Hamburg. Wegen des Kriegs gegen die Ukraine ist Brot- und Brötchengetreide sehr viel teurer geworden. Doch das ist nicht der einzige Grund.

Der Krieg in der Ukraine hat bereits zu Höchstständen bei den Benzinpreisen und zum Absturz von Börsenkursen geführt. Jetzt spüren die Verbraucher den Angriff der Russen auf das Nachbarland an den Tankstellen – und bald auch an der Bäckertheke. Brot und Brötchen werden teurer.

Schon bisher kosten ein Croissant oder eine Laugenstange in Hamburg schnell mal 1,20 Euro – dabei steht das Handwerk hier in immer schärferem Wettbewerb mit Discountern, die mehr und mehr auf Billigware bei Frischgebackenem setzen. Doch laut einer Umfrage des Abendblattes unter Hamburger Bäckern wollen oder müssen mehrere Anbieter die Preise für ihre Produkte erneut erhöhen. Entsprechende Pläne haben die Braaker Mühle, die Bäckerei & Konditorei Heinrich Wulf oder die Geschäfte von Ludwig Daube. Nicht ausschließen können steigende Preise auch der Vollkornspezialist Effenberger und die stark expandierende Kette Junge. „Wir müssen die Lage täglich neu bewerten“, heißt es bei Dat Backhus. Bei Harry Brot, die mit Toast oder Schnittware in den Regalen der Supermärkte vertreten sind, wolle man sich nicht zu dem Thema äußern, teilte die Zentrale des Produzenten in Schenefeld mit.

Bäcker erhöhen Preise: Weizen bis zu 180 Prozent teurer geworden

Treiber der Entwicklung sind aktuell die steigenden Rohstoffpreise, etwa für das häufig verwendete Brot- und Brötchengetreide Weizen. Schon länger belasten zudem die explodierenden Energiekosten die Branche, dazu kommen die neuen Stufen des Mindestlohns.

Fällt Getreideernte in der Ukraine aus?

Schon vor dem Krieg war die Lage angespannt. Wichtige Vorprodukte - wie Pflanzenschutzmittel oder Chips für Landmaschinen – konnten wegen der Pandemie oft nicht mehr geliefert werden. Dazu machte der mangelnde Regen den Landwirten in Osteuropa zu schaffen. Der Krieg lässt die Rohstoffe für die Bäcker nun erneut auf immer neue Rekordwerte steigen. Seit dem Angriff Putins hat sich der Preis für europäischen Weizen noch einmal verdoppelt. Russland und die Ukraine gehören zu den größten Exporteuren der Welt für das Getreide. Dauert der Konflikt an, droht eine weitere Erhöhung, etwa weil auf Feldern in der Ukraine nicht ausgesät werden kann.

„Wir beobachten die Märkte mit großer Sorge“, heißt es dazu bei Dat Backhus, die an Dutzenden Standorten in Hamburg vertreten sind. Kleine Anbieter wie Frank Daube fürchten sogar Engpässe: „Die Erhöhung der Rohstoffpreise wirkt sich sehr deutlich auf unser Unternehmen aus. Es gibt mit den meisten Lieferanten keine langfristigen Kontrakte mehr, die eine zuverlässige Kalkulation zulassen. Vielmehr kommt das Problem der Rohstoffbeschaffung auf uns zu“, beschreibt der Inhaber der Bäckerei Konditorei Ludwig Daube die Probleme für die Produzenten.

„Deutschland ist Selbstversorger“

Grundsätzlich wird es allerdings keine Engpässe bei Backwaren geben. „Deutschland ist Selbstversorger bei Brotgetreide“, sagte ein Sprecher der Aurora Mühle dem Abendblatt. Zu dem Hamburger Unternehmen gehören bekannte Marken für Mehl wie Diamant, Aurora und Gloria: „Gut 95 Prozent des Getreides, das in Deutschland zu Mehl verarbeitet wird, kommt aus Deutschland.“ Die Versorgung sei daher auch künftig sichergestellt.

Bei größeren Ketten sichern zudem längerfristige Planungen den Nachschub: „Auch wenn wir keinen Weizen aus Russland oder der Ukraine beziehen, spüren wir natürlich die Anspannung am Markt“, sagt Alex B. Kolbe von der Braaker Mühle Brot- und Backwaren GmbH. „Doch wir sind aktuell noch in einer glücklichen Lage: Bei den Mengen, die wir im Jahr verwenden, sind wir derzeit bis Ende 2022 kontraktiert“, sagt der Manager mit Blick auf bestehende Verträge. Beim kommenden Einkauf werde sich der Preis dann allerdings sehr wahrscheinlich verdoppeln.

Speiseöle könnten knapp werden

Aus der Ukraine kämen außerdem viele Saaten, ergänzt Kolbe: Etwa Kürbis- und Sonnenblumenkerne, sowie, damit verbunden, Öle allgemein, deren Preise ebenfalls stark steigen würden. „Denn wenn Sonnenblumenöl aus der Ukraine wegfällt, steigt die Nachfrage an Rapsöl – und damit auch dessen Preis“, warnt Kolbe. „Hier steht zu befürchten, dass nicht nur die Preise steigen, sondern die Ware gleich ganz ausbleibt“, schätzt der Marketingleiter der Braaker Mühle, die in Hamburg etwa in Winterhude, Rahlstedt oder Farmsen Filialen betreibt.

Heinrich Wulf richtet den Blick auf ein weiteres Problem der Branche. „Es gibt immer noch coronabedingte Einbußen“, ergänzt der Inhaber der gleichnamigen Bäckerei mit Geschäften in Eppendorf und Eimsbüttel. Die Folge seien Liquiditätsengpässe, klagt Wulf über die Belastungen der Unternehmen.

Bäcker in Sorge wegen Mindestlohn

Wie andere Branchen auch, die eher geringe Gehälter zahlen, etwa der Handel oder die Gastronomie, wird zudem der erhöhte Mindestlohn die Bäckereien belasten. Bis Mitte 2022 soll der gesetzlich vorgeschriebene Verdienst auf 10,45 Euro steigen. Ab Oktober steht noch einmal ein Zuwachs auf zwölf Euro an, wie es die Ampel-Koalition jüngst beschlossen hat. Der höhere Mindestlohn werde die Personalkosten künftig um bis zu 22 Prozent in die Höhe treiben, rechnet Gerd Hofrichter von der Bäckereikette Junge vor.

Auch die Energiekosten sind Preistreiber. „Unser Geschäft ist ein sehr energieintensives Handwerk“, nennt Hofrichter die weitere Herausforderung für die Betriebe. „Rein rechnerisch kommt es zu Mehrbelastungen von durchschnittlich 20 bis 25 Prozent.“

Bäckerei: Lohnkosten haben den größten Anteil an den Kosten

Inwiefern sich die einzelnen, steigenden Kosten auf die Kalkulation auswirken, macht Thomas Effenberger deutlich: In der Bäckerei spiele der Rohstoffpreis nicht die dominierende Rolle, bei den Handwerksbetrieben liege der Wareneinsatz in der Produktion bei zwölf bis 18 Prozent des Aufwands, die Energiekosten erreichten bis zu fünf Prozent. Den größten Anteil aber machten die Personalkosten aus – etwa die Hälfte des Aufwands. Dazu kommt, dass die Bäckereien auch durch den Fachkräftemangel stark gebeutelt sind. Sie suchen so händeringend Personal, dass sie in ihren Läden mancherorts schon die Öffnungszeiten eingeschränkt haben.