Hamburg. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die private Altersvorsorge in Zeiten historisch hoher Inflation.
Sparen für das Alter? Das wird meist aufgeschoben. Nur rund jeder zweite Hamburger (53 Prozent) sorgt privat für das Alter vor, 47 Prozent sehen offenbar keine Möglichkeit dafür, ergab eine Umfrage des Zinsportals Weltsparen. Mit steigender Inflation wird die private Altersvorsorge noch schwieriger. Zinsanlagen können die Inflation nicht mehr ausgleichen. Für die täglichen Ausgaben während der Rente wird mehr Geld benötigt, und auch das Ersparte verliert im Lauf der Zeit an Kaufkraft.
Lohnt private Altersvorsorge jetzt noch? Welche Anlageform bringt die höchste Rendite? Taugen Gold und Immobilien für die Altersvorsorge? Wie gefährdet ist die Kapitallebensversicherung? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Rente: Wie entwickelt sich die Inflation in nächster Zeit?
Mit einer Inflationsrate von 5,2 Prozent wurde im November 2021 ein Wert erreicht, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben hat. Für die weitere Entwicklung sind die Experten gespalten. Der frühere Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, glaubt aufgrund der Preisentwicklung bei den gewerblichen Erzeugerpreisen mit zweistelligen Preissteigerungsraten nicht, dass die Inflation bald wieder verschwinden wird. „Wir haben hier eine Inflation wie seit Menschengedenken nicht mehr, wie sie vielleicht im Leben eines Menschen nur einmal vorkommt“, sagte Sinn in der Weihnachtsvorlesung des Ifo-Instituts. Er erwartet aufgrund der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank eine Inflation in Wellen.
Bernd Schimmer, Wertpapierexperte der Hamburger Sparkasse, ist weniger pessimistisch. „Wir werden im nächsten Jahr eine Abschwächung der Inflationsrate erleben, weil eine Reihe von Preissteigerungsfaktoren nach zwölf Monaten aus der Berechnung herausfallen. Er rechnet im nächsten Jahr mit einer Preissteigerungsrate von drei Prozent. Allerdings gibt der Haspa-Experte ebenso wie Sinn zu bedenken: „Durch den Umbau in eine CO2-neutrale Wirtschaft werden viele Dinge teurer werden, die bisher nicht bepreist wurden. Wir werden uns bei der Inflationsrate auf einem deutlich höheren Niveau als in der Vergangenheit einpendeln.“
Was heißt das für die private Vorsorge?
In der Vergangenheit folgten auf Inflation steigende Zinsen. „Auf diesen Mechanismus können sich Sparer jetzt nicht mehr verlassen“, sagt Schimmer. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält an ihrer lockeren Geldpolitik trotz steigender Inflation fest. Mit Zinsanlagen kann die Inflation nicht mehr ausgeglichen werden. Wer so spart, muss sich mit einem negativen Realzins abfinden, der sich aus Zinssatz und Inflationsrate ergibt. „Die Spanne zwischen Inflation und negativen EZB-Einlagenzinssatz ist mit einer Differenz von 5,7 Prozent so groß wie nie seit rund 30 Jahren“, so Andreas Wiethölter vom Zinsportal Weltsparen. Zusätzlich schmälert eine hohe Inflation die spätere Kaufkraft des Ersparten. Von einem Guthaben von 50.000 Euro ist bei einer Inflationsrate von vier Prozent nach einem Jahrzehnt die Kaufkraft um 33 Prozent geschrumpft.
Welche Anlage fürs Rentenalter eignet sich außerdem?
Aktien bringen eine durchschnittliche jährliche Rendite zwischen fünf und acht Prozent. „Je früher man mit dem Sparen für das Alter beginnt, desto weniger spielen Rückschläge am Aktienmarkt für den Sparerfolg eine Rolle“, sagt Schimmer. Außerdem reduziert sich die Sparrate für die Altersvorsorge deutlich. Wenn Eltern oder Großeltern gleich nach der Geburt beginnen, für das Alter des Nachwuchses zu sparen, so reichen insgesamt 20.100 Euro aus, um das Sparziel von rund 154.000 Euro zu erreichen. Wer erst als 50-Jähriger startet, muss fast 100.000 Euro einsetzen (s. Grafik)
Anlage-Tipps: Wie setze ich das um?
Am besten mit sogenannten Exchange Traded Funds (ETF), also börsengehandelten Indexfonds. Der bekannteste ist der MSCI-World-Index mit 1600 Aktien. Das ist eine kostengünstige Anlage, die fast alle Wirtschaftsregionen abdeckt. Diese ETF gibt es bei Direktbanken und Filialbanken. Schon mit geringen monatlichen Sparraten ist ein Einstieg möglich.
Was muss ich vor dem Start beachten?
„Bevor man mit dem langfristigen Sparen beginnt, sollte man seine Einnahmen und Ausgaben im Griff und auch versicherungstechnisch über eine Mindestabsicherung verfügen“, sagt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg über die Voraussetzungen für die Sparer. Dazu gehört ein Tagesgeldkonto mit zwei bis drei Monatsgehältern für unvorhergesehene Ausgaben, auch wenn es für diese Anlage momentan fast keine Zinsen mehr gibt. Zu den wichtigsten Versicherungen gehören eine private Haftpflichtversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung. „Je nach Familiensituation kann auch eine Risikolebensversicherung, eine Kfz-Haftpflichtversicherung und eine Hausratversicherung erforderlich sein“, sagt Klug und fasst zusammen: „Risikoabsicherung ist immer wichtiger als Kapitalaufbau, egal für welchen Zweck.“
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Rente: Taugt Gold für die Altersvorsorge?
Für den Ansparprozess findet Schimmer das keine gute Idee. „Gold hat nicht so eine hohe Rendite wie Aktien, das Edelmetall eignet sich eher, wenn man später das Ersparte absichern will.“ Die Stiftung Warentest ermittelte auf Sicht von 30 Jahren für Aktien eine durchschnittliche Rendite von acht Prozent und für Gold von 5,6 Prozent. Vor allem, wenn der Sparbeitrag noch niedrig ist, sollte man sich nicht mit mehreren Anlageklassen verzetteln. Generell ist es natürlich möglich, einen ETF auf den MSCI-World-Index mit einem Wertpapier zu ergänzen, das in Gold investiert. Euwax Gold II verbrieft ein Gramm Gold, ist zu 100 Prozent mit physischem Gold unterlegt und wird auch als Sparplan angeboten.
Taugt die private Lebens- oder Rentenversicherung noch als Altersvorsorge?
„Das hängt vor allem davon ab, wann man sie abgeschlossen hat“, sagt Klug. Denn vom Zeitpunkt des Abschlusses ist der Garantiezins abhängig. Wer etwa seine Police zwischen Mitte 2000 und Ende 2003 abgeschlossen hat, verfügt über einen Garantiezins über 3,25 Prozent und muss den bis zum Ende der Laufzeit bekommen. „So einen Vertrag sollte man behalten, denn solche Zinsen bekommt man jetzt nirgends mehr“, sagt Expertin Klug. Von Neuverträgen rät sie allerdings ab. Im Schnitt bringen die Kapital- und Lebensversicherungen nur noch eine Rendite von 2,13 Prozent. Das betrifft vor allem Verträge, die seit 2012 abgeschlossen wurden. Die hohe Inflation gefährdet also auch eine der beliebtesten Sparformen der Deutschen. Trotz garantierter Mindestverzinsung machen Sparer mit ihren Policen Verlust, wenn man den realen Wert des Geldes, also die Kaufkraft, als Maßstab heranzieht.
Lohnt eine betriebliche Altersvorsorge neben der Rente?
„Das hängt davon ab, mit welchem Anteil sich der Arbeitgeber daran beteiligt“, sagt Altersvorsorgeexpertin Klug. „Nach unserer Einschätzung reicht der vom Gesetzgeber vorgesehene Anteil von 15 Prozent des für die Altersvorsorge umgewandelten Arbeitsentgeltes nicht aus. 30 bis 50 Prozent sollte der Zuschuss schon betragen, damit sich die bAV lohnt.“ Außerdem führt die Beitragsbefreiung von Sozialabgaben nach Einschätzung der Verbraucherschützerin dazu, dass weniger Beiträge in die gesetzliche Rente fließen. Die meisten Verträge in der bAV werden als Direktversicherungen abgeschlossen. Das sind private Rentenversicherungen, und die leiden unter niedrigen Renditen, weil die Versicherer den Großteil ihres Kapitals in festverzinslichen Wertpapieren anlegen müssen.
Kann ich mit einer Immobilie für das Alter und die Rentenzeit vorsorgen?
Wenn es eine selbst genutzte Immobilie ist, dann liegt der Effekt für die Altersversorgung in der ersparten Miete, sofern sie bis zum Ruhestand abbezahlt ist. Angesichts der hohen Kaufpreise von knapp 800.000 Euro, die für ein Einfamilienhaus aus dem Bestand im nächsten Jahr erwartet werden, ist das nicht gewährleistet. Bei einem Renditeobjekt zur Vermietung schlägt sich der hohe Kaufpreis negativ auf die Rendite nieder. Mit bestenfalls drei Prozent liegt sie deutlich unter der von Aktien. Ob künftige Mietsteigerungen das noch aufpeppen können, ist nicht sicher. Hinzukommt möglicher Ärger mit den Mietern, Mietpreisbegrenzungen und staatliche Auflagen, um auch im Gebäudesektor CO2-Neutralität herzustellen.