Hamburg. Das Start-up Modoplus sieht genug Raum für den Neubau von 180.000 Wohnungen in Hamburg. Wie sie zu diesem Wert gelangt sind.
Hamburg hat die selbst gesetzte Zielmarke von 10.000 Bauanträgen für neue Wohnungen auch im vergangenen Jahr schließlich doch noch erreicht. Doch wie die Stadtentwicklungsbehörde einräumt, sind inzwischen vielfach nur noch kleinere und schwerer zu bebauende Grundstücke für neue Wohngebiete übrig geblieben. Damit könnte die sogenannte Nachverdichtung, also die Nutzung von einzelnen Baulücken, die Bebauung von großen Gartenflächen, die Aufstockung von Häusern und die Errichtung von Anbauten an bestehenden Gebäuden künftig noch weiter an Bedeutung gewinnen.
Ein Hamburger Start-up hat nun ein auf künstlicher Intelligenz (KI) basierendes Computerprogramm entwickelt, das solche Potenziale erkennen soll. „Wenn man die Flächen effizient nutzt, können allein in Hamburg 180.000 weitere Wohnungen durch Nachverdichtung geschaffen werden“, sagt der Architekt und Immobilienökonom Julian Bauer, der die Firma Modoplus im März 2021 zusammen mit Leif Buchmann und Tolga Babacan gegründet hat. Eine von Modoplus erstellte Karte zeigt erheblichen Spielraum dafür unter anderem in Poppenbüttel, in Farmsen-Berne, in Iserbrook und in Nettelnburg.
Stadtentwicklung in Hamburg: Programm erkennt Potenzial für Neubau
Seit wenigen Tagen steht eine Testversion der Software zunächst für Hamburg zur Verfügung, weitere Bundesländer sollen folgen. Das Programm kann aber nicht nur anhand der Daten über den vorhandenen Immobilienbestand und planungsrechtliche Vorschriften das Potenzial für Neubauten erkennen.
„Aktuell ist es extrem aufwendig, die Unterlagen, die man für eine Bauplanung benötigt, aus unzähligen unterschiedlichen Quellen zusammenzustellen“, sagt Bauer – er weiß das ebenso aus eigener Erfahrung wie Buchmann, denn beide haben zuvor in Architektur- beziehungsweise Projektentwicklungsbüros gearbeitet: „Die Vorbereitung eines Bauvorhabens nimmt aufgrund der Komplexität manchmal mehr Zeit in Anspruch als der eigentliche Bau.“ Die neue Software aber soll die Verknüpfung der relevanten Daten und Unterlagen automatisch erledigen und die Planungsdauer damit erheblich verkürzen.
Modoplus-Internetseite mit Testgrundstücken
Auf der Modoplus-Internetseite kann jetzt anhand von drei Testgrundstücken der komplette Funktionsumfang ausprobiert werden. Bauer und Buchmann haben die Anwendung aber auch schon in der Praxis erprobt – anhand einer eigenen, realen Projektentwicklung für ein Dreifamilienhaus am Stadtrand Hamburgs. „Das konnte erfolgreich umgesetzt werden, das Haus ist jetzt im Bau“, erklärt Bauer.
Zielgruppe der Software sind Architekten, Bauträger, Projektentwickler, Makler- und Wohnungsunternehmen, ebenso aber städtische Behörden. „Das Programm kann zum Beispiel auch erkennen, wenn auf einer Fläche nur ältere Garagen stehen, eine effizientere Nutzung aber möglich wäre“, sagt Buchmann.
Architekturbüros können mit der Software arbeiten
Architekturbüros können mit der Software laut Modoplus eine Vielzahl von Planungsvarianten durchspielen, baurechtliche Spielräume ausloten und Baukosten prognostizieren. Auch Potenziale durch die Errichtung von Solaranlagen auf dem Dach sowie die Gefahren durch Folgen des Klimawandels etwa in Form von Sturmfluten oder mögliche Denkmalschutzaspekte können dargestellt werden. Weil vorgesehen ist, das Programm in der „Cloud“ online zur Verfügung zu stellen, kann später auch von mehreren Partnern an dem gleichen Vorhaben gearbeitet werden.
Derzeit sei man in „vertieften Gesprächen“ mit etablierten Hamburger Projektentwicklern und Maklerhäusern über die gewerbliche Nutzung des Programms, heißt es bei Modoplus, auch einen Kontakt zum Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung habe es bereits gegeben. „Hamburg ist ja ein Vorreiter der Digitalisierung – darin liegt auch für uns eine Chance“, so Bauer.
Software soll auch Privatpersonen helfen
Er will die Software aber auch Privatpersonen zugänglich machen: „Während der Entwicklung haben wir gemerkt, dass es dafür schon in unserem näheren Umfeld großes Interesse gibt.“ Ab Ende März bestehe die Möglichkeit, kostenfrei eine einfache Potenzialanalyse einer Immobilie – Marktwert, Ersteinschätzung zum Bau- und Solarpotenzial – per Knopfdruck zu erhalten.
Bisher hat das Gründerteam nur Eigenkapital, ergänzt durch Einnahmen aus der Dreifamilienhaus-Projektentwicklung, eingesetzt. Wie Julian Bauer sagt, ist man nun aber mit Risikokapitalgebern auch aus dem öffentlichen Bereich über eine Finanzierung im mittleren sechsstelligen Bereich im Gespräch. Denn Modoplus hat noch viel vor.
Team besteht aus insgesamt sechs Personen
Während das Team aktuell erst aus insgesamt sechs Personen besteht, soll die Mitarbeiterzahl in den kommenden Monaten deutlich aufgestockt werden, um die Software wie geplant bis Ende des Jahres für die gesamte Bundesrepublik nutzbar zu machen. „Dann werden voraussichtlich 18 bis 20 Personen bei Modoplus arbeiten“, sagt Bauer. Gespräche über erste Neueinstellungen führe man schon.
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Klar ist jedenfalls: Auch viele andere Städte in Deutschland stehen wie Hamburg vor dem Problem, weitere Flächen für zusätzliche Wohnungen finden zu müssen. Und das möglichst ohne allzu viel wertvolles Grün zu zerstören. Schließlich will die neue Bundesregierung, dass jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen entstehen.