Hamburg. Handelskammer-Präses spricht von Gefahr für Europa. Hafenbetrieb HHLA räumt Terminal in Odessa. Blohm+Voss hält sich derweil bedeckt.

Mit finsterer Miene, der Situation angemessen, betritt die Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Angela Titzrath am Donnerstagmittag den Sitzungssaal in der Konzernzentrale. Zwei Stunden zuvor haben die ukrainischen Behörden das Containerterminal der HHLA im Hafen von Odessa am Schwarzen Meer geschlossen – nachdem russische Truppen in das Land eingefallen sind. „Dies ist ein bitterer Tag für alle friedliebenden Menschen weltweit“, beginnt die HHLA-Chefin ihre Ausführungen und richtet sich dann direkt an den Aggressor aus Moskau: „Wir verurteilen auf das Schärfste den Einmarsch russischer Truppen in die unabhängige Ukraine. Dies ist ein völkerrechtswidriger Akt, mit dem die seit 30 Jahren in Europa bewährte Sicherheitsarchitektur zerstört wird.“

Dass die Aggression ausgerechnet von einem Land ausgehe, das im Zweiten Weltkrieg so viel Leid erfahren habe, sei nicht zu verstehen. „Unsere Sorge und unser Mitgefühl gilt den Menschen in der Ukraine, die nun in einen sinnlosen Krieg hineingezogen werden.“

Ukraine-Krieg: HHLA hat Mitarbeiter nach Hause geschickt

Nach Ausrufung des Kriegsrechts hatten ukrainische Behörden das Containerterminal der HHLA im Hafen von Odessa am Morgen geschlossen. Zuvor konnte der Hafen noch zwei Containerschiffe abfertigen, die inzwischen Kurs auf den Bosporus genommen haben, um das Schwarze Meer zu verlassen. Die Mitarbeiter hat die HHLA nach Hause geschickt, bis auf acht, die die Hafenanlagen sichern. Insgesamt beschäftigt der Hamburger Konzern im Hafen von Odessa 480 Menschen.

Anfang der 2000er-Jahre hatte die HHLA das Terminal übernommen und 170 Millionen Dollar in dessen Modernisierung investiert. Wie Titzrath nun betont, geschah dies im Vertrauen auf die in der Schlussakte von Helsinki und andere nach dem Ende des Kalten Krieges geschlossene Vereinbarungen zur Sicherheit in Europa. „Wir haben das auch als Beitrag gesehen, um Frieden und Wohlstand in Europa zu sichern“, sagt die Hafenmanagerin.

Solidarität mit den Opfern des Krieges: Die Handelskammer hisst die ukrainische Flagge. Eine Taskforce soll nun betroffene Betriebe unterstützen.
Solidarität mit den Opfern des Krieges: Die Handelskammer hisst die ukrainische Flagge. Eine Taskforce soll nun betroffene Betriebe unterstützen. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Heute ist das CTO, so die Kurzform, das größte und wichtigste Containerterminal der Ukraine, seit die Russen die Krim besetzt haben und das Asowsche Meer mit dem Hafen Mariupol kontrollieren. Mit einem Containerumschlag von jährlich 300.000 Boxen spielt es aber in der Gesamtbilanz des Hamburger Hafenunternehmens nur eine untergeordnete Rolle. „Der HHLA-Konzern wird in seiner Substanz durch die Schließung aufgrund des Kriegsgeschehens nicht beeinflusst“, so Titzrath.

Russland steht auf der Liste der Handelspartner auf Rang 4

Ob und wann das Terminal wieder öffnen darf, sei noch unklar. Wir sind in ständigem Kontakt mit den Behörden“, ergänzt der Geschäftsführer des Bereichs HHLA International, Philip Sweens. „Um unsere Beschäftigten in dieser für sie schwierigen Lage wirkungsvoll zu unterstützen, hat der Vorstand der HHLA heute Morgen beschlossen, einen Monatslohn im Voraus auszuzahlen. So können sie sich in dieser besonderen Situation entsprechend mit den lebensnotwendigen Waren bevorraten“, ergänzt Titzrath.

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Sorgen gibt es nicht nur bei der HHLA, sondern in vielen Teilen des Hamburger Hafens. Schließlich steht Russland auf der Liste der Handelspartner auf Rang 4. „Zusätzliche und erweiterte Sanktionen würden sich auf die jetzt bereits unter Druck stehenden Logistikketten auswirken“, heißt es bei der Marketingorganisation des Hafens. Sie hält ihre Repräsentanz im Hafen von St. Petersburg noch offen. „Wir stehen in ständigem Kontakt, die Arbeit geht vor Ort aber weiter“, sagt ein Sprecher.

Insgesamt reagierte Hamburgs Wirtschaft mit Entsetzen auf den russischen Überfall auf die Ukraine. Schon am Morgen hisste die Handelskammer die ukra­inische Flagge an ihrer Fassade. „Als sichtbares Zeichen der Solidarität der Hamburger Wirtschaft mit den Ukrainern, den Opfern dieses sinnlosen Krieges und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutscher Unternehmen vor Ort“, wie der Präses der Handelskammer, Norbert Aust, sagte. Er zeigte sich am Nachmittag über die aktuellen Vorgänge in der Ukraine „erschüttert“.

„Dieser Krieg ist eine Gefahr für die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung"

„Dieser Krieg ist eine Gefahr für die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung, auf deren Basis wir so erfolgreich wirtschaften.“ Aust kündigte die Einrichtung einer Taskforce zur Unterstützung Hamburger Unternehmen an. Viele hätten nun Sorgen. „Probleme könnten sich in der Energieversorgung, durch Sanktionsrückwirkungen von Lieferkettenunterbrechungen oder den Ausfall von Produktionsstätten aus der Region ergeben“, so Aust weiter.

Keine Auskünfte gibt derweil die Werft Blohm+Voss, zu deren Geschäften die Reparatur von Luxusyachten russischer Oligarchen zählt und deren Mutterkonzern Lürssen den militärischen Schiffbau vorantreibt. Ob das Unternehmen Waffentechnik nach Russland oder die Ukraine liefert, will die Werft nicht bekannt geben. „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu diesen Themen nicht äußern“, sagte ein Sprecher.