Tangstedt/Hamburg. 100 Tonnen Hilfsgüter hat das Team an die ukrainische Grenze gebracht. Das Abendblatt dokumentiert die Reise der Helfer.

Pünktlich um 6 Uhr am Montagmorgen ist ein großer Hilfskonvoi in Richtung polnisch-ukrainische Grenze gestartet – in der Nacht zum Mittwoch werden die Helfer wieder zurück im Norden erwartet. Initiiert wurde die Aktion von dem Geschäftsführer des Guts Wulksfelde in Tangstedt, Hauke Rüsbüldt, und dem Inhaber des Restaurants Gutsküche, Matthias Gfrörer.

100 Tonnen Hilfsgüter sind in den vergangenen Tagen in neun große Lkw geladen worden, darunter neben Nahrungsmitteln auch Decken, Schlafsäcke, Babynahrung oder Medikamente. An der Grenze wurde die Kartons und Paletten übergeben.

Gut Wulksfelde: Lkw-Konvoi in Richtung Ukraine gestartet

Die Verteilung wurde mit Hilfe zweier befreundeter Rotary-Clubs organisiert. Das Abendblatt dokumentiert in einem Tagebuch die Reise der 19 Männer und Frauen.

Dienstag, 8. März, 17 Uhr

Rüsbüldt und sein Team sind auf der Höhe von Breslau. Das Navi sagt eine Ankunft von kurz vor Mitternacht voraus. Zur gleichen Zeit bei Gfrörer im Lkw: „Langsam sind wir k. o.“, sagt der. Er rechnet damit, erst spät in der Nacht in Wulksfelde zurück zu sein, sein Lastwagen ist einfach zu langsam

Dienstag, 8. März, 12 Uhr

Der Konvoi ist auf dem Weg nach Hause. Gfrörer berichtet, dass ihm ein großer Tross verschiedener Wagen entgegengekommen ist, alle mit dem Schild des Roten Kreuzes versehen. „So langsam scheint auch die Hilfe der großen Institutionen anzulaufen.“ Etwa zweieinhalb Stunden von Krakau seien sie gerade, berichtet Gfrörer. Und er erzählt, dass zwei Lkw noch in dem Lager stünden und ausgeladen würden. Alle neun hätten die Helfer in der Nacht nicht geschafft. Sie würden sich ein wenig später auf den Rückweg machen.

Dienstag, 8. März, 10 Uhr

Das Team um Gfrörer frühstückt noch im Hotel. Der Koch ist noch immer sichtlich angefasst von den Dingen, die er in den vergangenen Stunden erlebt hat. „Ich muss sagen, dass einem selbst das Frühstück gerade surreal vorkommt. Wir sitzen hier und frühstücken, und der schreckliche Krieg ist hier so nah.“ Appetit habe er keinen gehabt. Die meisten seiner Mitstreiter seien Familienväter. Viele seien mitgenommen von den Eindrücken. Dieser Krieg sei so nah.

Dienstag, 8. März, 8.30 Uhr

Rüsbüldt und sein Team starten Richtung Heimat. Ihr Ziel ist es, um Mitternacht zu Hause zu sein.

Dienstag, 8. März, 2 Uhr

Ein Teil der Mannschaft des Hilfskonvois ist in einem kleinen Hotel nicht weit von der Grenze untergekommen. Die Betreiberin der Unterkunft hat auf die Helfer gewartet. Hier haben sie noch in der Nacht ein wenig zusammengesessen und gemeinsam über die Eindrücke gesprochen. „Wenn man das gesehen hat, dann kann man nicht sofort ins Bett gehen“, sagt Matthias Gfrörer. Rüsbüldt und ein paar andere Mitstreiter sind ein Stück weitergefahren, haben ein anderes Hotel gewählt. „Wir sind nur ins Bett gefallen“, sagt er.

Dienstag, 8. März, 1 Uhr

Ankunft am Logistikzentrum. Eine Lagerhalle wartet auf die Hamburger. „So etwas Großes habe ich lange nicht gesehen“, sagt der Koch. „Dieser Anblick hat mir noch einmal so plastisch vor Augen geführt, wie schrecklich der Krieg ist.“ Fein säuberlich seien die einzelnen Dinge sortiert gewesen. Ein Stapel mit Windeln lag neben den Kinderklamotten. Daneben standen Hygieneartikel und so weiter. Schnell seien alle Waren aus den Lkw geladen worden. Helfer der freiwilligen Feuerwehr hätten selbst um diese Uhrzeit bereitgestanden. „Da ist eine regelrechte Logistik entstanden, und das alles nur für diesen Krieg.“

Matthias Gfrörer und Rolf Klobertanz im Lager für Hilfsgüter an der ukrainischen Grenze.
Matthias Gfrörer und Rolf Klobertanz im Lager für Hilfsgüter an der ukrainischen Grenze. © Gfrörer Gutsküche

Hauke Rüsbüldt war mit seinem Lkw an einen anderen Logistikstandort gefahren. Er ist beeindruckt von der Professionalität dort. Innerhalb einer Dreiviertelstunde sei alles umgeladen gewesen, ein Großteil in einen Lastwagen mit ukra­inischem Kennzeichen. Wenig später sei der vom Hof gefahren, direkt in das Krisengebiet. Rüsbüldt: „Das Ziel des Lkw war Lemberg. Mittlerweile sind unsere Sachen dort angekommen und werden verteilt.“ Rüsbüldt berichtet, dass die Güter sowohl an Flüchtlinge, als auch an das ukrainische Militär gehen würden. Aber nicht nur das, sie seien sogar mit Berlinern und Kaffee von dem Team vor Ort versorgt worden.

Montag, 7. März, 16.30 Uhr

„So langsam wird es zäh“, sagt Matthias Gfrörer. Mit den LKW kommen sie nur langsam voran. Er berichtet, dass sie vielen kleinen Transporten begegnen. „Das ist so eine richtige kleine Welle, die man hier erlebt.“ Südlich von Breslau seien sie gerade. Das Navi sagt mittlerweile eine Ankunft für 23 Uhr voraus. „Wenn jetzt nicht noch ein großer Stau kommt.“ Noch sei die Stimmung aber gut. Natürlich. Die Vorfreude auf die Übergabe an der polnisch-ukrainischen Grenze steige mit jedem Kilometer, den sie sich nähern.

Montag, 7. März, 13 Uhr

Matthias Gfrörer am Steuer eines der Lkw, mit denen die Hilfsgüter zur ukrainischen Grenze gebracht werden.
Matthias Gfrörer am Steuer eines der Lkw, mit denen die Hilfsgüter zur ukrainischen Grenze gebracht werden. © Gfrörer Gutsküche

Sie haben es geschafft und die Grenze schneller passiert als ursprünglich geplant. Kein Beamter habe sie angehalten, niemand die Ladung kontrolliert. „Wir konnten einfach so durchfahren“, sagt der Geschäftsführer des Guts und klingt erleichtert. Gerade würde das Team eine Rast machen, einer der Fahrer brauche seine gesetzlich vorgeschriebene Pause. Außerdem soll der Konvoi aufgespalten werden, da die LKW zwei Ziele in Polen ansteuern werden, allerdings nicht weit voneinander entfernt. Zwei Logistikzentren sind das Ziel der Hamburger. Hier sollen die Waren in kleinere Fahrzeuge umgeladen werden, die die Hilfsgüter in der Ukraine verteilen. „Mein Navi sagt wir sollen gegen 20 Uhr da sein, meine polnische Mitarbeiterin, die sich hier besser auskennt, meint wir werden vermutlich eher kurz vor Mitternacht ankommen.“

Montag, 7. März, 11 Uhr

Zwischenstopp auf einer Raststätte: Der Hilfsgüter-Konvoi aus dem Norden kommt gut voran.
Zwischenstopp auf einer Raststätte: Der Hilfsgüter-Konvoi aus dem Norden kommt gut voran. © Gfrörer Gutsküche

„Natürlich haben wir uns verloren“, sagt Rülsbüldt und muss lachen. Aber schnell habe man sich wieder zusammen telefoniert und an einer Tankstelle kurz vor der polnischen Grenze verabredet. Es läuft gut, die LKW kommen gut voran. Nur die maximale Geschwindigkeit von etwa 80 Stundenkilometer „bremst uns ein wenig“. Gerade sei man kurz vor Berlin. In drei Stunden wollen sie die Grenze erreichen.

Montag, 7. März, 9 Uhr

„Wir sind jetzt gut zwei Stunden hinter Hamburg“, sagt Matthias Gfrörer am Telefon. „Es ist eine Fahrt durch eine malerische Landschaft. Raureif auf den Felder, Nebel. Und viele Kraniche am Wegesrand.“ Etwas unwirklich klingen die ersten Beschreibungen aus einem der großen Lkw.

Der Plan des Konvois: Am Cottbusser Tor wollen sie die deutsch-polnische Grenze passieren. Die neun Laster fahren hintereinander her. Zumindest bis zur polnischen Grenze. Sie haben sich gemeinsam bei der Mautstation angemeldet. „So werden wir digital erfasst und hoffen, dass wir schneller durchkommen“, sagt Gfrörer. Dennoch, so der Koch, müssten sie mit einigen Stunden Wartezeit an der Grenze rechnen.

Montag, 7. März, 5.30 Uhr

Die Helferinnen und Helfer am frühen Montagmorgen vor dem Start in Richtung polnisch-ukrainische Grenze.
Die Helferinnen und Helfer am frühen Montagmorgen vor dem Start in Richtung polnisch-ukrainische Grenze. © Thorsten Ahlf

Treffpunkt Gut Wulksfelde. Alle Fahrer und Fahrerinnen, Ersatzfahrer und Unterstützer kommen zu einem Treffen zusammen, bevor es los geht. Es ist dunkel und kalt, langsam sieht man die Sonne aufgehen. Ein Gruppenfoto vor einem Teil der gepackten Lkw, dann kann es los gehen. Die Mitarbeiterinnen von Gut Wulksfelde haben Verpflegungspakete für alle Teilnehmer gepackt. Brote, Getränke, Snacks. Nun kann es endlich losgehen. Kurz nach sechs Uhr am Montagmorgen rollt der Konvoi vom Hof.

Team Gut Wulfsfelde belädt Lkw mit Hilfsgütern für die Ukraine

Sonnabend und Sonntag, 5./6. März

Nun müssen die Hilfsgüter in die Lkw geladen werden. Das Team vom Gut Wulksfelde hat Aufkleber angefertigt in drei Sprachen, Englisch, Deutsch und Polnisch. Jede Palette wird genau gekennzeichnet, damit alles beim Zoll angemeldet werden kann. Außerdem müssen die Lkwgewogen werden, auch das Kontrolliert der Zoll. Übernachtungsmöglichkeiten werden für das Team, das mittlerweile auf knapp 20 Mann angewachsen ist, gebucht. Die Polizei in Polen kontaktiert, um eine reibungslose Anreise zu gewährleisten. Am Sonntag Abend sind alle Laster fertig vorbereitet und eingewogen. Und auf dem Gut abgestellt. „Es kann los gehen“, sagt Gfrörer.

Freitag, 4. März

Die Hilfsbereitschaft ist enorm. Lange Schlangen entstehen an der Spendenannahme. Gfrörer und Rüsbüldt organisieren mehr Lkw, Paletten und Kartons. Und Fahrer. Schließlich brauchen sie pro Lastskraftwagen im Schnitt zwei Fahrer, um die Strecke in kurzer Zeit bewältigen zu können. Außerdem nimmt Rüsbüldt über seinen Rotary-Club Hamburg-Walddörfer Kontakt zu einem befreundeten Rotary Club in Polen auf. Die Verteilung muss gut organisiert werden. „Wir wollen ja nicht einfach alles abstellen und wieder fahren.“

Donnerstag, 3. März

Täglich können Bürger an einer Sammelstelle ihre Spenden abgeben. Allerdings genau abgestimmt, nur Dinge die auf einer Liste des Hilfsteams standen wurden angenommen. „Eine Altkleidersammlung wollten wir nicht werden. Immer morgens und abends nehmen die Mitarbeiter von Gut Wulksfelde die Spenden der Menschen an. Verpacken sie gleich in eigens dafür vorgesehene Kisten, genau sortiert. Eine befreundete Spedition hat Kartons und Paletten zur Verfügung gestellt. Angenommen werden: haltbare Lebensmittel, Medikamente, erste Hilfe Kästen, warme Decken, Isomatten, Schlafsäcke, Zelte, Babygüter, Hygieneartikel, Wasserkanister, Powerbanks und Taschenlampen. „Es war klar, etwas anderes wird hier nicht angenommen“, so Gfrörer. In drei Schichten helfen die Mitarbeiter des Guts, alles anzunehmen und zu verpacken.

Mittwoch, 2. März

In einer gemeinsamen Aktion rufen das Gut Wulksfelde und die Gutsküche zu einer großen Spendenaktion auf. Tagelang haben Matthias Gfrörer und Hauke Rüsbüldt da schon an den Telefonen verbracht und einen Konvoi organisiert. „Ich habe eine Auszubildende, die aus der Ukraine stammt. Sie hat mich angesprochen, ob wir nicht etwas tun können“, sagt Gfrörer. Rüsbüldt wiederrum habe zur gleichen Zeit die Idee gehabt, dass man doch helfen müsse. „Schnell war klar, wenn wir was machen, dann mit Hand und Fuß.“ Also organisierten die Lkw und jede Menge Hilfsgüter, darunter allein ein Laster mit 8000 Flaschen Hafermilch und 10.000 Flaschen Apfelsaft, Eistee und Aprikosensaft des Biosaft-Herstellers Voelkel. Und ein Lkw eines Biokostherstellers mit Trockennahrung und Getreide. Dazu haben Gfrörer und Rüsbüldt ein Sportgeschäft gewinnen können, das Schlafsäcke und vieles mehr bereitstellte. Medikamente wurden aus dem UKE und von Asklepios gespendet. Auch Apotheken aus dem benachbarten Alstertal unterstützen die Aktion.