Hamburg. Sie verlangen deutlich mehr Lohn für die Beschäftigten wegen hoher Inflation. Der Senat soll sich auch für Betriebsräte starkmachen.

Bei den im Laufe dieses Jahres beginnenden Tarifrunden in zahlreichen Branchen werden die Gewerkschaften vornehmlich deutliche Lohnzuwächse fordern. „Die Leute brauchen wegen der hohen Inflationsrate einfach das Geld. Die Erwartung der Beschäftigten ist, das wir da für sie viel herausholen“, sagte Jan Koltze, der Hamburger Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) bei der Jahresauftakt-Pressekonferenz der Chefinnen und Chefs der acht DGB-Gewerkschaften in der Region Hamburg mit Tanja Chawla, der neuen Chefin des Gewerkschaftsbundes in der Hansestadt.

Ver.di und Co fordern auch in Hamburg Inflationsausgleich

Bei den anderen Gewerkschaften sieht es ganz ähnlich aus. „Die Entgelte werden in den kommenden Tarifverhandlungen eine ganz wesentliche Rolle spielen“, sagte Berthold Bose, der Geschäftsführer der größten Einzelgewerkschaft Ver.di. „Die hohe Inflation wird sich in der Höhe unserer Forderungen widerspiegeln.“ Für das vergangene Jahr hatte das Bundesamt für Statistik unlängst eine Teuerungsrate von 3,1 Prozent bekannt gegeben. In der zweiten Jahreshälfte und stark getrieben von deutlich höheren Energiepreisen lag sie im Monatsvergleich sogar bei mehr als fünf Prozent – und war im Dezember die höchste seit annähernd 30 Jahren.

Bis zum Ausbruch der Pandemie war es in den Tarifverhandlungen oft auch darum gegangen, andere Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen: Flexiblere Arbeitszeiten, mehr Freizeit, Wahlmöglichkeiten zwischen mehr Geld und mehr Urlaub waren in vielen Branchen wichtige Themen. Zuletzt hatte die IG Bau im Herbst 2021 erreicht, dass Beschäftigte in der boomenden Baubranche auch für die Anfahrtszeiten zu den häufig wechselnden Baustellen entschädigt werden. Solche Aspekte, werden in den nächsten Tarifverhandlungen wohl kaum noch eine große Rolle spielen, so die Einschätzungen der Chefinnen und Chefs der Gewerkschaften.

Gewerkschaften wollen wohl sechs Prozent Inflationsausgleich

Wie viel Prozent mehr Lohn und Gehalt sie fordern werden, ist vielfach noch nicht festgelegt – und wird zumeist auch gar nicht in Hamburg, sondern bundesweit entschieden. Doch die Richtung, in die es gehen soll, wurde beim Treffen der Spitzen-Gewerkschafter schon mal deutlich: „Es muss mindestens einen Inflationsausgleich geben“, hieß es immer wieder. Es zeichnet sich ab, dass wohl häufig die Zahl sechs vor dem Komma steht, wenn die Forderung konkret wird. So verlangt die IG Metall derzeit 6,0 Prozent mehr bei einer Laufzeit von zwölf Monaten in einer kurzen Tarifrunde.

„Das wird spannend“, sagte Ina Morgenroth, die Geschäftsführerin in der Region Hamburg. Im Herbst beginnen die Verhandlungen in der Kernbranche Metall- und Elektroindustrie. Morgenroth: „Es darf keinen Reallohnverlust, es muss einen Lohnzuwachs geben.“

Und auch in der von der Pandemie stark betroffenen Gastronomiebranche sind die Erwartungen hoch. „Unsere Tarifempfehlung liegt zwischen 5 und 6,5 Prozent, das kann individuell angepasst werden“, sagte Silke Kettner von der NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten). Insbesondere die Einstiegslöhne, so eines ihrer Ziele, müssten künftig „deutlich über dem Mindestlohn“ liegen.

Nach den Plänen der neuen Bundesregierung soll der zügig auf 12 Euro pro Stunde steigen. Kettner: „Die Gastronomie darf nicht zu einer Mindestlohnbranche werden.“ In Unternehmen wie McDonald’s, wo die Gewerkschaft stark vertreten sei und es häufig Betriebsräte gebe, sei es gelungen, die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent zu erreichen, sagte sie.

„Betriebsratsgründungen werden immer wieder massiv behindert“

Die Neuwahl der Betriebsräte in diesem Frühjahr ist für die Gewerkschaften ein weiteres zentrales Thema. DGB-Chefin Chawla beklagte: „Betriebsratsgründungen werden immer wieder massiv behindert.“ Mitglieder von Betriebsräten würden eingeschüchtert oder mit Entlassung bedroht. Bundesweit und auch im Norden seien nur noch gut 40 Prozent der Beschäftigten in Firmen tätig, in denen es Mitbestimmung durch einen Betriebsrat gebe. Dabei bräuchten Unternehmen, die sich zukunftsfähig aufstellen wollten, Betriebsräte.

„Nur aktiv mitbestimmte Veränderungsprozesse werden erfolgreich sein“, so Chawla. Die Unternehmen müssten gemeinsam mit den Beschäftigten die bevorstehenden Veränderungen gestalten. Untersuchungen zeigten, dass in Firmen mit einem Betriebsrat höhere Löhne gezahlt werden, die Unternehmen wirtschaftlich besser dastünden und die Motivation der Beschäftigten höher sei.

Ver.di-Chef: Start-ups tun sich schwer mit Betriebsräten

Beim Bergedorfer Zigarettenmaschinen-Hersteller Hauni sei es zum Beispiel dem Management und dem Betriebsrat gemeinsam gelungen, den geplanten Abbau von fast 1000 Arbeitsplätzen zumindest abzumildern und betriebsbedingte Kündigungen ganz zu vermeiden, sagte Ina Morgenroth. Ver.di-Chef Bose dagegen schilderte ein Negativbeispiel: „Bei einem Hamburger Unternehmen aus der Spielebranche haben die Beschäftigten, die die Gründung eines Betriebsrats angeschoben haben, sofort die Kündigung erhalten.“ Seine Erfahrung: In stark gewachsenen früheren Start-ups mit eher lockeren Arbeitsbedingungen tue sich das Management oft besonders schwer, organisierte Mitbestimmung zu akzeptieren.

„Wir wünschen uns vom Hamburger Senat, dass er Einfluss nimmt auf Unternehmen, die noch keinen Betriebsrat haben“, sagte Bose. Und noch eine Forderung haben die Gewerkschaften an Senat und Behörden der Hansestadt. „Wir erwarten, dass auch in Hamburg Aufträge der öffentlichen Hand nur noch an Unternehmen vergeben werden, die sich tariftreu verhalten“, sagte IG-BAU-Chef Matthias Maurer.