Hamburg. Umsatz und Kundenzahl entwickeln sich gut, doch der Mode-Onlinehändler verharrt in der Verlustzone. Wie geht es weiter?
Dass About You sich auf die Kunst der Inszenierung versteht, sieht man auf den ersten Klick. Einem Modemagazin ähnlich lässt es sich beim Hamburger Onlinehändler durch viele Fotos von schönen Menschen blättern – natürlich immer im angesagten Look. Bekannte Influencer, Musiker und Models präsentieren sich mit ihren neuesten Outfits und zunehmend auch mit von About You lancierten Modekollektionen, die Kunden wie bei einem digitalen Schaufensterbummel ganz einfach vom Sofa aus bestellen können. Bei der About You Fashion Week, einer glamourösen Modenschau im Herbst, gaben sich in Berlin die Promis die Klinke in die Hand.
Im achten Jahr ist About You mit dem charismatischen Mitgründer Tarek Müller (33) an der Spitze und 1300 Beschäftigten eine der am schnellsten wachsenden digitalen Modeplattformen Europas. Dabei wird immer deutlicher, dass das Unternehmen zwar Mode verkauft, dabei aber vor allem ein Technologie-Unternehmen ist. Wo steht About You gut ein gutes halbes Jahr nach dem Börsengang und wenige Wochen vor dem Ende des Geschäftsjahrs?
About You: Wie laufen aktuell die Geschäfte?
Sehr gut, zumindest was Umsatz und Kunden betrifft. About You meldet auch im zweiten Pandemiejahr Umsatzsteigerungen von mehr als 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und hat die Marke von einer Milliarde Euro Umsatz in den ersten neun Monaten deutlich überschritten. Knapp elf Millionen Kunden haben in dem Zeitraum auf der digitalen Modeplattform geordert – ein Drittel mehr als vor einem Jahr.
Auch die durchschnittliche Zahl der Bestellungen pro Kunde sind gestiegen (2,9) ebenso wie der Bestellwert (58,80 Euro). Das hat einerseits mit der wachsenden Bereitschaft zu tun, Textilien online zu bestellen – gerade auch angesichts der aktuell hohen Corona-Infektionszahlen. Ein weiterer Grund für die positive Erlösentwicklung ist die Expansion in weitere europäische Märkte auf aktuell 26.
Wie hat sich das Einkaufsverhalten in der Pandemie verändert?
Die 2014 als Tochter der Hamburger Otto Group gegründete Online-Plattform steht für trendige Mode und stark auf die Kunden zugeschnittene Angebote. „Waren vor der Pandemie Kleider unsere umsatzstärkste Kategorie, ist es jetzt legere Kleidung wie Jogginghosen und Loungewear, die unsere Kundinnen zu Hause tragen“, sagt eine Unternehmenssprecherin.
Das bildet sich auch auf den Internetseiten ab, wo unter anderem Ex-Topmodel und Unternehmerin Lena Gercke in Sport- und Freizeitmode ihrer Kollektion LeGer präsentiert wird. Es sei aber damit zu rechnen, dass sich mit dem Corona-Lockerungen auch das Einkaufsverhalten wieder ändern und vermehrt anlassbezogene Kleidung gekauft werde, so die Prognose. Das breite Sortiment mit mehr als 400.000 Artikeln von über 2000 Marken decke beides ab.
Wann wird About You Gewinn machen?
About You schreibt weiterhin rote Zahlen. Trotz der hohen Umsatzzuwächse geht das Management für das laufende Geschäftsjahr von einem Verlust in Höhe von 70 Millionen Euro aus. Im dritten Quartal lag das Minus konzernweit bei sechs Prozent (bereinigte Ebitda-Marge), eine Verschlechterung zu den minus 4,1 Prozent ein Jahr zuvor. Besser sieht es in der DACH-Region aus, wo die Plattform operativ Geld verdient ebenso wie im Geschäft mit Firmenkunden.
Die Verluste begründet das Unternehmen mit hohen Investitionen, unter anderem für den Markteintritt in vier südeuropäischen Ländern im dritten Quartal. Insgesamt investiert About You im laufenden Geschäftsjahr 50 Millionen Euro – 16 Millionen Euro mehr als zunächst geplant. „Wir sind exakt im Plan und der Prognose“, heißt es aus der Zentrale in der Hamburger Innenstadt. Danach soll About You die Gewinnzone im übernächsten Geschäftsjahr 2023/2024 erreichen – zehn Jahre nach der Gründung.
Ob das gelingt, ist aus Sicht von Branchenexperten allerdings von verschiedenen Faktoren abhängig. Dazu gehören auch bevorstehende Zinserhöhungen. Gerade wachstumsorientierte Technologie-Unternehmen leiden darunter stärker, weil damit die Finanzierungskosten steigen.
Was hat der Börsengang gebracht?
Spekuliert worden war darüber schon länger: Im Juni 2021 hatte About You dann schließlich sein Börsendebüt an der Frankfurter Börse hingelegt. Gesamtvolumen: 842 Millionen Euro, davon flossen 657 Millionen Euro in die Kassen des Unternehmens. Allerdings hat die Entwicklung des mit hohen Erwartungen gestarteten Papiers viele Anleger enttäuscht. Verglichen mit dem Ausgabepreis von 23 Euro hat die Aktie mehr als ein Fünftel eingebüßt.
Nach dem Tief im November hatte sie im Dezember zwar noch mal auf über 25 Euro zugelegt, die Gewinne aber mittlerweile wieder eingebüßt. Mitte der letzten Januarwoche war der Kurs erstmals auf unter 16 Euro gerutscht. Trotzdem sieht sich das Management in dem Schritt bestätigt. „Wir haben uns mehr Sichtbarkeit und besseren Zugang im Kapitalmarkt zur Stärkung unseres Wachstums erhofft. Diese Erwartungen haben sich erfüllt“, so die Unternehmenssprecherin.
Sie betonte, dass der Kursverlust der Aktie nicht von den Unternehmensergebnissen getrieben sei, sondern von externen Faktoren. Im Vergleich zu anderen Mode-Onlinehändlern oder Technologie-Börsendebüttanten aus 2021 entwickele sich der About-You-Kurs allerdings besser.
Wie sehen Analysten die About-You-Aktie?
Insgesamt optimistisch. Nach der Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das dritte Quartal vor zwei Wochen hatte ein halbes Dutzend Analysten zum Kauf des Papiers mit Kurszielen zwischen 27 und 32 Euro geraten. „About You ist auf einem guten Weg. Was sie an Umsatz versprochen haben, haben sie geliefert und sogar mehr als das“, sagt Volker Bosse von der Baader Bank.
Die negative Aktienkurs-Performance sei vor allem in sich ankündigenden Zinssteigerungen begründet, die Investoren zurückhaltender werden ließen. Das, was Anleger bereit seien, für erwartete Umsätze zu zahlen, sei um 30 Prozent gesunken. „Das trifft viele Tech-Titel, die abgestürzt sind“, so der Analyst. Bei About You komme dazu, dass das Unternehmen im Juni auf dem Höhepunkt der Euphorie in den E-Commerce-Markt an der Börse gestartet sei. „Das bedeutet nicht, dass das Unternehmen jetzt schlechter ist.“
Bosse sieht für die nächsten Jahre positive Wachstumsaussichten und rät den Anlegern zum Kauf der Aktie mit einem Kursziel von 27 Euro. „Das aktuelle Kursniveau ist eine gute Einstiegsmöglichkeit für Investoren mit einem mittelfristigen Anlagehorizont.“ Auch die Deutsche Bank hat die Einstufung für About You auf „Buy“ mit einem Kursziel von 32 Euro belassen.
„Wir denken, das starke Wachstum in einem Umfeld, in dem auch andere Onlinehändler Herausforderungen sehen, untermauert die Präsenz von About You in den Generationen Y und Z mit einem datengesteuerten kuratierten Modeansatz“, schreibt Analystin Nizla Naizer in ihrer Einschätzung. Der Umsatz im dritten Quartal habe ihre Prognose um fünf Prozent übertroffen.
Welche Pläne gibt es für 2022?
Für das laufende Geschäftsjahr, das Ende Februar endet, hat das Management die Umsatzprognose auf deutlich mehr als 1,7 Milliarden Euro angehoben. Das ist ein Plus von 48 bis 52 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bis zum Jahr 2025 sollen die Umsätze dann noch einmal kräftig auf fünf Milliarden Euro steigen. Um mit dem Wachstum Schritt zu halten, plant das Unternehmen mehr Ausgaben für IT- und Logistikinfrastruktur.
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Früheren Aussagen zufolge will About You sich 2022 auf den Ausbau der bestehenden Märkte konzentrieren und weniger darauf, neue zu erschließen. Als weitere Einnahmequelle vermarktet die Tech-Plattform jetzt auch die eigene E-Commerce-Infrastruktur Scayle verstärkt.
Zu den Kunden dieses Angebots zählen nach Unternehmensangaben bereits 100 Onlineshops in 26 europäischen Ländern. Darunter sind bekannte Namen wie Marc O’Polo, Depot, The Founded und Tom Tailor.