Hamburg. 2022 sollten die Tarife um zehn Prozent steigen – das war der Plan vor der Spritpreise-Entwicklung. Nun dürfte neu verhandelt werden

Erst Corona mit den bekannten Folgen wie nächtlichen Sperrstunden und einem Einbruch bei Geschäftsreisen, jetzt die hohen Benzinpreise: Für die Taxifahrer kommt derzeit alles zusammen. Es zeichnet sich ab, dass die Zahl der Fahrzeuge in Hamburg weiter abnehmen wird. Zudem könnten die Preise stärker steigen, als es vorgesehen war.

Bisher war eine Erhöhung der Tarife um zehn Prozent für die Fahrgäste in Hamburg geplant, doch diese Anhebung könnte durch die immer neuen Horrormeldungen von den Tankstellen bald Makulatur sein. Unbürokratisch dürfen die Betriebe die Preise dabei nicht erhöhen, denn die Tarifanpassungen müssen bei der Stadt beantragt werden.

Hohe Spritpreise belasten Hamburger Taxifahrer enorm

Dabei ist der Druck auf das Gewerbe enorm: Es vergeht kein Tag, an dem Sprit nicht wieder ein paar Cent teurer geworden ist. Aktuell liegt der Preis in der Hansestadt bei durchschnittlich 2,20 Euro pro Liter. Grund sind die steigenden Kosten für Öl – nicht nur durch den Krieg in der Ukraine. Schon in den Wochen zuvor hatten die Kraftstoffpreise deutlich zugelegt. Die Produktion konnte und kann nicht mit der steigenden Nachfrage der Weltwirtschaft Schritt halten, die sich gerade von den Folgen der Pandemie erholt.

„Wir haben monatliche Mehrbelastungen von 150 bis 250 Euro pro Fahrzeug“ sagt Werner Möllmann mit Blick auf die gestiegenen Kosten für Diesel. Der Inhaber vom „Taxen-Team Ladewig & Co.“ hat so eine Situation noch nie erlebt, dabei ist er schon seit 40 Jahren im Geschäft. „Ich muss an die Reserven gehen“, sagt der 62-Jährige. Schon während der Pandemie ist sein Betrieb, Mitglied bei Hansa-Taxi, geschrumpft.

Drei Mitarbeiter haben sich umorientiert, einer seiner ehemaligen Taxifahrer verkauft jetzt Fahrräder, ein weiterer Angestellter ist zu einer Sicherheitsfirma gewechselt. Viele Mitarbeiter der Branche haben ihren Job gewechselt, weil die Kurzarbeit während der Pandemie gerade hier eine Herausforderung mit sich bringt: Der ohnehin schon geringe Lohn wird weiter gesenkt, dazu fehlt das Trinkgeld.

Rekorde an den Tankstellen: „Das bricht uns das Genick“

„Das bricht uns das Genick“, sagt auch Rüdiger Lilie angesichts der immer neuen Rekorde an den Tankstellen. Dabei habe seinen gut 20 Taxis schon vorher das Wasser bis zum Hals gestanden. „Wir sind ja bereits durch Corona gebeutelt“, erinnert sich der Hamburger an die vergangenen Monate. Tourismus, Messen und Nachtleben gingen zurück, die Zwangspause im Alltag bescherte den Betrieben weniger Anrufe.

Teilweise mussten Lilies gut 40 Fahrer drei bis vier Stunden auf eine Tour warten. Und jetzt sagten die Angestellten erst recht, dass das Geschäft doch keinen Sinn mehr ergebe. Die Wirtschaftlichkeit werde durch das teure Tanken noch einmal auf den Kopf gestellt.

Dabei ist das Angebot für Senioren, die sich zum Arzt bringen oder Reisende, die sich am Flughafen abholen lassen, in den vergangenen Jahren bereits geschrumpft: Die Anzahl der Taxis ist seit Anfang März 2020 (also vor Corona) bis heute erheblich zurückgegangen – von knapp 3200 auf 2680 Taxen, teilte die Verkehrsbehörde auf Anfrage mit. Damit sei eine historisch niedrige Zahl an Fahrzeugen erreicht.

Viele Taxenunternehmen haben komplett aufgegeben

Viele Betriebe haben zuletzt auch komplett aufgegeben: Für das gesamte Jahr 2019 gaben 20 Taxenunternehmen explizit an, aus wirtschaftlichen Gründen ihre Genehmigung zurückzugeben. Im Jahr 2020 waren dies 112, im Jahr 2021 immer noch 52, so die Behörde. Von den verbliebenen 1800 Taxifirmen sind zudem mehr als die Hälfte Alleinunternehmer. Sie können die Kosten nicht auf mehrere Schultern verteilen.

Taxi: Bundesverband fordert Tariferhöhung um 25 Prozent

Angesichts der immer neuen Belastungen gehen nun auch die Verbände auf die Barrikaden. „Wir haben im Durchschnitt Mehrkosten von etwa zehn Euro auf 100 Kilometer“, heißt es vom Bundesverband Taxi und Mietwagen. Für die Tarife, die in den einzelnen Städten und Kreisen gelten, fordert dessen Geschäftsführer Michael Oppermann daher ein deutliches Plus: Die Preise sollten um im Schnitt etwa 25 Prozent erhöht werden.

Damit würden die Kosten für die Fahrgäste deutlich kräftiger steigen als es in Hamburg schon länger geplant ist. In der Hansestadt ist bisher ein Plus bei den Preisen für Taxifahrten von zehn Prozent im Gespräch. Ob es bei dieser Erhöhung bleibt, ist unklar. Die Verkehrsbehörde wollte sich auf Abendblatt-Anfrage dazu nicht äußern. Die Verhandlungen würden mit Partnern wie der Handelskammer und den Verbänden geführt.

Die letzten Tariferhöhungen liegen hier fünf Jahre zurück. Seither sind aber die Löhne, aber auch die Werkstattkosten gestiegen. Andererseits war das Gewerbe bereits vor Pandemieausbruch durch Konkurrenten unter Druck. So gehören in Hamburg die goldfarbenen Wagen des Shuttle-Services Moia zum Stadtbild. Dazu kommen immer mehr individuelle Mobilitäts-Angebote der Sharing-Firmen wie Tier oder Miles.

Die steigenden Spritkosten sind nur einer von mehreren Faktoren, die sich finanziell auf die Taxifirmen auswirken. Vor allem die im Oktober anstehende Erhöhung des Mindestlohns hat den Ausschlag für die anstehenden Tarifänderungen gegeben. Das Personal macht rund zwei Drittel der Kosten im Taxigewerbe aus, sagt auch Verbandschef Oppermann.

Hohe Spritpreise in Hamburg: E-Taxen sind eine Lösung

Eine Lösung, die Abhängigkeit von den Benzinpreisen zu beenden, bieten Elektrofahrzeuge. Bislang ist der Ladestrom noch nicht teurer geworden. Doch das dürfte sich sehr schnell ändern. Die E-Taxen machen einen immer größeren Anteil der Flotte aus. Hamburg ist bundesweit Spitzenreiter bei konzessionierten E-Taxen: es gibt derzeit 141 mit Batterie fahrende Wagen in der Hansestadt.

Werner Möllmann hat gerade ein neues E-Fahrzeug bekommen. 38.000 Euro hat der Stromer gekostet, trotz Förderung mehr als der Klassiker mit konventionellem Antrieb. Rüdiger Lilie, einer der E-Taxi-Pioniere in Hamburg hat Kaufverträge für weitere acht solcher Wagen unterschrieben. Die Fahrzeuge, die er im Oktober bestellt hat, werden wohl erst im Sommer ausgeliefert.