Hamburg. Steigende Inflation, Krieg in Europa und Rohstoffknappheit: Wie Anleger jetzt reagieren können und welche Alternativen es gibt.
Die Finanzmärkte befinden sich im Bann des Kriegs gegen die Ukraine. Nach einem jahrelangen Aufwärtstrend erwarten Aktien-Anleger jetzt schwierige Zeiten. Die Mischung aus Krieg, steigender Inflation und wirtschaftlichen Problemen verändern die Ausgangslage grundlegend. Gleichzeitig gibt es kaum Alternativen zur Anlage in Aktien, denn bei Zinserhöhungen dürften die Zentralbanken jetzt noch vorsichtiger agieren als vor Ausbruch des Krieges erwartet, weil sie das Wirtschaftswachstum nicht zusätzlich belasten wollen.
Wie sollen Anleger jetzt reagieren? Soll ich meinen Aktiensparplan stoppen? Sind Gold, Rohstoffe oder Staatsanleihen eine Alternative? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Aktien und Börse: Wie ist die Lage?
„Putins Invasion der Ukraine hinterlässt deutliche Spuren an den Aktienmärkten. der Deutsche Aktienindex (DAX) und der Euro Stoxx 50 befinden sich im Bärenmarkt, das heißt, sie haben zwischenzeitlich mehr als 20 Prozent von ihrer Spitze abgegeben“, sagt Stefan Kreuzkamp, Chefanlagestratege der Fondsgesellschaft DWS. Aktuell liegt der DAX noch 15 Prozent unter dem Hoch von Anfang Januar (16.271 Punkte).
Wer in Aktien investiert hat oder jetzt bei günstigeren Kursen als noch zu Jahresbeginn einsteigen möchte, muss sich auf unsichere Zeiten einstellen. Neben der unbestimmten Dauer des Ukraine-Kriegs „haben die Rohstoffpreise einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung“, sagt Bernd Schimmer, Chefanlagestratege der Haspa: „Wenn die Inflation weiter steigt, drückt das auf die Stimmung der Verbraucher und wirkt sich auch auf die Gewinne der Unternehmen aus.“
Aktien: Wie sollen Anleger reagieren?
„Panik ist kein guter Ratgeber“, sagt Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. Entscheidend seien die Risikoeinstellung und der Anlagehorizont. Wer sich mit den hohen Schwankungen unwohl fühlt, kann Aktien, die noch Gewinne haben, veräußern. Allerdings sind damit die Probleme nicht gelöst. Wird das Geld sicher angelegt, drohen Negativzinsen oder zumindest ein negativer Realzins.
Soll man schon wieder Aktien kaufen?
„Bei über 16.000 Punkten beim DAX waren vielen potenziellen Anlegern die Kurse zu hoch, jetzt sind ihnen die Risiken zu hoch“, sagt Schimmer. „Es gibt keinen idealtypischen Zeitpunkt für den Einstieg an der Börse, aber wenn man jetzt einsteigt, ist das Potenzial zu höheren Kursen größer.“ Allerdings müssen auch weitere Rückschläge einkalkuliert werden. „Im aktuellen Umfeld könnte sich ein disziplinierter schrittweiser Einstieg in den Markt auszahlen“, sagt Stephan. Anleger müssen nach wie vor mit großen Schwankungen rechnen. Angesichts der niedrigen Zinsen gibt es kaum eine Alternative zu Aktien. „Die Gewinne der Firmen werden zwar etwas geringer ausfallen, aber sie werden weiterhin Dividenden zahlen“, sagt Schimmer.
Die Otto M. Schröder Bank in Hamburg kauft bereits für ihre vermögenden Anleger wieder Dividendenaktien. Die Ausschüttungen in diesem Jahr sind noch nicht vom Krieg in der Ukraine und den Folgen betroffen. „Die Dividendensaison beginnt jetzt, und wir sammeln für unsere Kunden Aktien wie Allianz oder Bayer ein“, sagt Torsten Johannsen von der Schröder Bank.
Aktiensparplan: Soll man ihn stoppen?
„Solche Anlagen können weitergeführt werden, denn sie sind ja langfristig angelegt“, sagt Schimmer. Als besonders geeignet in unsicheren Zeiten sieht der Experte Sparpläne, die in einen sehr breit angelegten Index wie den MSCI World investieren. Der Index enthält 1600 Aktien aus 23 Ländern. Rund 70 Prozent der Aktien entfallen auf die USA. „Vom Ukraine-Krieg ist Europa stärker betroffen als die USA“, sagt Schimmer. „Wir sind näher dran, haben die umfangreicheren Handelsbeziehungen und sind auch bei den Rohstoffen stärker abhängig von Russland als die USA.“
Während der MSCI-World-Index auf Sicht eines Jahres noch 2,3 Prozent im Plus liegt, hat der Index Euro Stoxx 50 mit den 50 wichtigsten Aktien aus Euroland zwei Prozent an Wert verloren. Die Vergangenheit zeigt aber, dass Anleger, die über viele Jahre regelmäßig in Aktienfonds anlegen, auch Krisenphasen gut überstanden haben. So verbuchten Sparer, die seit 1996 monatlich in weltweit investierende Aktienfonds einzahlen und damit den Irakkrieg 2003, die Finanzmarktkrise 2008 und den Corona-Kurseinbruch im März 2020 mitgemacht haben, per Jahresende 2021 einen jährlichen Zuwachs ihres Vermögens von im Schnitt 6,9 Prozent, ermittelte der Fondsverband BVI.
Aktiengeschäft: Welche Branchen profitieren jetzt?
Zyklische Aktien aus den Branchen Chemie, Maschinenbau oder Automobilindustrie werden es in den nächsten Monaten eher schwer haben. Im Gegenzug können defensive Aktien, etwa aus den Bereichen Konsumgüter, Versorger oder Dienstleister, profitieren. „Unabhängig von der aktuellen Rohstoffdiskussion bleiben regenerative Energien ein langfristiges Investitionsthema“, sagt Schimmer.
Wer es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, der kann auch einen Blick auf Rüstungsaktien wie Rheinmetall oder BAE Systems werfen. Schimmer erwartet, dass die Branche im Zuge der aktuellen Ereignisse einer kompletten Neubewertung unterworfen wird, weil künftig in eine leistungsfähige westliche Verteidigungsindustrie investiert werden soll.
Wie ist die Nachfrage nach Gold?
Auf den Internetseiten der Edelmetallhändler wie Pro Aurum gibt es bereits Lücken im Angebot. Barren und Münzen sind nicht mehr in allen Stückelungen erhältlich. „Die Orders lagen bei uns in den vergangenen beiden Wochen knapp 100 Prozent höher im Vergleich zum Durchschnitt der ersten beiden Monate des Jahres“, sagt Mirko Schmidt, Mitgründer des Edelmetallhändlers, der auch in Hamburg eine Filiale hat.
Die Beschaffung von Münzen und Barren sei angesichts der hohen Nachfrage derzeit sehr herausfordernd. Im Schnitt kauft ein Kunde für 9000 Euro Gold. „Aktuell hat die Nachfrage nach Gold noch einmal deutlich zugenommen“, bestätigt Stefan Rose, Leiter des Edelmetallhandels der Haspa. Die Wünsche der Kunden könnten erfüllt werden – teilweise jedoch mit Lieferzeiten.
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Gold: Ist der Kauf noch lohnend?
Gold hat zuletzt stark von den Unsicherheiten und der weiter erhöhten Inflation profitiert. Die Feinunze (31,1 Gramm) kostet inzwischen mehr als 2000 Dollar. In Euro hatte der Goldpreis ein historisches Hoch mit 1877 Euro erreicht. Aktuell liegt die Feinunze knapp über 1800 Euro. Wer 2012 auf den Höchstkursen während der Euro-Schuldenkrise kaufte, musste viele Jahren warten, bis er seinen Kaufkurs wieder erreicht hatte. Aber auch diese Anleger sind jetzt deutlich im Plus. Langfristig zahlt sich Gold aus.
„Heute spricht mehr für Gold als noch vor drei Monaten“, sagt Schimmer. Aber er rät nur zu einem Depotanteil von fünf Prozent. „Eine steigende Inflationsrate war schon in der Vergangenheit einer der wichtigsten Gründe, die den Goldverkauf befördert haben“, sagt Rose.
Kann ich vom Anstieg der Rohstoffpreise profitieren?
In Öl oder Gas können Anleger nicht so einfach investieren, weil die Rohstoffe auf Termin gehandelt werden. „Es gibt kein wirklich verlässliches Anlageinstrument für Privatanleger“, sagt Schimmer. Die Alternative sind Aktien von Unternehmen, die wie Royal Dutch Shell Rohstoffe wie Öl fördern. „Große Rohstoffkonzerne wie Rio Tinto sind aber schon gut gelaufen“, sagt Johannsen.
Die schwierige Einzeltitelauswahl kann man umgehen, indem man auf Aktienfonds setzt, die diese Rohstoffproduzenten bündeln. Bekannte Fondsgesellschaften wie Union-Investment oder Allianz haben solche Fonds im Angebot.
Was bringen sichere Staatsanleihen?
Wer jetzt in eine zehnjährige Bundesanleihe investiert, muss sich mit einer negativen Rendite abfinden. Das ist keine wirkliche Alternative. Dagegen verspricht eine zehnjährige US-Staatsanleihe eine Rendite von 1,85 Prozent, aber die Inflationsrate liegt mit knapp acht Prozent auch noch über der von Deutschland (5,1 Prozent).
„In Krisenzeiten ist der Dollar die Fluchtwährung schlechthin, was aktuell die Schwäche des Euro auch ganz klar zeigt“, sagt Schimmer. Eine reale positive Rendite bringt auch die Anlage in US-Staatsanleihen nicht, aber es ist eine Möglichkeit der Diversifizierung in unsicheren Zeiten. Wer in Europa bleiben will, kann auch einen Blick auf norwegische zehnjährige Staatsanleihen mit einer Rendite von 2,10 Prozent riskieren.