Hamburg. Hamburgs einzige Fachbuchhandlung für Kunst, Design und Architektur existiert nicht mehr. Das sind die Hintergründe.

Man hat sich jedes Mal wieder gewundert, wie viele Bücher in diesen Laden passen. Groß dimensionierte Kunstbände, Ausstellungskataloge aus der ganzen Welt, Veröffentlichungen über die aktuellen Strömungen in Design und Fotografie – vollgestellte Regale bis unter die hohen Decken. Über Jahrzehnte war die Kunstbuchhandlung Sautter+Lackmann auf der Fleetinsel eine wichtige Adresse für Experten und Interessierte am Schönen und Erhebenden. Jetzt sind die Geschäftsräume leer. Statt Büchern sieht man durch die großen Schaufenster Baumaterial, vorne liegen Kabelrollen. Zwei eng bedruckte Zettel sind an die Tür gepinnt, überschrieben mit „Mitteilung zur Geschäftsaufgabe“.

Hamburger Buchhandlung Sautter+Lackmann schließt

Es ist das Ende einer Hamburger Institution. Das Ende eines Abschieds in Raten von der traditionsreichen Fachbuchhandlung, die weit über die Stadtgrenzen hinaus hohes Ansehen genossen hat. Schon im Frühjahr 2021 hatte Sautter+Lackmann das Stammhaus an der Admiralitätstraße verlassen und war mit mehreren Zehntausend Büchern in Ausweichräume im Oberhafenquartier gezogen.

Eine Übergangslösung, wie es damals hieß, während die 500 Quadratmeter große Verkaufsfläche grundlegend saniert und ein Zukunftskonzept entwickelt werden sollte. Jetzt steht fest, dass es so nicht kommen wird. Der Geschäftsbetrieb wurde zum Jahresende ziemlich sang- und klanglos eingestellt. „Wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektive“, wie die derzeitigen Geschäftsführer Philip Oetker aus der gleichnamigen Unternehmerfamilie und seine Frau, die Architektin Giulia Foscari, schreiben.

Das Aus für die Kunstbuchhandlung Sautter + Lackmann.
Das Aus für die Kunstbuchhandlung Sautter + Lackmann. © Hanna-Lotte Miktuteit

Inhaber Florian Sautter war 2021 ausgestiegen

„Es ist bitter und fühlt sich schrecklich an“, sagt Florian Sautter. Der 51-Jährige hatte die Fachbuchhandlung nach dem Ausscheiden seiner Eltern Hinrich und Gisela Sautter 15 Jahre lang geführt. Seit einigen Monaten arbeitet er in der PR-Abteilung eines großen Architektenbüros. Der gelernte Buchhändler hatte Ende 2019, nachdem das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten war, das Ehepaar Oetker/Foscari als finanzkräftige Partner gewonnen und damit die drohende Insolvenz abgewendet.

„Es gab einen immensen Reform- und Renovierungsstau. Dafür hatten wir das Kapital nicht“, sagt Sautter. Die Umsätze waren zurückgegangen. Vor allem das Internet, auch die wachsende Zahl an Museumsshops machte der Buchhandlung zu schaffen, deren Kerngeschäft die umfassende Auswahl an schwer zu beschaffenden Kunstbänden war. „Wir als Familie haben auch Fehler gemacht“, weiß der Firmenerbe, der in der neuen Firma Sagaponack mit verändertem Geschäftsmodell durchstarten wollte.

Sautter+Lackmann: Promis wie Udo Lindenberg zu Gast

Dann kam Corona mit weiteren finanziellen Einbußen. „Das hat nicht dazu beigetragen, dass gemeinsam ein gutes Konzept entwickelt werden konnte“, sagt Sautter, wenn man ihn nach Gründen für seinen überraschenden Ausstieg vor knapp einem Jahr fragt. Dissens gab es offenbar vor allem über die Generalsanierung der Geschäftsräume. „Ich hatte gedacht, dass man gemeinschaftlich über einen neuen Weg reden würde.“ Im März 2021, kurz vor dem Umzug in das Zwischenquartier, nahm er sich eine Auszeit. „Daraus ist ein Abschied geworden“, sagt er. Und betont: „In gegenseitigem Respekt.“

Konkretes will Sautter nicht preisgeben. Aber man hört, wie schwer der Verlust für ihn und für seine Eltern ist. Die hatten das Unternehmen 1970 gemeinsam mit Dierk Lackmann als Buchladen und Galerie unter dem Namen Kunst+Buch am Klosterstern gegründet und zu einem Treffpunkt der Kulturszene gemacht. Auch nach dem Umzug auf die Fleetinsel 1989 lief das Geschäft. Es gab zahlreiche Veranstaltungen, Prominente wie Armin Mueller-Stahl oder Udo Lindenberg waren zu Gast.

Suche nach neuem Betreiber ohne Erfolg

Auch im sogenannten S+L-Sommerlager, das die neuen Eigentümer als eine Art Pop-up-Shop in einer ehemaligen Lagerhalle am Oberhafen eröffnet hatten, lief der Betrieb zunächst weiter. Es gab Lesungen im Rahmen des Hamburger Kultursommers. Parallel waren die fünf Mitarbeiter aber vor allem mit der Inventur des mehr als 35.000 Bücher umfassenden Bestandes beschäftigt – sämtlich Einzelstücke, zusammengetragen nach dem Konzept einer „enzyklopädischen Sammlung“.

Im Herbst wurde klar, dass die Suche nach einem neuen Betreiber für das Traditionsgeschäft erfolglos bleiben würde – offenbar der Hauptgrund, aus dem sich das Geschäftsführerpaar, beide beruflich anderweitig eingespannt, für die Aufgabe von Sautter+Lackmann entschied. Weitere Details wurden nicht bekannt. Oetker und Foscari sind derzeit im Urlaub.

Teil der Bücher geht an die Kunsthochschule

Für Hamburg ist das Aus der Kunstbuchhandlung ein schwerer Verlust. Auch insgesamt nimmt die Zahl der Betriebe ab. Laut Handelskammer gibt es aktuell 177 Buchhandlungen in der Hansestadt. Vor zehn Jahren waren es noch 277. Damit der beeindruckende Bücherschatz von Sautter+Lackmann mit dem Aus nicht komplett verloren geht, wurde eine Sachspende an die Hochschule für bildende Künste verabredet.

Noch bis Ende Februar arbeitet sich Bibliotheksleiterin Andrea Klier durch Zehntausende Bände. „Ich suche das aus, was eine interessante Ergänzung für unseren Bestand ist“, sagt die promovierte Kunsthistorikerin, die „schon besondere Fundstücke ausgemacht hat“. Einen Trost gibt es noch für ehemalige Kunden und andere Kunstliebhaber: Ende März soll es einen Räumungsverkauf geben – wenn die Pandemie es erlaubt.