Hamburg. Der Sammeltaxi-Dienst experimentiert in Hamburg mit seinem Geschäftsmodell und macht aus seiner Preispolitik gern ein Geheimnis.

Seitdem die Moia-Busse durch Hamburg kurven, hat Valentin Wimmer den Fahrservice gerne und oft genutzt. Schneller und bequemer als mit Bus und Bahn sei er mit Moia auf den Strecken unterwegs, die er in der Stadt häufig fährt, sagt der Student aus Niendorf. Das war es ihm wert, den im Vergleich mit dem öffentlichen Nahverkehr höheren Fahrpreis für das Sammeltaxi zu zahlen. Neuerdings aber entscheidet sich Wimmer häufig für den HVV, wenn ihm die Moia-App nach seiner Buchungsanfrage den Fahrpreis nennt. „Der ist jetzt oft höher als früher, zum Teil deutlich höher“, sagt er.

Wimmer ist einer von mehreren Abendblatt-Lesern, die in den vergangenen Tagen über ungewohnt hohe Moia-Preise klagten. So wie eine Leserin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte: „Zehn Euro für eine Fahrt von Eimsbüttel nach Ottensen, das kam mir doch vergleichsweise viel vor.“ Bei der Frau war es „mehr so ein Gefühl“, Valentin Wimmer hat harte Vergleichsdaten.

Moia Hamburg: Kunden klagen über höhere Preise

Für eine gemeinsame Fahrt mit einem Freund spätabends von der Alster nach Niendorf zahlte er Mitte August 11,90 Euro, wenige Tage nach Weihnachten hätte die gleiche Fahrt zu dieser Tageszeit 17,05 Euro gekostet. Ein noch größeres Preisplus ermittelte er für eine Fahrt einer Person von Niendorf nach Schnelsen. Die kostete ihn am 19. Dezember 2020 nur 6,95 Euro, dieser Tage wären es 12,70 Euro gewesen – gut 80 Prozent mehr. Einziger Unterschied: In den aktuellen Preisen ist eine Vorbestellungsgebühr enthalten, deren genaue Höhe das Unternehmen nicht nennt. Es spricht von einem „kleinen Aufpreis“.

Hat Moia also die Fahrpreise erhöht? „Nein“, sagt Unternehmenssprecherin Jennifer Langfeldt auf Anfrage des Abendblatts, „wir haben keine Anpassungen beim durchschnittlichen Preislevel durchgeführt.“ Für unterschiedlich hohe Preise einer Fahrt hat sie eine Begründung: „Seit Start des Services arbeitet Moia mit einem dynamischen Preissystem. Die Berechnung des Preises ist komplex und richtet sich nach verschiedenen Parametern wie der Entfernung sowie nach dem Wochentag und der Uhrzeit.

Moia macht keine Angaben zur Höhe des Grundpreises

Der Fahrpreis kann in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage variieren, das heißt die Fahrpreise in nachfrageschwächeren und nachfragestarken Zeiten können unter Berücksichtigung der verschiedenen Parameter unterschiedlich ausfallen.“ Moia-Vielnutzer wissen: In Zeiten großer Nachfrage, insbesondere am Morgen zwischen 8 und 9 Uhr und abends rund um 18 Uhr, ist die Fahrt meist teurer.

Wie stark der günstigste und der höchste Preis einer identischen Fahrt voneinander abweichen können, das bleibt ein Geheimnis des Unternehmens. Andere Details wie etwa die Höhe des Grundpreises einer Fahrt, gibt Moia ebenfalls nicht bekannt. „Zur Höhe machen wir keine Angabe“, sagt Langfeldt. Sie betont zugleich, es seien derzeit nicht weniger Moia-Busse auf den Straßen unterwegs, das Angebot sei unverändert. „In den Wochen vor Weihnachten waren bis zu 230 Wagen auf der Straße. Das entspricht dem Niveau von Oktober.“ Zugleich sei die Zahl der Passagiere leicht gesunken. Im Oktober seien es 189.000 gewesen, im Dezember 166.000. Die Ursache dafür seien vermutlich die verschärften Pandemiebestimmungen.

Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis

Moias dynamisches Preismodell ist kein Einzelfall: Auch der Motorroller-Sharingdienst Felyx berechnet die Kosten einer Fahrt in Hamburg seit Kurzem flexibel. Als die Niederländer im Frühsommer 2021 mit gut 700 E-Motorrollern in der Stadt starteten, kostete eine Fahrtminute immer und überall im Betriebsgebiet 29 Cent. Seit Dezember nennt Felyx einen Minutenpreis „ab 18 Cent“. Dass es je nach Tageszeit und Stadtteil mal teurer und mal billiger sei, helfe dabei, die Mietmopeds möglichst gleichmäßig zu verteilen, erklärt das Unternehmen.

Stehen in einem Stadtteil viele ungenutzt am Straßenrand herum und gibt es gleichzeitig wenige Buchungen, sinkt dort der Preis. Umgekehrt wird es bei hoher Nachfrage und wenigen verfügbaren Fahrzeugen teurer in dem Viertel. „Durch eine Preisänderung sind Angebot und Nachfrage wieder im Gleichgewicht. Dies erhöht die Verfügbarkeit unserer E-Roller“, heißt es bei Felyx. Und es soll helfen, die Motorroller besser auszulasten.

Neu: Schon einen Tag vorher einen Moia-Wagen bestellen

Warum Moia-Kunden wie Valentin Wimmer neuerdings höhere Fahrpreise registrieren, bleibt letztlich nebulös. Klar ist, dass der Sammeltaxi-Dienst mehr Einnahmen durchaus gebrauchen könnte. Das VW-Tochterunternehmen fährt mit Verlust. Das ist keine Überraschung: In Hamburg soll sich für den Autokonzern erst erweisen, ob ein solcher Dienst überhaupt jemals Gewinn einfahren kann. Deshalb wird beständig am Geschäftsmodell gefeilt.

So startete im September ein Service namens Moia Express, der die Passagiere ohne langwierige Umwege ans Ziel bringt. Zielgruppe sind insbesondere Geschäftsleute, die schnell unterwegs sein wollen. Für den Expressdienst wird ein Preisaufschlag fällig – dessen Höhe ist wiederum von Angebot und Nachfrage abhängig. Noch in einer Testphase ist die Vorbestellung eines Moia-Busses. Bislang fahren die auf Abruf in der Regel nach einigen Minuten Wartezeit vor. Nun können Passagiere bis zu einen Tag im Voraus einen Wagen zu einer bestimmten Uhrzeit an den Haltepunkt bestellen.

Sammeltaxi: Student kann sich Moia nicht mehr leisten

Auch dafür wird dann ein „kleiner Preisaufschlag“ fällig, so das Unternehmen. Eher langfristig angelegt sind die Pläne, eines Tages die Sammeltaxis autonom, also ohne Fahrer, auf Hamburgs Straßen zu schicken. Dann könnten die Preise spürbar sinken, die derzeit nach Unternehmensangaben „zwischen ÖPNV und Taxi“ liegen. Das Personal macht 60 Prozent der gesamten Kosten des Dienstes aus.

Valentin Wimmer hat neulich nach einer langen Wochenendnacht mal wieder eine Buchungsanfrage an Moia geschickt. Als die App den Fahrpreis anzeigte, ist er dann doch lieber in den Nachtbus gestiegen. Die Rücktour nach Niendorf war langwierig und nicht gerade ein Vergnügen – aber für ihn alternativlos. „Moia“, sagt der Student, „kann ich mir schlicht nicht mehr leisten.“