Hamburg/Kiew. Es ist ein Gefühl der Ohnmacht. Wir taumeln von einer Weltkrise in die nächste und fragen uns schon wieder: Wohin führt das?

Jeden Morgen sieht die Redaktion des Hamburger Abendblatts nach, welche Begriffskombination im Zusammenhang mit „Hamburg“ im Internet am meisten gesucht wird. Gestern Morgen war es „Entfernung Hamburg Kiew“.

Offenbar wollten viele Menschen wissen, wie nah der Krieg ist, der in der Nacht in der Ukraine ausgebrochen war. Man kann das in Kilometern ausdrücken oder in einem Gefühl, das uns in Hamburg mit den Bürgerinnen und Bürgern im freien Europa verbindet: Dieser Krieg ist nicht weit weg, er betrifft uns so direkt, wie es die vergangenen zwei Jahre die Corona-Pandemie getan hat. Und die hatte ihren Ursprung bekanntermaßen in China ...

Ukraine-Krieg: Es ist ein Gefühl der Ohnmacht

„Wir sind heute Morgen in einer anderen Welt aufgewacht“, hat Außenministerin Annalena Baerbock am Donnerstag gesagt, und genauso werden es viele empfunden haben, die, wie ich, bis zuletzt darauf gehofft hatten, in einer Zeit zu leben, in der am Ende immer die Vernunft siegt. Heute wissen wir: Das war eine Illusion. Wir taumeln von einer Weltkrise in die nächste und fragen uns schon wieder: Wohin führt das? Wie geht das aus?

„Die Lage ist sehr ernst“, hat Bundeskanzler Olaf Scholz gesagt und damit genau dieselben Worte benutzt wie seine Vorgängerin Angela Merkel, als die Pandemie begann. Der entscheidende Unterschied: Damals kämpfte die gesamte Welt mehr oder weniger geschlossen gegen das Virus und schien zu lernen, dass man große Probleme nur gemeinsam lösen kann. Dass ausgerechnet nach dieser Erfahrung der Präsident der zweitgrößten Nuklearmacht in alte, ach was: viel schlimmere Verhaltensmuster zurückfällt, ist kaum zu fassen.

Nach dem Bombardement: Feuerwehrleute löschen Flammen in Tschuhujiw.
Nach dem Bombardement: Feuerwehrleute löschen Flammen in Tschuhujiw. © AFP | ARIS MESSINIS

Es ist ein Gefühl der Ohnmacht, das einen ergreift, wenn man beobachtet, wie ein einzelner Mann die Welt ­ mindestens an den Rand einer Katastrophe führt, hoffentlich nicht deutlich darüber. Diese Ohnmacht resultiert aus der Erkenntnis, dass wir, also all die Länder, die an Frieden und einem vernünftigen Miteinander interessiert sind, Putin und Russland nicht aufhalten können.

In Gedanken sind wir bei den Menschen in der Ukraine

Die bloße Existenz von Atomwaffen macht eine militärische Reaktion unmöglich. Das weiß Putin, er spielt auf eine unverantwortliche und menschenverachtende Art damit. Wir anderen müssen einen Krieg mitten in Europa dulden und auf die Wirkung wirtschaftlicher Sanktionen und hoffentlich wieder anlaufender diplomatischer Bemühungen hoffen, um Europa nicht in einen Krieg zu ziehen, den niemand gewinnen kann.

Was uns viele Jahrzehnte ein weitgehend friedliches Leben beschert hat – nämlich das Gleichgewicht der militärischen Kräfte, die Abschreckung –, zwingt uns jetzt, ruhig zu bleiben und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Wir müssen für den Traum von Frieden und Freiheit kämpfen

In Gedanken sind wir alle jetzt bei den Menschen in der Ukraine, bei den Männern, Frauen und Kindern, die nichts verbrochen haben und die einfach nur in Frieden leben wollen. 1994 hat die Ukraine deshalb freiwillig (!) auf ihre Atomwaffen verzichtet und dafür eine Sicherheitsgarantie aus Russland erhalten. An beides kann man sich dort offensichtlich nicht mehr erinnern.

Die Wahrheit stirbt in einem Krieg zuerst, heißt es, und das stimmt. Die Wahrheit ist: Wir müssen für den Traum von Frieden und Freiheit kämpfen, jeder an seiner Stelle. Und: Die Entfernung zwischen Hamburg und Kiew beträgt rund 1500 Kilometer.