zu den hoheitlichen Sicherheitsaufgaben des Staates, findet aber im Auftrag der Bundespolizei durch private Sicherheitsdienstleister statt.

„Wir haben Verständnis für Warnstreiks im Rahmen von Tarifverhandlungen, aber diese Streikmaßnahmen sind ausufernd und unverhältnismäßig“, sagte BDLS-Verhandlungsführer Rainer Friebertshäuser. Der Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) wies vor Kurzem darauf hin, dass ein Luftsicherheitsassistent in der Passagierkontrolle nach einer vierwöchigen Anlernzeit mittlerweile mehr verdiene als Rettungssanitäter oder Elektriker mit zehn Jahren Berufserfahrung. Der monatliche Bruttoverdienst liege derzeit bereits bei 3042 Euro ohne Zuschläge und Sonderzahlungen.

Flughafenverband: "Zumutung" für Reisende

Kretschmar nannte die Angaben „plausibel“. Setze sich Ver.di durch, seien es künftig 3200 Euro, so der BDF. „Ver.di schickt eine Berufsgruppe in den Streik, deren Löhne sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt haben“, sagte BDF-Geschäftsführer Michael Engel. Ralph Beisel, der Hauptgeschäftsführer des deutschen Flughafenverbandes ADV, nannte den ganztägigen Warnstreik „eine Zumutung für Zehntausende Reisende und für die weiterhin von coronabedingten Verlusten gebeutelte Luftverkehrswirtschaft“. Die Flughafenunternehmen seien nicht Tarifpartner und die betroffenen Passagiere würden zum Spielball der Partikularinteressen einer Berufsgruppe. „Das ist einfach unverantwortlich“, so Beisel.

Laut BDLS bot man in der vergangenen Woche Lohnerhöhungen zwischen 5,2 und 22 Prozent an. Das entspräche zwischen 0,76 und 3,29 Euro mehr pro Stunde. „Dieses Angebot bedeutet durchschnittlich knapp zehn Prozent Lohnerhöhung für die Beschäftigten“, so Friebertshäuser. Laut Ver.di hatten die Arbeitgeber hingegen zwar ein neues Angebot vorgelegt, aber nur für die oberen Entgeltgruppen. Für Beschäftigte mit weniger als 13 Euro Stundenlohn sei es beim bisherigen Angebot von 38 Cent mehr pro Stunde geblieben.

Arbeitgeber haben kein "verhandlungsfähiges Angebot" vorgelegt

„Die Arbeitgeber haben es versäumt, endlich ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen“, sagte Ver.di-Verhandlungsführer Wolfgang Pieper. Bei der Angleichung der Löhne zwischen Ost und West – einer weiteren Kernforderung – sei man hingegen weitergekommen. Zudem sollen die Löhne für geprüfte Beschäftigte für die Fracht- sowie Personen- und Warenkontrolle auf das Niveau der Fluggastkontrolleure angehoben werden. Die Tarifverhandlungen werden am Donnerstag in Frankfurt fortgesetzt.

In Fuhlsbüttel ist am Dienstag auf dem Parkdeck im Abflugbereich gegenüber des Hotels Blue Radisson um 11.30 Uhr eine Kundgebung geplant.