Hamburg. Bisher war Diesel immer günstiger als Benzin – was der Ukraine-Krieg mit dem drastischen Preisanstieg an der Zapfsäule zu tun hat.

Vielfahrer wie etwa Taxibesitzer nutzen in der Regel einen Pkw mit Dieselmotor, auch weil der Dieselkraftstoff wegen der um 19 Cent pro Liter niedrigeren Energiesteuer fast immer günstiger ist als Benzin. Doch der Ukraine-Krieg macht jetzt einen Strich durch diese Rechnung: An vielen Tankstellen in Hamburg kostet Diesel aktuell mehr als Benzin der Sorte Super E10.

Wie eine Auswertung des Portals clever-tanken.de für 217 Stationen in der Hansestadt ergab, lag der Durchschnittspreis für Diesel am Montagnachmittag bei 2,034 Euro je Liter und damit um 2,5 Cent höher als der für Super E10 (2,009 Euro). Eine solche Konstellation ist äußerst selten – im Mai 2008 war Diesel laut einer wöchentlichen Erhebung des ADAC erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik teurer als Super, wenn auch nur um ein Zehntel Cent.

Ukraine-Krieg: Diesel-Preise schießen in die Höhe

An einzelnen Tankstellen in Hamburg bezahlte man am Montagnachmittag sogar schon fünf Cent mehr für den Liter Diesel als für E10 und nur noch einen Cent weniger als für Superbenzin.

Zwar rücken die Preise von Diesel und Benzin stets im Winter näher aneinander, weil die Raffinerien dann auch das mit dem Diesel chemisch gesehen eng verwandte Heizöl produzieren. Und im Moment sei die Heizöl-Nachfrage der Deutschen sehr hoch, „weil sie nicht wissen, wie es im kommenden Winter wird“, sagte ein ADAC-Sprecher. Dass Diesel derzeit aber im Hinblick auf den Preis an der Zapfsäule die Benzinsorte Super E10 sogar klar überholt hat, liegt nach den Worten von Kai Eckert, Chefredakteur des Hamburger Energie Informationsdienstes (EID), am Ukraine-Konflikt: „Bisher wurden rund zwölf Prozent des in Deutschland verwendeten Diesels schon fertig aus Russland importiert. Das mag im Moment keiner der Händler tun, man meidet diese Geschäfte mit russischen Lieferanten lieber.“

Auf der anderen Seite habe sich Super E10 relativ gesehen wegen des höheren Biokraftstoff-Anteils nicht ganz so stark verteuert wie die anderen Treibstoffe, erklärt Eckert. Auch dies habe dazu beigetragen, dass Diesel beim Preis an Super E10 vorbeiziehen konnte.

Tanken ist so teuer wie nie zuvor

Zuletzt hatte sich der Preisvorteil der Anfang 2011 eingeführten E10-Variante gegenüber dem traditionellen Superbenzin bereits deutlich von den anfangs ein bis zwei Cent auf nun üblicherweise sechs Cent je Liter ausgeweitet. Nach Einschätzung des Bundeskartellamts dürfte dies daran liegen, dass die Mineralölkonzerne stärkere Anreize zum Kauf von E10 setzen möchten, um die Vorgaben der Minderung von Treibhausgasen zu erfüllen. Dennoch betrug der Anteil von E10 am bundesweiten Absatz von Ottokraftstoffen im Dezember 2020 nur gerade einmal 16 Prozent, auch wenn laut ADAC 95 Prozent der Autos mit Ottomotor problemlos E10 vertragen.

Insgesamt ist Tanken in Deutschland aktuell so teuer wie nie zuvor – unter anderem wegen der zu Jahresbeginn erhöhten CO2-Abgabe –, auch wenn der Ölpreis noch ein Stück vom Rekordstand aus dem Sommer 2008 von damals knapp 150 Dollar je Barrel (159 Liter) für die Nordseesorte Brent entfernt ist.

Ölknappheit ist nicht zu befürchten

Eine echte Ölknappheit ist in der Bundesrepublik selbst im Fall eines Stopps der Lieferungen aus Russland nach Angaben des Energieexperten Eckert jedoch so schnell nicht zu befürchten: „Bei Öl und Benzin ist Deutschland durch die staatliche Reserve, die eine Versorgung für 90 Tage sichert, gut aufgestellt.“