Hamburg. Selbst ein Mittelreihenhaus in Hamburg überschreitet schon den Freibetrag für die Kinder. Welche Möglichkeiten die Eigentümer haben.
Die steigenden Immobilienpreise in Hamburg sind auch für Haus- und Wohnungsbesitzer ein Warnruf. Zwar freuen sie sich über die jährlichen Wertsteigerungen ihrer Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen. Mit Blick auf die Vererbung können sich aber immer höhere Belastungen der Erben durch die Erbschaftsteuer ergeben.
In vielen Fällen reichen die Freibeträge nicht mehr aus, um Immobilien steuerfrei zu vererben. Das gilt erst recht, wenn das Erbe nicht nur aus einer Immobilie besteht, sondern noch andere Werte hinzukommen. Deshalb sollten sich Erblasser schon früh mit der Frage beschäftigen, ob sie die Immobilie nicht schrittweise in Form von Schenkungen an die Kinder übertragen, ohne ihr Wohnrecht aufzugeben. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Immobilien und Erbschaftsteuer.
Immobilien Hamburg: Wie hat sich der Wert entwickelt?
Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Immobilienpreise in Hamburg verdoppelt. Ein frei stehendes Einfamilienhaus in Hamburg hat inzwischen einen Wert von über 900.000 Euro, eine Doppelhaushälfte von 666.000 Euro. Selbst ein Mittelreihenhaus kostet mehr als eine halbe Million Euro.
Lediglich die Eigentumswohnung liegt mit 394.000 Euro noch unter dem Freibetrag von 400.000 Euro, der für das Erbe der Kinder entscheidend ist. Die Werte stammen aus dem aktuellen Bericht des Gutachterausschusses und beziehen sich auf tatsächliche Kaufpreise im Jahr 2020. Inzwischen dürften die Werte also noch deutlich gestiegen sein. Die Zahlen sind aber verlässlicher als Angebotspreise aus Immobilienportalen.
Was bedeutet das für ältere Immobilienbesitzer?
„Das sind nur Durchschnittswerte, die tatsächlichen Werte vieler Immobilien liegen noch viel höher“, weiß Thomas Krüger, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in der Kanzlei Schomerus aus seiner Beratungstätigkeit. „Viele ältere Immobilienbesitzer müssen sich mit dem Thema beschäftigen, sonst drohen ihren Erben hohe Steuerbelastungen.“ Das betrifft vor allem Ehepaare in denen nur ein Partner Eigentümer der Immobilie ist. Dann reichen die Freibeträge nicht mehr aus.
„Als erster Schritt sollte dem anderen Ehepartner die Hälfte der Immobilie übertragen werden“, sagt Krüger. „Denn Ehegatten und eingetragene Lebenspartner haben die Möglichkeit das selbst genutzte Wohneigentum ganz oder in Teilen auf den anderen Ehegatten zu übertragen, ohne dass dessen persönlicher Freibetrag angegriffen wird.“ Damit fällt unabhängig vom Wert keine Schenkungssteuer an.
Zusätzlicher Effekt: Durch die Schenkung verdoppeln sich die Freibeträge für die Kinder, da beide Partner sie nutzen können. In weiteren Schritten kann dann überlegt werden, die Immobilie in einem oder mehreren Schritten im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge auf das Kind zu übertragen. Die Freibeträge können alle zehn Jahre erneut in Anspruch genommen werden.
Muss man dann aus der Immobilie ausziehen?
Natürlich sollen die Eltern nicht aus der Immobilie ausziehen. Schenkungen von Immobilien müssen notariell beurkundet werden. Damit sind auch Nutzungsrechte der Eltern gut abgesichert. Das Nießbrauchrecht ist umfassender als das Wohnrecht und ermöglicht auch eine Vermietung der Immobilie. Bei einem lebenslangen Wohnrecht sind die Kinder als neue Eigentümer verpflichtet, die Instandhaltung der Immobilie zu übernehmen.
Anders als beim Nießbrauch verfügen die Kinder über entsprechende Mieteinnahmen, um die Kosten für die Instandhaltung zu übernehmen. Ob also Wohnrecht oder Nießbrauch, hängt auch davon ab, in welcher finanziellen Lage die Eltern sind und was sie mit der Schenkung erreichen wollen. Droht der Einzug in das Pflegeheim, kann ein Nießbrauchrecht vorteilhafter sein, weil dann das Haus vermietet werden kann und die Mieteinnahmen von den Eltern für die Pflegekosten genutzt werden können.
Wie rechnet sich das konkret?
Wenn man davon ausgeht, dass ein Einfamilienhaus im Wert von 900.000 Euro zu gleichen Teilen an zwei Kinder verschenkt werden soll, dann würden die beiden Immobilienanteile mit je 450.000 Euro um je 50.000 Euro über dem Freibetrag liegen. „Aber ein Wohn- oder Nießbrauchrecht mindert den Schenkungswert, die Höhe hängt maßgeblich vom Alter des Schenkers und bei vermieteten Immobilien auch von den Erträgen ab“, sagt Krüger. In diesem Beispiel würde also für den Sohn und die Tochter keine Schenkungssteuer fällig.
Was droht ohne dieses Schenkungsmanagement?
Wenn nur noch ein Elternteil da ist und dann stirbt, ergibt sich für ein Kind als Alleinerbe folgende Rechnung: Bei einem Immobilienwert von 900.000 Euro und einem Freibetrag von 400.000 Euro, müssen 500.000 Euro versteuert werden. Das Kind fällt als nächster Verwandter in die Steuerklasse I und zahlt in diesem Fall – abhängig von der Erbsumme – 15 Prozent Steuern auf 500.000 Euro, also 75.000 Euro Erbschaftsteuer, vorausgesetzt es gibt nicht noch andere Vermögenswerte. Bei zwei Kindern, die zu gleichen Teilen erben, müssten sie nur 50.000 Euro mit sieben Prozent versteuern.
Können Kinder eine Immobilie nicht steuerfrei erben?
Ja, es gibt eine Ausnahme, die allerdings an Bedingungen geknüpft ist. Das Elternhaus darf nicht größer als 200 Quadratmeter sein und der Erbe muss zehn Jahre in der Immobilie wohnen. Eine Ausnahme gibt es nur, wenn man den Haushalt nicht mehr selbst führen kann und in ein Seniorenheim ziehen muss. Das Familienhaus muss innerhalb von sechs Monaten bezogen werden. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, werden auch keine Steuern fällig, wenn der Freibetrag überschritten ist.
Was ist mit vermieteten Immobilien?
Die steuerfreie Übertragungsmöglichkeit von Immobilien an den Ehegatten gilt nur für selbst genutztes Wohneigentum. Mit der sogenannten Güterstandsschaukel gibt es auch in dem Fall, wo nur ein Partner das vermietete Objekt besitzt, eine Möglichkeit des steuerfreien Übertrags.
„Nehmen wir an, das Ehepaar lebt wie üblich in der Zugewinngemeinschaft, dann kann es mit einem Ehevertrag in die Gütertrennung wechseln. Dazu wird das bisher in der Ehe erworbene Vermögen ausgeglichen und dieser Vorgang unterliegt nicht der Schenkungssteuer“, sagt Krüger. Die vermietete Immobilie gehört also jetzt auch dem anderen Partner zur Hälfte. Mit einer Schamfrist von einem viertel oder halben Jahr kann das Paar dann wieder in die Zugewinngemeinschaft wechseln. Manchmal auch schneller.
Warum ist für Immobilienbesitzer ein Testament so wichtig?
Selbst junge Familien mit einer Immobilie sollten ein Testament haben, damit nicht die gesetzliche Erbfolge eintritt. Denn dann würde gelten: Stirbt der Mann, erbt die Frau die Hälfte des Hauses und die noch minderjährigen Kinder die andere Hälfte.
„Während sich geldwertes Vermögen innerhalb einer Erbengemeinschaft meist einfach unter den einzelnen Miterben aufteilen lässt, verhält es sich bei Immobilien oft komplizierter“, sagt Rechtsanwalt Tim Wistokat von der Firma von Poll Immobilien. Deshalb sollten sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzen. „Die bevorzugte Form dafür ist das Berliner Testament“, sagt Krüger. Die Kinder hätten dann zwar auch noch einen Pflichtteilsanspruch, aber dass er von Minderjährigen geltend gemacht wird, passiere praktisch nie. Die Kinder erben erst dann, wenn beide Elternteile verstorben sind.
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Was ist, wenn Paare als Immobilieneigentümer unverheiratet sind?
„Das ist eine sehr schwierige Lage und der einfachste Rat in dieser Lage ist häufig, heiraten Sie besser“, sagt Krüger. Selbst wenn jeder die Hälfte der Immobilie besitzt und im Grundbuch eingetragen ist, führt der Tod eines Partners ohne Testament für den überlebenden Besitzer zu einer verheerenden Lage. Denn den Anteil des verstorbenen Partners wird an seine nächsten Verwandten vererbt, zum Beispiel seine Kinder.
Wollen die Erben schnelles Geld machen, droht eine Teilungsversteigerung, wenn der überlebende Partner die Erben nicht ausbezahlen kann. Geregelt werden können Besitz und Erbe mit der Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Zumindest ein Testament sollte aber gemacht werden. So kann der Immobilienanteil dem anderen Lebenspartner vererbt werden.